Fürth - "Wird es ein Junge oder ein Mädchen?", hören werdende Eltern häufig. Und manche machen mit Gender Reveal Partys selbst eine große Sache aus dem Geschlecht ihres Babys, veranstalten also eine Feier, bei der zum Beispiel pinkes oder blaues Konfetti aus einem zum Platzen gebrachten Luftballon fliegt.
Dabei müssen körperliche Merkmale aber nicht automatisch mit einer bestimmten Geschlechtsidentität einhergehen. Nur, weil einem Kind bei der Geburt das Geschlecht Mädchen oder Junge zugeschrieben wurde, heißt es nicht, dass es sich auch selbst so identifiziert.
Als Oberbegriff beschreibt Transgeschlechtlichkeit, wenn das zugeschriebene Geschlecht nicht oder nur teilweise der Geschlechtsidentität entspricht. Manche transgeschlechtliche Menschen identifizieren sich als männlich oder weiblich, manche aber auch als non-binär, also jenseits, außerhalb oder zwischen männlich und weiblich.
Vertrauen sich Kinder, die trans oder non-binär sind, nun ihren Eltern an, sind diese womöglich erst einmal überfordert und haben viele Fragen. Wie man in dieser Situation gut für sein Kind da ist, erklärt Ulric Ritzer-Sachs. Er ist Erziehungsexperte bei der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke).
Wie sollten Eltern reagieren, wenn ihr Kind ihnen sagt, dass es sich mit dem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht nicht identifiziert?
Ulric Ritzer-Sachs: Es wäre gut, wenn Eltern dann gelassen bleiben, dem Kind zuhören, es ernst und in den Arm nehmen. Das Kind in den Arm zu nehmen ist sowieso immer das Beste, was ich machen kann.
Ich sollte aber auch für mich prüfen: Bin ich gerade in der Lage, darüber zu reden? Eventuell sind Eltern überfordert und brauchen etwas Zeit. Dann ist es in Ordnung zu sagen: "Das ist prima, dass du mit mir sprichst. Können wir uns da zu einem anderen Zeitpunkt noch mal verabreden und länger reden?". Denn Zeit muss auf jeden Fall da sein. Das ist ein so wichtiges Thema, das bespricht sich nicht mal eben beim Kochen oder wenn man gerade zehn Minuten Zeit hat.

Wie können Eltern ihr Kind in der Identitätsfindung unterstützen - gerade, wenn sie sich nicht gut auskennen oder unsicher fühlen?
Ritzer-Sachs: Eltern sollten ihr Kind wirklich ernst nehmen und sich dem Thema gemeinsam stellen, sich informieren und mit Fachleuten sprechen. Es gibt überall in Deutschland spezialisierte Beratungsstellen, die sich gut auskennen.
Die Forschung geht momentan davon aus, dass es der richtige Weg ist, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu akzeptieren und zuzulassen, dass sie sich vielleicht anders entwickeln, als man es sich vorgestellt hat. Man geht davon aus, dass Kinder besser groß werden können, wenn sie ihre wahre geschlechtliche Identität finden, und ein viel glücklicheres Leben führen können, als wenn das unterdrückt wird.
Den Weg dahin muss niemand alleine durchstehen. Manchmal ist es auch sinnvoll, dass Erwachsene sich alleine beraten lassen, wenn sie Unsicherheiten haben, und nicht unbedingt immer zusammen mit dem Kind. Das Kind hat sich ja schon damit auseinandergesetzt und viel darüber nachgedacht, bevor es mit den Eltern spricht. Da ist es vollkommen okay, für sich erst einmal Klarheit zu bekommen. Denn egal wie gelassen und weltoffen Eltern sind, ist das eine große Herausforderung und für niemanden easy.
Dann gehe ich als Erwachsener zu einer Beratungsstelle und stelle mal alle meine Fragen, die mir so im Kopf rumschwirren. Auch Fragen, die für mein Kind vielleicht schwierig wären.
Eine Sorge von Eltern ist sicherlich, dass ihr Kind in der Schule oder anderswo auf Probleme stoßen könnte, weil die Geschlechtsidentität nicht von allen akzeptiert wird. Kann man sein Kind da schützen?
Ritzer-Sachs: Die Unterstützung dabei fängt schon viel früher an, indem ich in meiner Erziehung immer mitlaufen lasse, dass mein Kind möglichst selbstsicher werden kann, egal in welchen Bereichen: dass es mit Niederlagen umgehen kann genauso wie mit Siegen.
Ich kann mein Kind darauf vorbereiten, dass es Menschen geben wird, die damit nicht klarkommen und die das vielleicht sogar ins Lächerliche ziehen. Es wird immer Menschen geben, die dumme Sprüche machen. Das gilt es auszuhalten. Ich kann mein Kind nicht davor schützen, weil es relativ sicher passieren wird. Aber das passiert in vielen Bereichen und ist ein Teil des Lebens, aber nicht das komplette Leben.
Da muss man in der Situation dann immer individuell gucken: Was braucht es? Hält mein Kind das aus? Kann es sich von den Menschen fernhalten? Muss ich mit der Schule oder der Peer-Gruppe sprechen oder auch nicht? Das ist immer so ein Balance-Akt: Wie viel mische ich mich ein und wie viel halte ich auch aus, dass mein Kind mit schwierigen Dingen konfrontiert wird.
Ich glaube, das ist nicht anders als mit anderen Dingen, wo man die Normen verlässt. Die Norm ist ja immer das, was die meisten machen - das heißt nicht richtig oder falsch. Und das kann ich meinem Kind altersgerecht erklären. Ich würde nicht sagen: "Wenn du das machst, dann rechne mit XYZ", aber ich kann es andeuten und wenn es so weit ist, bleibe ich weiterhin mit meinem Kind in Beziehung und schaue zusammen, wie man das aushalten kann. © Deutsche Presse-Agentur