Berlin - Ist Knutschen nur ein anderes Wort für Küssen? Nein, findet Psychologe Wolfgang Krüger, der dazu ein Buch geschrieben hat. Während Knutschen vor allem etwas Lustvolles und Triebhaftes habe und es dabei gar nicht so wichtig sei, ob man die andere Person mag, gehe es beim Küssen gerade darum: der Person nahezukommen, oftmals verbunden mit dem Wunsch, eine längere Beziehung einzugehen.

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Was das Geheimnis guten Küssens ist und welche Auswirkungen schlechte Küsse auf die Partnerschaft haben können, verrät er im Interview.

Herr Krüger, wie küsst man denn richtig?

Wolfgang Krüger: Küssen an sich ist relativ schwierig. Vom Prinzip her ist es ein körperliches Gespräch, also eine Kommunikation, und dazu brauche ich mehrere Eigenschaften.

Das eine ist: Ich sollte möglichst langsam beginnen, mich auf den anderen einstellen und dann erst Tempo aufnehmen. Ich muss mich auf die andere Person einlassen und sozusagen zuhören können. Das andere ist: Ich muss auch meine eigene Persönlichkeit ausdrücken können, sonst wird das Küssen langweilig.

Das Interessante ist, dass diese beiden Eigenschaften auch Voraussetzung einer gelingenden Liebesbeziehung sind. Das sind generelle Persönlichkeitseigenschaften, die ich mitbringen muss und die ich auch anderweitig im Leben praktiziere: Indem ich in der Lage bin, in Gesprächen zuzuhören, auf den anderen einzugehen, und dann mich auch auszudrücken, meine Fantasien, meine Schwächen.

Als Technik hingegen kann man das Küssen kaum lernen.

Was sind die größten Fehler beim Küssen?

Krüger: Der größte Fehler ist, wenn der andere das Gefühl hat, er wird völlig überwältigt und überfahren, also wenn jemand ein völlig falsches Tempo hat und man regelrecht zugeschüttet wird vom Kuss des anderen.

Wolfgang Krüger
Wolfgang Krüger ist Psychotherapeut und Buchautor in Berlin. © dpa / Sina Schuldt/dpa/dpa-tmn

Das Zweite sind bestimmte Eigenheiten. Manche Menschen küssen zu schnell und damit viel zu feucht. Man hat plötzlich das Gefühl, man steht unter Wasser. Und dann gibt es auch Küsse, die sehr labbrig sind, wo man wie bei einem schwachen Händedruck das Gefühl hat, da ist kein Gegenüber und da passiert eigentlich nichts.

Was dann: Abbruch und auf und davon?

Krüger: Wenn wir merken, dass der andere ganz schwierig küsst, können wir natürlich gucken, ob wir das beeinflussen können. Ein Faktor ist, der Person Anerkennung zu signalisieren und sie damit zu beruhigen. Denn oft sind Menschen beim Küssen unsicher.

Ein anderer Faktor wäre, dass ich das anspreche. Da müssen wir nur bedenken, dass die meisten Menschen, wenn wir ihr Kussverhalten kommentieren, ausgesprochen empfindlich reagieren. Das müssen wir daher geschickt einkleiden, indem wir etwa sagen: "Du hast eine wunderbare Ausstrahlung und ich unterhalte mich sehr gerne mit dir. Deine Art zu küssen ist interessant - ich würde es aber gerne mehr genießen, indem du etwas langsamer küsst".

Es kann aber auch passieren, dass einfach die Mischung der beiden Persönlichkeiten nicht hinhaut. Und das hat große Folgen, denn viele würden, wenn es mit dem Küssen nicht klappt, gar keine Partnerschaft beginnen.

Ist es denn tatsächlich so, dass Schwierigkeiten beim Küssen schon signalisieren, dass eine Beziehung nicht funktionieren würde?

Krüger: Im Normalfall ja - es gibt aber Ausnahmefälle. Manchmal ist am Anfang noch eine Unsicherheit da, aber das kann sich verändern im Laufe der Zeit. Dann wird das Küssen besser, wenn die Beziehung mehr Vertrauen bekommt. Das wird man dann auch merken, dass das Ganze eine Entwicklung hat.

Der andere Fall ist, dass eine Frau etwa einen Mann kennenlernt und der ist interessant, verlässlich, hat Humor, ganz tolle Eigenschaften, aber beim Küssen klappt es nicht. Aber in der Gesamtbilanz entscheidet die Frau sich trotzdem für den Mann, obwohl er nicht gut küssen kann. Die schlechten Küsse können dann aber trotzdem negative Auswirkungen auf die Beziehung haben.

Buchcover "Küssen als Sprache der Liebe"
"Küssen als Sprache der Liebe", Wolfgang Krüger, Verlag BoD, 156 Seiten, 17,40 Euro, ISBN 9783769319927. © dpa / Books on Demand GmbH/dpa-tmn

Welche zum Beispiel?

Krüger: Die schlechten Küsse speichere ich unbewusst ab. Wenn ich dann später an anderen Stellen merke, ich bin zum Beispiel krank und mein Partner kümmert sich gar nicht richtig um mich, dann erinnere ich mich wieder an die Küsse. Ich bekomme beim Küssen am Anfang gewisse Eindrücke, die sich später als Fakten herausstellen können.

Ich stelle dann vielleicht fest, dass der andere keinen richtigen Draht zu mir hat, keine wirkliche Bindung. Das kann passieren. Denn im Küssen haben sich alle Eigenschaften, die der andere hat - positiv wie negativ - bereits abgebildet.

Deswegen sollte man am Anfang schon darauf achten, wie die Küsse sind. So merkt man rechtzeitig, ob es sich lohnt überhaupt in die Beziehung zu investieren.

Und im positiven Szenario, wenn die Küsse gut sind: Welche Auswirkungen hat das?

Krüger: Wenn man in seiner Beziehung gut küsst, lebt man erheblich länger, da ist sich die Wissenschaft einig. Denn Küssen ist eine der stärksten sinnlichen Möglichkeiten, sich nahezukommen. Teilweise viel sinnlicher und intimer als Sexualität. Da wird der gesamte Stoffwechsel aktiver, Glückshormone werden ausgeschüttet und das Immunsystem wird gestärkt. Man lebt also dadurch länger, dass auch die Beziehung insgesamt glücklicher ist.

Ich halte das Küssen daher für ausgesprochen unterschätzt. Es wird immer behandelt wie die kleine Schwester der Sexualität, aber Sex kann man auch haben, ohne dass große Nähe da ist. Die intimste Form des körperlichen Austauschs ist Küssen. Man sollte es nicht nur als Vorspiel für Sexualität missverstehen, sondern auch für sich genießen können.  © Deutsche Presse-Agentur