Toxische Eltern sind oft nicht unbedingt offensichtlich bösartig oder gemein. Sie als solche zu erkennen, ist daher manchmal gar nicht so einfach. Das steckt dahinter.

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Toxische Eltern können auf den ersten Blick auch liebevoll wirken, denn emotionale Gewalt sieht man nicht immer sofort. Hinter dieser Fassade können jedoch subtile, aber sehr verletzenden Muster und Verhaltensweisen stecken, die Kinder das ganze Leben lang prägen und beeinflussen. In einem Artikel der FAZ berichten Betroffene davon, wie toxische Eltern ihr Leben beeinflusst haben. Anhand dessen geben wir dir Tipps, wie du toxische Eltern erkennen und was du tun kannst, wenn du realisiert, dass du selbst betroffen bist.

Hinweis: Es gibt keine medizinische Diagnose, dass jemand ein toxischer Elternteil ist. Vielmehr beschreibt es ein wiederkehrendes Verhaltensmuster.

Warum verhalten sich Eltern toxisch?

Oft haben toxische Eltern selbst schlimme Dinge in der Kindheit erlebt und spiegeln nur, was sie unter ihren eigenen Eltern erlebt haben – es geschieht also nicht unbedingt aus Bosheit. Auch haben toxische Eltern oft psychische Probleme, so eine Expertin in der FAZ. Das ist keine Entschuldigung für ein solches Verhalten, zeigt aber umso mehr, wie wichtig es ist, dass jemand den Teufelskreis durchbricht – auch für kommende Generationen.

Was bedeutet der Begriff "toxische Eltern"?

Als toxische Eltern werden umgangssprachlich solche Eltern bezeichnet, die wiederholt verschiedene Verhaltensweisen zeigen, mit denen das Selbstwertgefühl, die Autonomie und das allgemeine mentale Wohlbefinden des Kindes untergraben werden. Oft wird das Kind durch das Aufwachsen in einem solchen Elternhaus so stark negativ geprägt, dass es auch im Erwachsenenalter noch mit den Folgen in Form psychischer Probleme und gestörter Bindungsmuster zu kämpfen hat.

Typische Attribute toxischer Eltern können zum Beispiel sein:

  • Sie vernachlässigen ihre Kinder.
  • Das Gegenteil: Sie überwachen ihre Kinder zu stark und obsessiv ("Helikopter-Eltern").
  • Alles dreht sich immer nur um sie. Die Befindlichkeiten des Kindes müssen hinter denen der Eltern zurückstecken.

Das ist nur eine Auswahl möglicher Verhaltensweisen. Toxische Eltern zu erkennen, ist oft gar nicht so leicht. Im Folgenden erklären wir dir mehr zu Eigenschaften, an denen du toxische Eltern erkennen könntest.

1. Toxische Eltern relativieren deine Erfolge

Eltern sollten ihre Kinder unterstützen und motivieren, an ihren Zielen zu arbeiten. Toxische Eltern hingegen geben dir nicht das Gefühl, dass sie sich für deine Erfolge freuen, sondern reden die immer ein, dass du es noch besser hättest machen können. Wenn du stolz von deinen Leistungen erzählst, bekommst du statt einem "Gut gemacht, ich bin stolz auf dich" ein "Ja, ABER…" zurück.

Beispielsweise erzählst du glücklich von einer guten Note und deine Eltern erwidern etwas wie: "Aber erstmal schauen, ob du diesen Notendurchschnitt halten kannst". Egal, in welcher Form toxische Eltern Leistungen minimieren – es sorgt bei dir als Kind dafür, dass sich deine Leistungen nie gut genug oder befriedigend anfühlen. Kritik kommt immer, Lob nur selten oder gar nicht. Auch wenn du etwas gut gemeistert hast, hast du somit das Gefühl, deine Eltern enttäuscht zu haben. Das kann das Selbstwertgefühl langfristig beeinflussen.

2. Deine Gefühle werden klein geredet oder ignoriert

Toxische Eltern sind selten auf offensichtliche Art gemein zu dir, sondern auf subtile Weise. So hinterfragst oder erkennst du es viellelicht gar nicht, dass diese Dinge eigentlich nicht okay sind. Durch Kommentare wie:

  • "Stell dich nicht so an."
  • "Das geht aber besser."
  • "Übertreib doch nicht so."
  • "Ach komm, so … ist es doch gar nicht."

werden deine Gefühle immer wieder kleingeredet. Dabei wirken solche Sätze oft einfach wie gut gemeinte Worte, um ein Kind zu motivieren und anzuspornen. Tatsächlich bewirken solche subtile Spitzen aber, dass du dich ständig unzulänglich, schwach oder ungenügend fühlst und anfängst zu glauben, dass deine eigenen Gefühle unwichtig sind.

3. Schuldgefühle dienen ihnen als Erziehungsmittel

Toxische Eltern sind Meister:innen darin, dich mit Schuldgefühlen zu manipulieren. Dazu gehören solche Sätze:

  • "Nach allem, was ich für dich getan habe…"
  • "Auf einmal bin ich dafür nicht mehr gut genug."
  • "Diese Familie bedeutet dir offensichtlich nichts."

Diese Aussagen können dein Mitleid hervorrufen und dafür sorgen, dass du dich schuldig und verantwortlich fühlst, deinen Eltern ihre Sorgen und Schmerzen abzunehmen. Sie nehmen eine Opferrolle ein und machen dich zum Bösewicht. Selbst dann, wenn du nichts falsch gemacht hast, fühlst du dich somit, als ob du in ihrer Schuld stehen würdest und deine "schlimmen Taten" ausgleichen müsstest.

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4. Sie respektieren deine Grenzen nicht

Toxische Eltern lassen dir weder Freiraum noch Privatsphäre. Deine eigenen Entscheidungen zu treffen fällt dadurch schwer. Denn deine Eltern kommentieren oder sabotieren vieles davon, was du tust. Im Kindesalter kann das zum Beispiel beinhalten:

  • Deine Eltern lesen deine Nachrichten und Chatverläufe.
  • Du darfst dich nicht mit Leuten treffen, die deine Eltern nicht kennen.
  • Wenn du Freund:innen zu dir nach Hause einlädst, sind deine Eltern ständig mit im Raum und mischen sich in eure Pläne ein.

Oft hört das auch im Erwachsenenalter nicht auf. Ob Wohnung, Beruf oder Partner:innenwahl – toxische Eltern können schwer loslassen und fühlen sich berechtigt, bei deinen Entscheidungen das letzte Wort haben zu dürfen. Vielen Kindern toxischer Eltern fällt es daher später schwer, Dinge selbst zu entscheiden. Verständlich, wenn deine Autonomie von Kindesbeinen an ständig untergraben wird.

5. Du und deine Geschwister werden gegeneinander ausgespielt

Wenn du als Kind toxischer Eltern Geschwister hast, sind Vergleiche unter euch häufig an der Tagesordnung. Sätze wie "Du warst schon immer schwieriger als deine Schwester/dein Bruder" oder "Warum kannst du nicht mehr so sein wie deine Schwester/dein Bruder" sorgen nicht nur dafür, dass du dich minderwertig fühlst, sondern vergiften auch das Verhältnis unter euch Geschwistern. Denn häufig wird Ärger oder sogar Hass unter euch gesät, wenn ihr ständig um die Gunst eurer Eltern konkurrieren müsst.

6. Jede Kommunikation fühlt sich an wie ein Minenfeld

Kinder toxischer Eltern leben in ständiger Anspannung, wenn es um Gespräche mit den Eltern geht, berichten Betroffene in der FAZ. Denn die Reaktionen der Eltern sind oft unvorhersehbar und überwiegend negativ, selbst in Gesprächen mit positiven Thematiken. Gespräche fühlen sich damit für dich als Kind dauerhaft anstrengend an, denn du wirst ständig mit herabwürdigenden Kommentaren, Ironie und doppeldeutigen Bemerkungen über deine Unzulänglichkeit konfrontiert.

Infolgedessen hast du immer das Gefühl, dich rechtfertigen zu müssen oder die falschen Dinge zu sagen und zu tun. Und falls du doch einmal zurückschießt und versuchst, dich zu wehren, wirst du als undankbar bezeichnet und mit Schuldgefühlen manipuliert.

7. Sie stellen Bedingungen für ihre Liebe

Um dich zu kontrollieren, stellen toxische Eltern häufig ein Ultimatum und Bedingungen, wenn ihnen Dinge, die du tust, nicht gefallen. Meist läuft es laut FAZ darauf hinaus: Bleib in der Spur, die wir vorgeben, oder wir entziehen dir unsere Liebe. Das kann zum Beispiel so aussehen:

  • "Trenne dich von deine:r Partner:in, oder wir reden nicht mehr mit dir."
  • "Beende Verhaltensweise X, oder du bist in diesem Haus nicht länger willkommen."

Ein solches Ultimatum ist besonders für minderjährige Kinder problematisch, da sie in mehr als einer Weise auf die Unterstützung der Eltern angewiesen sind. Ein Ausschluss aus der Familie würde bedeuten, dass für die Kinder das komplette Leben auseinanderbricht. Sie haben daher keine Wahl, als der Manipulation der Eltern nachzugeben.

8. Nach jedem Kontakt fühlst du dich ausgelaugt

Jeder Mensch hat mal einen schlechten Tag. So auch deine Eltern. Demnach kann es immer passieren, dass deine Eltern unbeabsichtigt einmal etwas sagen oder tun, was dir als Kind nicht gefällt oder dich verletzt. Der Unterschied zwischen einem einfachen Fehltritt in der Erziehung und toxischen Eltern ist laut einer Expertin in der FAZ vor allem: Toxische Eltern verhalten sich dauerhaft und regelmäßig so und entschuldigen sich oft auch nicht für ihr Verhalten – von Änderungen oder Besserung keine Spur.

Falls du dir immer noch nicht sicher bist, ob du selbst Opfer der Verhaltensweisen toxischer Eltern bist – Hör auf dein Bauchgefühl. Fühlst du dich immer traurig, leer, wütend oder erschöpft, nachdem du mit deinen Eltern gesprochen oder telefoniert hast, obwohl das Gespräch eigentlich "nett" wirkte? Das ist typisch für den Umgang mit toxischen Eltern. Denn wie bereits oben erklärt, sind die manipulativen Taktiken toxischer Eltern oft nur auf unterschwellige Weise gemein. Außenstehende Personen werden dabei in der Regel gar nicht merken, dass an den Kommentaren deiner Eltern etwas faul ist. Auch für dich als Betroffene:r ist das am Anfang schwer zu erkennen. Und noch schwieriger ist es oft, sich einzugestehen, dass die eigenen Eltern nicht so nett sind, wie man es als Kind gerne hätte.

Meine Eltern sind toxisch – und nun?

Falls deine Eltern regelmäßig diese oder andere Verhaltensweisen zeigen, die dir ein schlechtes Gefühl geben, solltest du eure Beziehung kritisch hinterfragen. Toxische Eltern zeigen manchmal auch nicht alle oder noch andere Verhaltensweisen außer denen, die oben genannt wurden. Wenn du das Gefühl hast, dass mit deiner Beziehung zu deinen Eltern etwas nicht stimmt, kann es ratsam sein, dir professionelle Hilfe zu suchen und das Problem therapeutisch zu besprechen.

Auch wenn es keine schöne Erkenntnis ist – zu erkennen, dass die Beziehung zu deinen Eltern toxisch ist, ist der erste Schritt zur Besserung. Denn auch toxische Beziehungen lassen sich verbessern. Das erfordert aber zunächst vor allem etwas Abstand zu deinen Eltern und gesunde Grenzen, ebenso wie viele Gespräche, oft auch mit professioneller Unterstützung. Wenn das alles nichts bringt, kann auch ein kompletter Kontaktabbruch zu den Eltern nötig sein.

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Sei dir immer bewusst: Du hast das Recht auf ein gesundes und stabiles Umfeld, das dich unterstützt und dich aufbaut, anstatt dich herabzuwürdigenden. Und wenn das bedeutet, erstmal auf Distanz zu deinen Eltern zu gehen, dann kann das die richtige Entscheidung sein. Auch, wenn es erstmal schwerfällt. Als Kind bist du nicht dafür verantwortlich, die Gefühle deiner Eltern unter Kontrolle zu halten und zu befriedigen. Wenn du mehr dazu wissen möchtest, lies hier weiter: Parentifizierung: Müssen sich junge Erwachsene für ihre Eltern verantwortlich fühlen?   © UTOPIA