Zur Einsparung des Klimagases CO2 kann auch die Lebensmittelbranche etwas beitragen. Eine wissenschaftliche Tagung in Cloppenburg beschäftigt sich mit dem Thema. Die Vorschläge umfassen Pflanzenkohle und Insekten als Futtermittel – wirklich ein Durchbruch?

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Die Zusammenhänge zwischen Lebensmittelproduktion und dem Klimaschutz stehen im Mittelpunkt einer internationalen wissenschaftlichen Tagung im Oldenburger Münsterland. Unter dem Titel "Insects Plus” veranstaltet das in Quakenbrück ansässige Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik (DIL) erstmals diesen Kongress.

Mehr als 300 Teilnehmer:innen aus 150 Institutionen und mehr als 25 Aussteller werden zu der vom 12. bis zum 14. Mai in der Stadthalle Cloppenburg laufenden Veranstaltung erwartet, sagte der Geschäftsführende Vorstand des DIL, Volker Heinz.

Pflanzenkohle kann CO2 Jahrhunderte binden

Die Leitfrage der Tagung sei die Gesamtverwertung von Biomasse, sagte Heinz. So ermöglichten Pflanzen, das in der Atmosphäre enthaltene Klimagas CO2 zu binden. Durch eine thermische Behandlung unter Sauerstoffabschluss, der sogenannte Pyrolyse, lasse sich die Biomasse in Pflanzenkohle umwandeln, in der das CO2 gebunden sei.

"Die Pflanzenkohle kann gelagert werden, sie kann aber auch zur Bodenverbesserung eingesetzt werden, weil sie ein sehr guter Feuchtigkeitsspeicher ist”, erklärte Heinz. Pflanzenkohle selbst sei so reaktionsträge, dass das eingelagerte CO2 über Jahrhunderte nicht wieder in die Atmosphäre entweiche.

Soja aus Südamerika mit Insekten ersetzen

"Im Prinzip ist das einer der effizienteren Wege, CO2 aus der Atmosphäre zu nehmen”, sagte Heinz. Verfahren wie die Verpressung des Klimagases im Erdboden oder auf dem Meeresboden seien mit sehr hohem technischem Aufwand verbunden.

Ein anderes wichtiges Thema sei die Nutzung von Insekten als Futter fürs Vieh. Damit ließe sich die Einfuhr von Soja als Tierfutter aus Südamerika reduzieren, sagte Heinz. Unter anderem in den Niederlanden, in Frankreich und in Dänemark gebe es bereits große Insektenfarmen. Die Branche stehe aber noch am Anfang. "Da besteht noch ganz erheblicher Forschungsbedarf, denn der Teufel liegt bekanntlich im Detail”, sagte Heinz. Aber in der Nutzung von Insekten liege ein Potenzial zur CO2-Einsparung.

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Prognose geht von drastisch steigendem Eiweiß-Bedarf aus

In China werde bereits sehr stark auf Insekten als Futter für die Schweinemast gesetzt, erläutert der DIL-Chef. Auch dort wolle man sich von Sojaimporten aus Südamerika unabhängig machen. Langsam werde man sich auch in Europa bewusst, dass die Ernährung der Bevölkerung eine strategische Bedeutung habe, sagte Heinz.

Schätzungen von Experten gingen davon aus, dass weltweit der Eiweiß-Bedarf für die Ernährung in 30 bis 40 Jahren um ungefähr 400 Millionen Tonnen steigen werde. Derzeit werden etwa 530 Millionen Tonnen pflanzliches Eiweiß und rund 90 Millionen tierisches Eiweiß produziert. "Es ist völlig unklar, wie dieser Mehrbedarf von 400 Millionen Tonnen gedeckt werden soll”, sagte Heinz.

Utopia meint: Der wichtigste Hebel der Lebensmittelbrache ist ein anderer

Die Ernährungsindustrie ist ein großer Hebel für den Klimaschutz – doch wie immer muss man die Lösungen von mehreren Seiten betrachten. Insekten als Tierfutter mögen etwa CO2 einsparen, doch ethisch gut ist die Lösung nicht. Denn auch bei der Zucht in Insektenfarmen handelt es sich um Massentierhaltung. Ob Insekten leidensfähig sind, darüber weiß die Forschung bisher noch zu wenig. Neuere Studien weisen jedoch darauf hin, dass Insekten tatsächlich Schmerzen empfinden können.

Trotzdem gibt es etwa in Deutschland bisher keine Haltungsvorschriften für Insekten, wie die Verbraucherzentraleschreibt. Auch Maßstäbe für den Einsatz von Arzneimitteln und zur schonenden Tötung fehlen noch.

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Der wichtigste Hebel der Ernährungsindustrie liegt tatsächlich an einem anderen Punkt: Was sich ändern muss, ist nicht das Tierfutter in der Lebensmittelindustrie, sondern unser Konsum von tierischen Produkten. Würden wir diesen reduzieren, ließen sich große Mengen an Emissionen einsparen.

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