Wer im Supermarkt zu Fleisch oder Milchprodukten greift, trifft immer öfter auf das neue "Haltungsform"-Label mit der Stufe 5. Es klingt nach maximalem Tierwohl – doch was steckt tatsächlich dahinter?

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Seit Juli 2024 gibt es das neue fünfstufige "Haltungsform"-Label im Handel. Die Stufe 5 – "Bio" – orientiert sich an den strengen Vorgaben der EU-Öko-Verordnung und privaten Bio-Verbänden wie Bioland, Naturland oder Demeter. Bis Ende 2025 soll die neue Kennzeichnung die bisherige 4-Stufen-Variante vollständig ersetzen.

Die Stufe 5 gilt als das derzeit höchste Tierhaltungs-Niveau. Doch hält diese Stufe wirklich, was sie verspricht? Ein kritischer Blick auf Tierhaltungsstufe 5 lohnt sich.

Die neuen Haltungsform-Stufen im Überblick

  • Stufe 1: Stall (bisher: Stallhaltung)
  • Stufe 2: Stall + Platz (bisher: Stallhaltung Plus)
  • Stufe 3: Frischluftstall (bisher: Außenklima)
  • Stufe 4: Auslauf/Weide (bisher: Premium)
  • Stufe 5: Bio (neu, nur für zertifizierte Öko-Betriebe)

Wichtig: Die Haltungsform-Stufe 5 verändert nicht die Kriterien des EU-Bio-Siegels, sondern ordnet Bio-Produkte zusätzlich innerhalb der freiwilligen Handelskennzeichnung ein. Das Bio-Siegel bleibt gesetzlich geregelt und unverändert.

Damit übernimmt die Handelskennzeichnung die Begriffe der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung, die ab August 2025 zunächst für Schweinefleisch verpflichtend wird.

Diese Neuerung soll den Verbraucher:innen signalisieren, dass Produkte mit Stufe 5 die höchsten Tierwohl- und Umweltstandards erfüllen – zumindest auf dem Papier.

Vorteile der Stufe 5: Was bedeutet "Bio" bei Tierhaltung?

Produkte mit Stufe 5 stammen aus zertifizierter ökologischer Tierhaltung. Die wichtigsten Merkmale:

  • Gentechnikfreie Bio-Fütterung, möglichst mit eigenem Anbau
  • Mehr Platz und strukturierter Auslauf für die Tiere
  • Kein präventiver Antibiotika-Einsatz
  • Verbot schmerzhafter Eingriffe wie Kupieren oder Schnabelkürzen
  • Gesetzlich verpflichtende, unabhängige Kontrollen

Das Bio-Siegel ist gesetzlich geschützt und die Einhaltung der Kriterien wird regelmäßig überprüft – anders als die meisten freiwilligen Kennzeichnungen.

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Kritikpunkte: Reicht Stufe 5 aus?

Trotz der hohen Standards gibt es deutliche Kritik von Tierschutzorganisationen und Expert:innen:

Das Platzangebot bleibt oft gering: Auch Stufe 5 garantiert etwa Mastschweinen mit 1,5 bis 2,3 Quadratmetern pro Tier nur wenig Raum – etwa die Fläche eines Esstischs für ein ganzes Tier. Das ist zu wenig für wirklich artgerechtes Verhalten. Dazu kommt: Mehr Platz und Auslauf alleine garantieren kein besseres Wohlbefinden.

Fokus auf wenige Kriterien: Das Label legt den Schwerpunkt auf Platz und Auslauf, andere wichtige Aspekte wie Qualzucht, Bodenbeschaffenheit oder Stress bei Transport und Schlachtung werden kaum berücksichtigt.

Irreführende Wirkung: Studien zeigen, dass viele Konsument:innen die Unterschiede zwischen Haltungsstufen überschätzen. Das Label vermittelt ein Gütesiegel, hinter dem sich oft nur marginale Verbesserungen verbergen.

Wirtschaftlicher Druck: Die Umstellung auf Stufe 5 ist teuer. Viele kleinere Betriebe können nicht mithalten, was zu einer Konzentration auf wenige große Bio-Höfe führen kann.

Marketing statt echte Reform: Im Lebensmitteleinzelhandel dient die Haltungsform 5 vor allem als Antwort auf das steigende Tierwohlbewusstsein der Verbraucher:innen – eine Vermarktungsstrategie, bei der der kritische Blick auf die industrielle Tierhaltung ausbleibt.

Die Verbraucherzentrale meint: "Die ‚Haltungsform‘-Kennzeichnung des Handels und die staatliche Tierhaltungskennzeichnung sind gute Ansätze für mehr Transparenz im Fleischangebot. Sie garantieren aber nicht, dass es den Tieren wirklich gut gegangen ist. Denn mehr Platz und Beschäftigungsmaterial im Stall bedeuten nicht automatisch mehr Tierwohl."

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Tierhaltungsstufe 4 vs. Stufe 5 – die wichtigsten Unterschiede

Stufe 5 geht in mehreren Punkten über Stufe 4 hinaus. Die wichtigsten Unterschiede zwischen Stufe 4 und 5 sind:

Betriebe:

  • Stufe 4: Konventionell oder Bio
  • Stufe 5: Nur zertifizierte Bio-Betriebe

Platz & Auslauf:

  • Stufe 4: Mehr Platz als gesetzlich, teilweise Auslauf
  • Stufe 5: Deutlich mehr Platz, verpflichtender Weide- oder Auslaufzugang

Futter:

  • Stufe 4: Konventionelles Futter erlaubt (gentechnikfrei empfohlen)
  • Stufe 5: Ausschließlich biologisches, gentechnikfreies Futter

Antibiotika:

  • Stufe 4: eingeschränkt erlaubt
  • Stufe 5: stark eingeschränkt, präventiv verboten

Tierwohl-Standards:

  • Stufe 4: Verbesserte konventionelle Haltung
  • Stufe 5: Bio-Standards mit strengeren Vorgaben zu Tierwohl, Eingriffen, Stallgestaltung

Kontrollen:

  • Stufe 4: Teils freiwillige Standards, privatwirtschaftliche Kontrolle
  • Stufe 5: Gesetzlich vorgeschrieben, unabhängige staatlich anerkannte Kontrollstellen

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Fazit: Warum auch Tierhaltungsstufe 5 keine gute Wahl ist

Die "Haltungsform"-Kennzeichnung des Handels bringt mehr Transparenz ins Fleischangebot – das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch auch Stufe 5, die höchste Stufe, sollte Verbraucher:innen nicht darüber hinwegtäuschen: Ein bisschen mehr Platz oder Bio-Futter machen aus industrieller Tierhaltung noch kein artgerechtes Leben.

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Klar ist: Kein Label der Welt kann garantieren, dass Tiere wirklich respektvoll und ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten wurden. Wer Tierwohl wirklich ernst nimmt, sollte sich nicht auf Labels verlassen, sondern nur auf den eigenen Konsumverzicht.

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