Eine rätselhafte Inschrift aus dem Mittelalter beschäftigt die Forschung seit vielen Jahren: Ein Sprachwissenschaftler hat nun verschiedene Deutungen der in der Klosterruine Eldena bei Greifswald gefundenen Botschaft herausgefunden.
Bereits seit 1996 ist Wissenschaftlern eine geheimnisvolle Inschrift in der Ruine des Zisterzienserklosters Eldena bei Greifswald bekannt. Inzwischen hat Christer Lindqvist von der Universität Greifswald die fünf rätselhaften Zeichen "þiriX" eingehend erforscht und seine Ergebnisse veröffentlicht.
Die Inschrift befindet sich auf einem Backstein in etwa 3,7 Meter Höhe an der östlichen Außenmauer des Ostflügels der Klosteranlage. Laut der wissenschaftlichen Studie stammt sie aus der Zeit zwischen 1255 und 1265, als der Ostflügel des Klosters errichtet wurde.
Dänische Wurzeln geben Hinweise auf die Bedeutung

Das Kloster Eldena wurde 1199 als Tochterkloster des dänischen Zisterzienserklosters Esrom gegründet. Diese Verbindung könnte der Schlüssel zur Deutung der Inschrift sein. Wie Lindqvist erklärt, deuten historische Zusammenhänge in Eldena wie Ortsnamen, Rechtspraktiken und Architektur auf altdänische Einflüsse hin.
Die ersten vier Zeichen der Inschrift könnten daher in altdänischer Sprache verfasst sein. Am wahrscheinlichsten handelt es sich laut dem Sprachwissenschaftler um einen Personennamen, "vielleicht Þı̄rir".
Mehrere Deutungen des rätselhaften X
Besonders das abschließende "X" der Inschrift eröffnet verschiedene Interpretationsmöglichkeiten. Laut dem Forscher könne es "beispielsweise als römische Zahl X, als Andreaskreuz oder als Christuszeichen" gelesen werden.
Auch lateinische Deutungen seien denkbar. So ließe sich 'þir' mit lat. dīrus und der Phrase anguis dīrus 'unheilvolle Schlange' verbinden, wobei 'IX' eine christliche Schutzformel (Iesus Christus) darstellen könnte, so der Sprachwissenschaftler.
Eine weitere Möglichkeit wäre laut der Untersuchung eine Deutung als sprechender Stein mit der Aussage "(ek) þerri" – "(ich) trockne" – was im Kontext der Backsteinherstellung durchaus sinnvoll erscheint.
Handwerkliche Entstehung vor 800 Jahren
Die Inschrift wurde mit einem spitzen Gegenstand in das noch feuchte Lehmgemisch geritzt, bevor der Backstein gebrannt wurde. Die wissenschaftliche Untersuchung zeigt, dass die Person Zugang zu den Phasen der Backsteinherstellung gehabt haben muss.
Wer die geheimnisvollen Zeichen hinterlassen hat, bleibt ungeklärt. Für Lindqvist ist "alles vom Handwerker in der Klosterziegelei bis hin zu einem Mönch" denkbar.
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Einzigartiger Fund für die Geschichtsforschung
Die Inschrift stellt nach Angaben der Studie einen einzigartigen Fund dar: Eine nordischsprachige Runen-Inschrift in einer Klostermauer sei im deutschsprachigen Raum bislang ohne Parallele.
Die Entdeckung wirft neues Licht auf die kulturellen und sprachlichen Verbindungen zwischen Dänemark und dem südlichen Ostseeraum im 13. Jahrhundert. Sie belegt die komplexe Mehrsprachigkeit in der Region, wo Altdänisch, Mittelniederdeutsch und Altpolabisch aufeinandertrafen. (bearbeitet von sav)