Im Fußball sind die wichtigsten Endspiele zum Ende der Saison abgeschlossen. In Sachen KI geht das Finale um die Frage, ob Meta seine KI mit öffentlichen Nutzerdaten trainieren darf, in die Verlängerung.

Rolf Schwartmann
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Rolf Schwartmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Vor dem Oberlandesgericht standen sich Meta und die Verbraucherzentrale NRW gegenüber. Es ging um das Training der Meta-KI mit öffentlichen Nutzerdaten und die Werte unseres Kontinents im internationalen Wettbewerb.

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Anpfiff im Mai 2024

Der Anpfiff zum Endspiel um die europäische KI-Entwicklung ertönte schon im Mai 2024. Damals kündigte Meta an, öffentliche Beiträge und Kommentare der Nutzer seiner Plattformen Facebook und Instagram für das Training seines KI-Modells LLaMA nutzen zu wollen. Das stieß auf erhebliche Kritik. Das Vorgehen sei intransparent und es fehle an der datenschutzrechtlichen Erlaubnis. Der Konzern verschob sein Vorhaben schließlich auf unbestimmte Zeit. Durchgang eins ging damit an den Datenschutz.

Kampf um die beste KI

Das Problem: Meta geriet im Rennen um das beste KI-Modell zunehmend ins Hintertreffen, verfügt aber mit den öffentlichen Beiträgen seiner Nutzer über einen beachtlichen Datenschatz. Die Nutzung dieser Daten würde dem Konzern einen beachtlichen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern verschaffen.

KI-Training verlangt Erlaubnis

Um die Daten der Nutzer für das KI-Training verarbeiten zu dürfen, bedarf es nach der europäischen Datenschutz-Grundverordnung allerdings einer Rechtsgrundlage. In Betracht kommen dazu im Wesentlichen die Einwilligung der Nutzer, die auch als Opt-In bezeichnet wird. Denkbar ist auch ein berechtigtes Interesse Metas, das mit dem Widerspruch der Nutzer verfällt und deshalb als Opt-Out bezeichnet wird.

Einwilligung: Rechtssicher, aber untauglich

Eine Einwilligung wäre zwar die rechtssicherere Alternative. Sie stellt KI-Entwickler aber vor erhebliche praktische Herausforderungen: So ist unklar, ob die betroffenen Personen überhaupt ausreichend über die Verarbeitung ihrer Daten aufgeklärt werden können, um die erforderliche "informierte" Einwilligung erteilen zu können.

Darüber hinaus kann eine Einwilligung jederzeit widerrufen werden, was bislang nicht geklärte Folgen für die weitere Verwendbarkeit des KI-Modells hätte. Schließlich ist es KI-Entwicklern oftmals schlicht unmöglich, alle von der Verarbeitung betroffenen Personen um Erlaubnis zu bitten.

Digitalwirtschaft auf Daten angewiesen

Die Digitalwirtschaft insgesamt, also nicht nur Meta, ist darauf angewiesen, ihre KI-Modelle im Opt-Out-Verfahren mit den Daten natürlicher Personen trainieren zu können.

Grundsätzliche Rückendeckung erhielt die Digitalwirtschaft in ihrem Streben nach einer Opt-Out-Lösung im vergangenen Dezember durch den Europäischen Datenschutzausschuss (EDSA): In rechtlich grundsätzlich unverbindlichen Leitlinien hatte dieser entschieden, dass die Entwicklung von KI-Systemen und -Modellen ein berechtigtes Interesse an einer Datenverarbeitung begründen kann.

Voraussetzung sei aber, dass die Datenverarbeitung für die KI-Entwicklung auch erforderlich ist und ihr keine überwiegenden Rechte und Interessen der betroffenen Personen entgegenstehen.

Nach der Halbzeit: Neuer Anlauf im April 2025

Unter diesen Vorzeichen trat Meta im April 2025 zur zweiten Hälfte an: Abermals kündigte der Konzern an, sein KI-Modell ab dem 27. Mai mit den öffentlichen Beiträgen und Kommentaren seiner Nutzer trainieren zu wollen. Abermals berief sich Meta auf sein berechtigtes Interesse. Auch diesmal war der Aufschrei groß.

Datenschutzbehörde unterstützt Meta

Im zweiten Anlauf unterstützte die zuständige irische Datenschutzbehörde das Vorhaben Metas allerdings öffentlich und betonte, dass das Unternehmen auf die Kritik am ersten Anlauf im Mai 2024 reagiert habe. Insbesondere habe es den neuerlichen Anlauf in verbesserten sowie flächendeckend versendeten Hinweisschreiben angekündigt und den Widerspruch gegen die geplante Verarbeitung deutlich vereinfacht.

Interessen der Verbraucher

Der Verbraucherzentrale NRW reichte das nicht. Sie ist der Ansicht, dass die Rechte und Interessen der betroffenen Personen das berechtigte Interesse Metas überwiegen. Insbesondere sei zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der betroffenen Beiträge und Kommentare regelmäßig noch nicht klar gewesen, dass diese einmal zur Entwicklung eines KI-Modells genutzt werden könnten.

Digitalwirtschaft: Nur Training mit öffentlichen Beiträgen

Vertreter der Digitalwirtschaft halten dem entgegen, dass es lediglich um Beiträge geht, die öffentlich verfügbar sind. Tatsächlich stellt sich die Frage, wie viel zusätzlichen Schaden die Privatsphäre nimmt, wenn Meta mit historischen und zukünftigen öffentlichen Nutzerdaten seine KI an die Bedürfnisse Europas anpasst.

Eilverfahren Mitte Mai

Um zu verhindern, dass Meta mit dem Beginn des Trainings Fakten schafft, bevor die Rechtslage abschließend geklärt ist, beantragte die Verbraucherzentrale Mitte Mai 2025 eine einstweilige Verfügung gegen Meta vor dem Oberlandesgericht Köln.

Diesem blieben damit trotz der frühen Ankündigung des zweiten Anlaufs durch Meta zwischen Eingang des Antrags und Verkündung effektiv gerade einmal acht Tage, um in der für die gesamte europäische Digitalwirtschaft äußerst bedeutsamen Frage zu entscheiden.

Begründung des Gerichts steht aus

Das Gericht lehnte den Antrag schließlich ab. Die Gründe liegen bislang nicht vor. Aus einer Pressemitteilung ergibt sich, dass das Gericht das berechtigte Interesse Metas an der KI-Entwicklung als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung anerkennt, scheint aber zugleich einzugestehen, dass unter anderem sensible Daten verarbeitet werden.

Das wirft Fragen auf, denn eine Verarbeitung solcher Daten kann nicht mit der Berufung auf ein berechtigtes Interesse gerechtfertigt werden. Es bleibt abzuwarten, wie das Oberlandesgericht seine Entscheidung genau begründen wird.

Verbraucherzentrale entscheidet über Verlängerung

In der Verlängerung kommt es auf die Verbraucherzentrale in NRW an. Sie kann über die Fragen in Ruhe entscheiden lassen, indem sie das Hauptsachverfahren beschreitet. Setzt sie den Streit im Hauptsachverfahren fort, kann das Oberlandesgericht Köln unmittelbar entscheiden oder den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorlegen. Dieser wird dann die zugrundeliegende Rechtsfrage beantworten.

Videoassistent ist gefragt

Im Bild des Fußballspiels ist nun der Videoassistent gefragt. Faktisch läuft das Spiel weiter, denn Meta nutzt die Daten. Rechtlich aber ruht der Ball. Nun kann der Sachverhalt geklärt und neu entschieden werden, in Köln oder in Luxemburg. Dort erfolgt die authentische Interpretation der Datenschutz-Grundverordnung auch im Lichte der Wirtschaftsfreiheit und in Abgrenzung zur KI-Verordnung. Der Europäische Gerichtshof darf das Recht nur auslegen und es nicht ändern.

Entscheidung durch den EuGH?

Es gibt aber Auslegungen, die faktisch wie Regeländerungen anmuten. Am Ende muss das gesamte Recht zwischen Wirtschaft und Schutz der Privatsphäre gewahrt sein. Es muss eine Digitalwirtschaft ermöglichen, die Europas Überleben sichern kann. Das ist eine Aufgabe für den Oberschiedsrichter in Luxemburg. Nur die Fragen können aus Köln kommen und sie müssen klug gestellt werden.