Sultan Murad IV. fürchtete sich so sehr vor Palastrevolten, dass er einen brutalen Feldzug gegen Kaffeetrinker startete. Denn Kaffeehäuser galten im Osmanischen Reich als sündige Orte.

Eine harmlose Tasse Kaffee war im Istanbul des Jahres 1633 keine gute Idee. Kaffee – ebenso wie Alkohol und Tabak – stand damals unter Verbot. Der damals herrschende Sultan Murad IV. selbst soll sich sogar in Zivilkleidung auf die Straßen geschlichen haben, um dieses Verbot in der Nacht zu kontrollieren und Kaffeetrinker auf frischer Tat zu ertappen. Die Strafe: Exekution.

Doch war der junge Herrscher schlicht ein Tyrann – oder steckte mehr hinter dieser Radikalität?

Herrscher mit elf Jahren

Im 17. Jahrhundert gehörte das Osmanische Reich noch immer zu den mächtigsten Reichen der Welt. Es erstreckte sich von Buda (der westlich der Donau liegende Teil des heutigen Budapest) bis zum Roten Meer und unterhielt Vasallenreiche von Nordafrika bis in den heutigen Irak. Regiert wurde es aus Kostantiniyye (der osmanische Name für Konstantinopel), das man ab dem Jahr 1876 Istanbul nannte.

1623 bestieg Murad IV. im Alter von elf Jahren den Thron. Sein Onkel Mustafa I. war kurz zuvor wegen geistiger Umnachtung abgesetzt worden. Teile der Janitscharen – der Elitetruppe des Heeres – nutzten das Machtvakuum für Revolten. "Solche Turbulenzen sind typisch für das frühe 17. Jahrhundert", erklärt Markus Koller, Professor für osmanische Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum, im Gespräch mit unserer Redaktion: "Am Hof bestimmten rivalisierende Netzwerke, wer den Thron bestieg."

Murads Mutter Kösem Mahpeyker zog als Vormund die Fäden, bis ihr Sohn 1632 volljährig wurde. Der junge Murad galt als begabt, verfasste Gedichte und übte sich in Kalligrafie. Die Zeit der mütterlichen Vormundschaft prägte ihn zu dieser Zeit. Als Valide Sultan, also als Sultansmutter, genoss sie großen Einfluss im Harem, einem der zentralen Machtzentren des Palastes. Sie gilt als eine der einflussreichsten Frauen der osmanischen Geschichte, die sich geschickt durch Jahrzehnte der Palastkomplotte manövrierte.

Zu dieser Zeit erlebte Kaffee einen Boom: Kahve, wie das Getränk auf Türkisch heißt, war bereits im 15. Jahrhundert in das Osmanische Reich gelangt und Kaffeehäuser wurden zu Treffpunkten für Spiel, Genuss und regimekritische Debatten, manche servierten sogar Alkohol.

Konservative Predigerbewegungen, allen voran die Kadızadeli um den Prediger Kadızade Mehmed Efendi aus der Hagia Sophia, sahen darin moralischen Verfall. "Murad IV stand diesen Predigern nahe und stand wahrscheinlich auch unter deren theologischem Einfluss", so Koller.

Keine Gnade – auch nicht gegenüber seinen Brüdern

Nach seiner Volljährigkeit wandelte sich Murad vom feinsinnigen Kind zum "Herrscher mit eiserner Faust", wie die britische "Encyclopedia of the Ottoman Empire" schreibt. Politische Rivalen, mögliche Thronanwärter und sogar hohe Geistliche ließ er hinrichten.

Auch seine Brüder ließ Murad exekutieren, um mögliche Rivalen auszuschalten – venezianische Gesandte brachten in Überlieferungen ihre Bestürzung über diese Brutalität zum Ausdruck, die allerdings auch nicht nur spezifisch für Murad war: Zur Sicherung der Macht hatten auch frühere Sultane zu dieser grausamen Maßnahme gegriffen.

Militärisch erzielte er rasch Erfolge: 1635 vertrieb er die Safawiden aus Armenien und Aserbaidschan, 1638 eroberte er Bagdad zurück – eine Leistung, die ihn zum erfolgreichsten Kriegsherrn seit Sultan Süleyman I. machte, der Bagdad rund 100 Jahre vorher zum ersten Mal erobert hatte.

Am Tag der Rückeroberung Bagdads ließ der Murad offenbar alle persischen Gegner hinrichten; Quellen sprechen von bis zu 30.000 Opfern. "Solche Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen", warnt Koller. "Sie stammen aus unterschiedlichen Quellen, die gezielt ein Bild von Grausamkeit zeichnen wollten. Es gab sicherlich Exekutionen, aber ob die unverhältnismäßig waren, lässt sich nicht einfach historisch rekonstruieren."

Feldzug gegen Kaffeetrinker

Fakt ist aber, dass Murat ab 1633 besonders hart gegen Genussmittel vorging. Er ließ sämtliche Kaffeehäuser verbieten und verhängte nächtliche Ausgangssperren. Ein bereits 1609 ausgesprochenes Verbot für Tabakkonsum führte er wieder ein.

Zudem soll er sich selbst nachts inkognito auf Kontrollgänge gemacht haben, um überführte Kaffeetrinker enthaupten zu lassen. Einige Quellen sprechen davon, dass er selbst mit seinem Breitschwert Exekutionen durchführte. Gleiches galt auch für Alkohol- oder Tabakkonsum.

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Murad IV. starb 1640 mit nur 27 Jahren, vermutlich an Leberzirrhose. Manche Chronisten schildern ihn als exzessiven Trinker, andere als Asketen. "Ob er grausam war oder welchen Lebensstil er führte, hängt stark davon ab, welches Bild spätere Autoren zeichnen wollten", resümiert Koller. "Fest steht, dass er versuchte, tiefgreifende Reformen in einer Zeit umzusetzen, die von Umbrüchen gekennzeichnet war." Und offenbar schreckte er dabei auch vor brutalen Maßnahmen nicht zurück.

Über den Gesprächspartner

  • Markus Koller ist Professor für die Geschichte des Osmanischen Reichs und der Türkei an der Ruhr-Universität Bochum und Direktor des Zentrums für Mittelmeerstudien.

Verwendete Quellen