Frankfurt/Main - Erst zum Friseur, dann Hemd und Anzug raussuchen, ins Fotostudio dackeln und Aufnahmen machen lassen, die einem womöglich nicht mal besonders gut gefallen. Wäre es nicht viel praktischer, wenn ein KI-Tool die Fotos für die nächste Bewerbung erstellt?
Tools wie Aragon AI, Remini, PhotoAI oder HeadshotPro, die mit Künstlicher Intelligenz (KI) arbeiten, machen das möglich: Nutzerinnen und Nutzer können in einer App oder im Browser Selfies, Porträts oder andere Schnappschüsse von sich hochladen, die KI verarbeitet die Bilder und erstellt daraus in der Regel gegen Gebühr typische Businessfotos mit professionellem Anstrich und Studioeffekt. Die Tools lassen einen häufig zwischen verschiedenen Hintergründen, Outfits oder Körperhaltungen wählen.
KI-generiertes Bewerbungsfoto kann Skepsis auslösen
Gerade, wer sich vor der Kamera eines Fotografen unwohl fühlt, sieht vielleicht hauptsächlich Vorteile bei diesem Vorgehen. Es gibt aber auch Risiken. Ein KI-Bild könne das äußere Erscheinungsbild stark verfälschen, schreibt Martin Schröder, Recruitingexperte bei Robert Half in einem Blogbeitrag des Personalvermittlungsunternehmens. Zwar würden die Ergebnisse oft makellos wirken, seien aber unter Umständen auch "zu 'glatt' und unpersönlich", so Schröder.
Der Experte merkt zudem an, dass allzu perfekte Fotos schnell als "künstlich entlarvt werden" und "im Zweifel eher Skepsis als Begeisterung auslösen". Spätestens im Vorstellungsgespräch, wenn wenig Ähnlichkeit mit dem von der KI generierten Bild zu sehen ist, sind Personalentscheider womöglich irritiert. Gerade die Ergebnisse kostenloser Tools lassen Erfahrungsberichten zufolge häufig sofort erkennen, dass es sich um ein mit KI erstelltes Bild handelt oder enthalten im schlechtesten Fall sogar Fehler.
Der Einschätzung des Recruitingexperten Schröder zufolge bleibt für viele Personalverantwortliche Authentizität besonders wichtig. Ein Bewerbungsfoto sollte daher besser einen realistischen Eindruck vermitteln. "Wer unsicher ist, sollte sich am Außenauftritt des Unternehmens orientieren oder im Zweifel lieber auf ein klassisches, echtes Bewerbungsfoto setzen", empfiehlt Schröder.
Auch auf Datenschutz und Bias achten
Wer mit dem Gedanken spielt, KI-Tools für ein Bewerbungsfoto auszuprobieren, sollte nicht zuletzt das Thema Datenschutz berücksichtigen. Viele der Anbieter haben ihren Sitz im Ausland und würden die Fotos auf ihren Servern speichern, gibt Schröder zu bedenken. Ein Blick in die Datenschutzbestimmungen des jeweiligen Anbieters kann zum Beispiel zeigen, ob die hochgeladenen Bilder weiterverwendet werden dürfen.
Es lohnt sich, einen Anbieter mit Serverstandort in der EU wählen und zu prüfen, ob die Daten nach der Bearbeitung zuverlässig gelöscht werden, so Schröder.
Er verweist zudem auf das Risiko "der algorithmischen Verzerrung". Die KI ist abhängig von den Daten, mit denen das System gefüttert wird. Dadurch könne es vorkommen, dass bestimmte Merkmale bevorzugt oder benachteiligt werden, heißt es in dem Beitrag – etwa bei Hautfarbe, Alter oder Geschlecht. "Solche Verzerrungen können ungewollt Diskriminierung im Bewerbungsprozess verstärken", schreibt Schröder. © Deutsche Presse-Agentur