Lehrer haben ständig frei, Kassierer nichts Anständiges gelernt und Psychotherapeuten selbst den größten Dachschaden – viele Berufe sind mit Vorurteilen behaftet. Das haben auch viele unserer Leserinnen und Leser schon erlebt. Hier teilen sie ihre Erlebnisse.

Leserstimmen
zusammengestellt von Malina Köhn
Dieser Artikel basiert auf Zuschriften unserer Leserinnen und Leser und gibt ihre Meinungen, Einschätzungen und Fragen wieder, die sie unserer Redaktion geschickt haben. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Wir haben unsere Leserinnen und Leser nach ihren Erfahrungen mit unpassenden Reaktionen oder sogar Diskriminierungen wegen ihres Jobs gefragt. Dabei zeigte sich: Vorurteile und blöde Sprüche gibt es bei den unterschiedlichsten Berufen. Wir bedanken uns herzlich bei allen, die unserem Aufruf gefolgt sind und ihre persönlichen Erlebnisse teilen.

Empfehlungen der Redaktion

Den Job lieber verschweigen

  • Ich bin Psychologin, wenn man es genau nimmt, Psychologische Psychotherapeutin. Insbesondere von Männern, die ich über virtuelle Singlebörsen kennengelernt habe, habe ich oft "Man sagt ja, die haben selbst einen an der Waffel" oder "Analysierst du mich jetzt?" gehört. Das sollte lustig gemeint sein, aber führte dazu, dass ich meinen Beruf möglichst verschweige. (Isabell)
  • Ich bin seit über 20 Jahren Polizeibeamtin. Die Meinungen über die Arbeit der Polizei im Allgemeinen gehen hierbei stark auseinander, obwohl ich mittlerweile im Bereich Kriminalpolizei arbeite und nicht mehr ''auf der Straße''. Ich bewege mich privat in eher alternativen Kreisen. Hier würde ich niemals erwähnen, wo ich arbeite. Glücklicherweise bin ich nebenbei selbständig, sodass ich sprachfähig bleibe, was das Berufliche angeht. Der Bruder eines Freundes hat bei einer Feier mehrfach sehr unangenehm seine Meinung darüber kundgetan, dass ''die Polizei die Waffe locker sitzen hat". Ich habe selber meine eigene Meinung zu bestimmten Bereichen und Personengruppen innerhalb des Systems und versuche bei einem Gespräch (wenn es sich nicht vermeiden lässt), nicht auf die Kritik an sich einzugehen und eher vermittelnd tätig zu werden. (Anonym)

"Jobdiskriminierung war mein täglich Brot!"

Walther, ehemaliger Lehrer
  • Als Lehrerin bekomme ich häufig mitgeteilt, dass ich für wenig Arbeit viel Geld bekomme. Die meisten gehen davon aus, dass ich mit den Kindern die Schule betrete und mit Schulschluss in den Feierabend gehe. Gleichzeitig erwarten die Eltern, dass ich permanent ansprechbar bin. Auch nach 22 Uhr und am Wochenende. Da sitze ich dann aber tatsächlich oft an der Vorbereitung der nächsten Tage. Viel zugetraut wird mir – trotz der langen Ausbildung – auch nicht. Lehramt kann ja irgendwie jeder … (Anonym)
  • Jobdiskriminierung war mein täglich Brot! Ich bin seit vier Jahren in Pension. 1985 bekam ich die Chance, in einer Berufsschule für Elektrotechnik in Österreich als Lehrer zu beginnen. Meine Kollegen, zum Großteil selbst Handwerker, hatten fast nur lockere Sprüche für meinen Jobwechsel übrig. Zum Beispiel: "Weißt du, was das ist, wenn vier Lehrer zusammen stehen? Ein Jahr Urlaub!" oder "Welche zwei Gründe gibt es, dass man den Lehrberuf ergreift? Juli und August!" Auch im öffentlichen Bus, wenn man zufällig einen Schüler trifft und der einen mit "Grüß Gott, Herr Lehrer" begrüßt, dann hört man öfters aus dem Hintergrund die Worte "Schau mal, ein Urlaubsprospekt". (Walther, Tirol)

Unbeliebt wegen des Berufs

  • Ich war ein paar Jahre Versicherungsvermittler für eine große Vermögensberatung und über längere Zeit Stammkunde in einem asiatischen Restaurant. Während der Coronakrise habe ich den Beruf aufgegeben und umgesattelt. Als ich dem Inhaber davon erzählt habe, hat er mich laut und für alle anderen Gäste hörbar gefragt: "Keine Versicherungen mehr? Hast du keine Lust mehr, Leute zu betrügen?" An anderer Stelle hieß es: "Gott sei Dank bist du da raus. Das ist ein unehrlicher Beruf." (Michael, 37)
  • Als Denkmalpflegerin bin ich eh meistens der Buhmann, obwohl ich mit Sanierungen selbst gar nichts zu tun habe. Erst letzte Woche sagte jemand zu mir: "Ach, du bist Denkmalpflegerin? Damit bist du vermutlich nicht sehr beliebt ... Wahrscheinlich so beliebt wie Fußpilz!?" (Sophie)

"Wenn Bekannte von meinem Mann mich fragen, was ich denn beruflich mache, dann schweigen sehr viele nur oder sie wenden sich gleich ganz von mir ab."

  • Ich wurde schon des Öfteren wegen meines Jobs diskriminiert. Ich bin gelernte Tierwirtin und arbeite in einem Milchviehbetrieb. Später habe ich einen Abschluss als Technikerin für Landbau erworben. Generell alle, die mit Landwirtschaft in Verbindung stehen, werden von anderen als "dumme Bauern" belächelt. Wir in der Tierproduktion seien alles nur Tierquäler und hätten kein Herz. Wir Tierwirte, die sich jeden Tag, jede Uhrzeit um die lieben Tiere kümmern, haben wohl das größte Herz von allen. Sonst würden wir doch nachts nicht für eine kranke Kuh oder eine Schwergeburt aufstehen. Wenn Bekannte von meinem Mann mich fragen, was ich denn beruflich mache, dann schweigen sehr viele nur oder sie wenden sich gleich ganz von mir ab. Aber es ist mir egal. Ich liebe meinen Job und vor allem meine Kühe. (Christin)
  • Ich war sehr lange LKW-Fahrer und wurde nicht nur seitens der Familie als Rüpel, Stauverursacher und Umweltverschmutzer und -zerstörer bezeichnet. Hier (in Deutschland, Anm.d.Red.) ist man ein Schwein, ein Versager, anderswo derjenige, der die Wirtschaft am Laufen hält und die Bevölkerung versorgt. (Anonym)
  • Als Finanzbeamte brauche ich wohl nichts weiter sagen. Vor allem in der Familie hieß es: "Ach, die scheiß Beamten." Bei jeder Zusammenkunft wurden auch eigene Schummeleien diskutiert und wie die blöden Beamten das nicht merken würden. "Oh, das Finanzamt sitzt ja hier, wir müssen aufpassen, was wir sagen", hieß es dann. Mit diesen Leuten habe ich gebrochen. Solche Verwandte braucht man nicht. (Kathrein, 52)

Abfällige Kommentare

  • Ich arbeite in einem Lebensmittel-Discounter. Nach meiner Ausbildung bin ich recht schnell zur Marktleitung aufgestiegen. Irgendwann saß ich an der Kasse und ein Vater meinte nach dem Bezahlen völlig unvermittelt zu seinem circa 14-jährigen Sohn, während sie noch direkt neben mir standen: "Siehst du, deswegen musst du in der Schule gut aufpassen. Sonst musst du irgendwann auch hier sitzen." Und lachte mich dabei noch an. In diesem Moment war ich so perplex, dass mir keine Antwort eingefallen ist. (Tanja, 41, Soest)
  • Während ich in der Ausbildung zum Physiotherapeuten ein Praktikum in einem Krankenhaus absolvierte, ging ein Chefarzt mit seinem Assistenten an mir vorbei und sagte ganz frech: "Ja, dann können die Physios dem Patienten ja an den Füßen spielen." Woraufhin ich mit meinem losen Mundwerk antwortete: "Wenn sie da unten nicht zu viel wegschnibbeln ..." Es war leider nicht das erste und auch nicht das letzte Mal, dass ich von anderen wegen meiner Berufsgruppe belächelt wurde. Heute sage ich aber meist nur, dass es nicht (nur) die Ärzte sind, die Patienten wieder auf die Beine bringen. (Anonym)
  • Ich bin Lokführer und die erste Rückfrage ist meistens: "Und? Schon jemanden totgefahren?" Es ist die dümmste und pietätloseste Frage, die es in meinen Augen gibt. (Lukas, 27, Hamburg)
  • Ich arbeite im öffentlichen Dienst. Ich musste mir schon Sätze, wie "Also bist du nur eine einfache Tippse" anhören. (Anonym)

"Ach, das ist ein richtiger Beruf?"

  • Tatsächlich ist es mir während meiner Ausbildung und auch später häufiger passiert, dass die Reaktion auf meinen Beruf als Schaufensterdekorateurin/Gestalterin für visuelles Marketing war: "Ach, das ist ein richtiger Beruf?" (Anonym)
  • Ich bin gelernter Kaufmann im Einzelhandel und arbeite in diesem Bereich seit 15 Jahren. Als Verkäufer hat man es schwer, da man als ungelernt gilt. Ein – bis zu diesem Zeitpunkt – guter Freund nahm mich zur Seite und erzählte mir, dass ich froh sein könne, trotz meines Berufes den Luxus zu haben, ein Eigenheim gebaut haben zu können. Ich wäre, ähnlich wie Menschen im Friseurhandwerk, am unteren Ende der Nahrungskette. Ich habe mich nicht gerechtfertigt. Nach einer kurzen Erklärung, dass ich diese Aussage nicht gut finde, habe ich den Kontakt abgebrochen und lebe mein schönes Leben ohne diesen besagten "Freund" weiter. (Ralf, 39, Dülmen)
  • Ich wurde als Krankenschwester schon mal als "Arsch-Abwischer vom Dienst" betitelt. (Anonym)
  • Wenn mich jemand fragt, welchen Beruf ich habe und ich antworte "Krankenschwester", erlebe ich oft ein: "Na ja, die muss es ja auch geben." Die meisten Menschen haben überhaupt keine Ahnung, welche Verantwortung man trägt. Ich liebe meinen Beruf. (Marianne)

Arroganz gegenüber Reinigungskräften

  • Mit etwa 40 Jahren kam ich in einem Restaurant mit einem etwa gleichaltrigen Mann ins Gespräch. Nach einer netten Unterhaltung erzählte er, dass er auf Brautschau sei. Unter anderem auch, um die dicke Haushälterin loszuwerden, die zwar fleißig und zuverlässig, aber wenig "dekorativ" wäre. Und da er Architekt sei, suche er jemanden auf "Augenhöhe", weil die "unteren Berufsschichten" so begrenzt seien, was Kultur, Intellekt und Stil betreffe. Ich fühlte mich wie vor den Kopf geschlagen. Dieser arrogante Mensch benutzte diese Frau, um seinen Dreck wegzuputzen, schätzte sie aber keineswegs dafür. Verärgert über seine Geringschätzung meiner "unteren Berufsschicht" eröffnete ich ihm, selbst gelernte Hauswirtschafterin zu sein. Er stutzte, sein Gesicht fiel herunter und er meinte: "Sch..., schon wieder ins Klo gegriffen", stand auf und ging ohne ein weiteres Wort. (Monika, 68)
  • Ich habe, als meine Kinder im Kindergarten waren, dort als Reinigungskraft gearbeitet. Das war in den 80er/90er Jahren. Der Job war mit Steuerkarte und recht gut bezahlt. Bei Abendveranstaltungen im Kindergarten haben mich manche Eltern ignoriert, wenn ich noch gearbeitet habe. Das waren Eltern von Kindern aus der Gruppe meiner Kinder. Auch Jugendliche die sich vor dem Kindergarten aufhielten, wenn ich den Eingangsbereich geputzt habe, machten sich über mich lustig. (A. B.)

"Ich werde wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt."

Anonyme Reinigungskraft
  • Ich bin 36 Jahre alt und arbeite seit der Geburt meiner zweiten Tochter vor acht Jahren als Reinigungskraft in einem kleinen Unternehmen. Außerdem reinige ich auch das private Haus der Chefin und die Wohnung ihrer Tochter. Am Anfang ist es mir gar nicht aufgefallen, wie sehr ich diskriminiert wurde, doch nach einiger Zeit wurde es doch immer extremer. Mir wurde beispielsweise nie zum Geburtstag gratuliert. Alle anderen Mitarbeiter bekamen zu Weihnachten und zu Beginn der Adventszeit, Ostern und so weiter kleine Geschenke auf ihre Schreibtische gelegt. Dass ich nicht zu Team Events eingeladen wurde, war noch verständlich, doch noch nicht einmal zur Weihnachtsfeier wurde ich eingeladen. Das hat mich in letzter Zeit wirklich traurig gemacht. Ich werde wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt. (Anonym)
  • Ich erlebe es als Putzkraft immer wieder, dass mein Job diskriminiert wird. Wenn ich unter Menschen bin und gefragt werde, was ich mache, waren früher alle interessiert und wollten mehr hören. Ich habe visuelle Kommunikation studiert, dann als Freelancer für verschiedene Werbeagenturen und als Illustratorin gearbeitet. Parallel dazu habe ich eine Comiczeichenschule für Kinder gegründet. Das war sehr anstrengend für mich, da in den Agenturen oft ein harscher Ton herrschte, Artdirektoren wurden auch häufig übergriffig. Die ständige Auftragssuche, das Pitching, der Arbeitsdruck ... In der Corona-Zeit war es schwierig und ich habe mir als Festeinkommen verschiedene Putzstellen gesucht. Ich reinige Büros, Cafes und ein kleines Restaurant. Ich zeichne heute lieber für mich als im Auftrag von Kunden, das macht mir mehr Freude. Von meinen Auftraggebern bekomme ich sehr viel Wertschätzung. Trotzdem reagieren viele Leute, zum Beispiel ehemalige Kunden aus der Werbung, recht komisch, wenn sie hören, was ich heute mache. Ich bin aber viel zufriedener und muss mich mit dieser stressigen (Schein-)Welt der Werbebranche nicht mehr auseinandersetzen – das ist nichts für mich. Viele Leute verstehen das nicht, sie denken, ich sei arm. Mir fehlt es aber an nichts, ich liebe mein Leben, so wie es ist. (Jen)
  • Vor einigen Jahren habe ich in zwei verschiedenen Familien als Putzfrau gearbeitet. Schwierige Familienverhältnisse ließen mir trotz guter Schulbildung keine andere Wahl. Die Diskriminierungen waren variabel: Regelmäßig den Kot eines kranken alten Herrn entfernen, unter den Ehebetten die Hinterlassenschaften ehelicher Vergnügungen entfernen, mich des Diebstahls von Schmuck besichtigen lassen, weil man das neue Versteck vergessen hatte, und einfach einen freundlichen Gruß nicht erwidern, obwohl man direkt daneben steht. Es war eine schwere Zeit mit viel Traurigkeit und Rückenschmerzen. (Franziska)

Respektlosigkeiten und Beschimpfungen

  • Ich arbeite seit 18 Jahren als Paketzustellerin für einen Subunternehmer der blau Geflügelten. In den letzten Jahren erlebe ich es täglich, dass man in diesem Job, besonders als Frau, sehr abfällig und respektlos behandelt wird. Sowohl bei der eigentlichen Arbeit mit der Kundschaft als auch im Kollegium sowie von Verkehrsteilnehmern auf der Straße. Es geht von Drohungen, Türknallen und Beschimpfungen wie "Paketschlampe" bis hin zu Hupkonzerten wegen Anhaltens zum Zustellen. Es macht zum größten Teil wirklich keinen Spaß mehr. (Tatjana, Langen)
  • Vor Jahren war ich als Busfahrerin im Reiseverkehr beschäftigt. Es war auffallend, wie die Fahrgäste auf mich reagiert haben: "Hättest Du mal was anderes gelernt", "Wieso, es ist doch Dein Job, den Müll zu entsorgen" oder "Die Toilette ist abgeschlossen, los, Schlüssel her!" Damals war ich gerade knapp über 40, heutzutage würde ich mich freiwillig nicht mehr hinter das Steuer eines Reisebusses setzen. (Anonym)

"Man fühlt sich erniedrigt, wenn die Arbeitsleistung über die vielen Jahre nicht anerkannt wird."

  • Ich arbeite in der Baubranche in einem Betonwerk. Es komm gar nicht so selten vor, dass Architekten und Bauleiter in einem abwertenden Ton vom "Handwerkervolks" sprechen. Teilweise wird man wie 'Klein Doofi' behandelt. Andere reden gleich gar nicht mit mir, sondern nur mit meiner Chefin, die neben mir steht. Das Heftigste war mal eine Aussage: "Mit niederen Chargen rede ich nicht!" Als Schalungsbauer für hauptsächlich ausgefallene Sonderanfertigungen ist aber eine genaue Absprache über alle Ebenen nötig. Man fühlt sich erniedrigt, wenn die Arbeitsleistung über die vielen Jahre nicht anerkannt wird. (Sven, 55, Ulm)

Redaktioneller Hinweis

  • Die in diesem Beitrag veröffentlichen Meinungen haben uns Leserinnen und Leser per E-Mail oder über unser Feedback-Formular zukommen lassen. Die Zuschriften wurden gegebenenfalls sinnwahrend gekürzt und der Rechtschreibung angepasst. Erfahren Sie mehr darüber, wie unsere Redaktion mit Feedback arbeitet.