Es ist eine der schwersten Krisen unserer Zeit: Mehr als 15 Millionen Kinder im Sudan benötigen dringend humanitäre Hilfe. Besonders schwerwiegend ist die derzeitige Hungerkrise, die sich in Teilen des Landes immer weiter zuspitzt und daraus resultierende Krankheiten.
Bereits im vergangenen Jahr warnte UNICEF vor einer Hungersnot in 14 Gebieten des Sudan. Im August 2024 wurde offiziell eine Hungersnot im Vertriebenencamp ZamZam in Nord-Darfur ausgerufen. Aktuelle Daten zeigen nun, dass die Zahl der Kinder, die zwischen Januar und Mai 2025 in der Region Darfur wegen schwerer akuter Mangelernährung behandelt wurden, um 46 Prozent angestiegen ist.
Wann wird eine Hungersnot ausgerufen?
- Eine Hungersnot wird von den UN oder der jeweiligen Regierung erklärt – basierend auf Daten der internationalen IPC-Klassifikation.
- Anhand einer Skala, die aus fünf Stufen besteht, wie die Ernährungssicherheit in einem Gebiet eingeordnet. Sie reicht von Phase 1 "Minimal", über "Strapaziert" (Stressed), "Krise" (Crisis) und "Notsituation" (Emergency), bis hin zu Phase 5, der "Hungersnot" (Famine).
Es gibt immer weniger für die Kinder im Sudan
"Kinder in Darfur werden durch den Konflikt ausgehungert und sind vom lebensrettenden Zugang zu Hilfe abgeschnitten", sagt Sheldon Yett, Leiter der UNICEF-Hilfe im Sudan. Erschwerend hinzu kommt, dass die erntearme Zeit bevorsteht, also die Zeit vor der Haupternte, in der die Vorräte aus dem Vorjahr zu Ende gehen. Dies wäre auch unter konfilktfreien Umständen eine schwierige Zeit für die Bevölkerung. Aktuell verschärft sich die Lage deutlich.
Durch den Krieg ist der normale Ablauf der Erntezeit gestört: Viele Menschen, die landwirtschaftlich tätig sind, mussten fliehen und ihre Felder zurücklassen. Gleichzeitig führen bewaffnete Konflikte dazu, dass die Böden durch Kampfmittel verseucht und damit unbrauchbar werden. Dadurch ist die landwirtschaftliche Produktion im Sudan extrem eingeschränkt.
Yett warnt davor, was passiert, wenn keine schnelle humanitäre Hilfe im Sudan ankommt: "Dies ist ein entscheidender Moment. Das Überleben der Kinder hängt davon ab, ob die Weltgemeinschaft sich dafür entscheidet, zu handeln oder wegzuschauen."
Nord-Darfur betroffen von hohem Anstieg von Mangelernährung
In neun von 13 Regionen ist die Alarmschwelle für akute Mangelernährung bereits überschritten worden. So wurde in Yasin, einer Ortschaft im Osten Darfurs, festgestellt, dass 28 Prozent der Kinder an schwerer oder moderat akuter Mangelernährung leiden.
Erreicht dieser Wert 30 Prozent, ist einer von drei maßgeblichen Schwellenwerten zur Feststellung einer Hungersnot überschritten. Die Zahlen verdeutlichen das rasante Fortschreiten einer ernsten Krise für Kinder – in einem Land, in dem bereits mehrere Landesteile unter Hunger leiden.
Anstieg von mangelernährten Kindern von 683 Prozent in einem Bundesstaat
Auch andere Regionen haben mit erhöhten Mangelernährungswerten zu kämpfen. So ist zum Beispiel im Bundesstaat Khartum die Zahl der mangelernährten Kinder, die dort behandelt werden, um 174 Prozent gestiegen. In Al-Dschazira stieg die Zahl sogar um 683 Prozent.
Allerdings merkt UNICEF an, dass diese hohen Zahlen dadurch entstehen, dass die Sicherheitslage und somit auch der Zugang zu humanitärer Hilfe in Al-Dschazira und Khartum besser ist. Mehr Menschen können dadurch die Angebote von Hilfsorganisationen in Anspruch nehmen und ihre Kinder versorgen lassen. Diese werden dann offiziell registriert und fließen in die Berechnungen mit ein.
Das bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass die Lage anderswo womöglich noch drastischer ist als angenommen.

Cholera: In Kombination mit Mangelernährung ein Teufelskreis
Krankheiten wie Masern oder Cholera sind eine zusätzliche Gefahr für Kinder, die bereits mangelernährt sind. Insbesondere durch Cholera, einer Durchfallkrankheit, die unbehandelt tödlich endet, wird das Immunsystem der Kinder weiter geschwächt.
Cholera verbreitet sich über verunreinigtes Wasser oder mangelhafte hygienische Zustände und ist höchstgradig ansteckend. In Vertriebenencamps sind die Bedingungen sehr schwierig, da inzwischen Millionen von Menschen auf der Flucht sind. Cholera-Bakterien verbreiten sich dort umso schneller.
Ärztin: "Am Anfang war es sehr schlimm"
Dr. Somaya arbeitet in einem von UNICEF unterstützen Krankenhaus in Khartum. Sie berichtet, dass zu Beginn des Cholera-Ausbruchs, der bereits im August 2024 begann, täglich um die hundert Patientinnen und Patienten ins Krankenhaus kamen.
"Es ist uns gelungen, die Situation unter Kontrolle zu bringen", sagt sie. Im Juni waren es nur noch 14 Menschen pro Tag. Dies sei auch der Aufklärungsarbeit und der Einrichtung von Rehydrierungsstellen zu verdanken, wo die Menschen sich mit Flüssigkeit versorgen können.
Dadurch würden Patienten in einem besseren Zustand ins Krankenhaus kommen, um sich behandeln zu lassen. Die Wiederherstellung des Flüssigkeitshaushalts ist bei Cholera essenziell und muss schnell erfolgen.
Laut Angaben der örtlichen Gesundheitsbehörde gab es in der Region Khartum seit Anfang des Jahres mehr als 7.700 Cholerafälle. 1.000 davon betrafen Kinder unter fünf Jahren.
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Die Gewalt im Sudan eskaliert immer weiter
Ende 2024 eskalierte der Krieg vor allem in Nord Dafur und dauert seither an. Im April drangen bewaffnete Kämpfer in das Vertriebenencamp ZamZam ein. Mindestens 300 Menschen wurden getötet, darunter auch 20 Kinder.
Erst im vergangenen Juli wurden bei einem erneuten schweren Angriff im Bundesstaat Nord-Kordofan mehr als 450 Menschen getötet, darunter mindestens 35 Kinder und zwei schwangere Frauen.
Zudem wurden Hilfskonvois geplündert und angegriffen. Anfang Juni wurden fünf Mitarbeitenden der Vereinten Nationen bei einem Überfall getötet. Der Konvoi war unterwegs, um Hilfsgüter nach Al-Fashir zu bringen.
Verwendete Quellen
- unicef.de: Pressemitteilung Sudan: Zahl der schwer mangelernährten Kinder in Nord-Darfur verdoppelt
- Statement von Dr. Somaya: UNICEF Sudan
- unicef.de: Hungersnot, Ernährungskrise, Mangerlernährung - Was ist das?
- deutschlandfunk.de: Fünf Tote bei Angriff auf Hilfkonvoi der Vereinten Nationen
- sudan.un.org: Attacks on Zamzam and Abu Shouk camps and Al Fasher must end now
- reuters.com: Violence engulfs besieged Zamzam camp in Sudan’s Darfur region