Palmöl hat einen schlechten Ruf, denn für seine Gewinnung wird in großem Umfang tropischer Regenwald vernichtet. Die in Mittel- und Südamerika heimische Macaúba-Palme könnte das ändern.
Die Palme der Art Acrocomia aculeata nennt man in Brasilien allgemein Macaúba. Sie wächst schon lange wild auf Rinderweiden, die Tiere fressen gerne die ölhaltigen Früchte. Durch ihren Dung verbreiten die Rinder die Palme, die ihnen auch Schatten spendet.
Die Früchte der Palme sind auch als Grugrunüsse bekannt, indigene Völker nutzen sie schon lange als Nahrungsmittel. Die industrielle Nutzung der Macaúba-Palme beschränkte sich bisher weitgehend auf die Herstellung von Speisefett und Seife (aus dem Öl), Speiseeis (aus dem Fruchtfleisch) und Holz (aus dem Stamm).
Macaúba-Öl kann in vielerlei Hinsicht nachhaltig produziert werden
Als Stefan Schaltegger von der Leuphana-Universität Lüneburg und seine Kollegen Anfang der 2010er-Jahre verschiedene Pflanzen daraufhin untersuchte, ob sie nachhaltig Öl liefern können, erlebte er eine Überraschung: "Es gab bei der Macaúba-Palme keinen Zielkonflikt, sie war in allen Dimensionen nachhaltig", erinnert sich Schaltegger.
Die Macaúba-Palme wächst auf wenig fruchtbaren Böden und bringt dennoch gute Erträge. Deshalb hat sie einen ökologischen Vorteil gegenüber der Afrikanischen Ölpalme (Elaeis guineensis), für deren Anbau tropischer Regenwald in großem Stil weichen muss. Hinzu kommt, dass ihr Anbau keine vorhandene landwirtschaftliche Nutzung verdrängen, sondern nur ergänzen würde. Auf Anbauflächen könnten weiterhin Rinder weiden.
Der Anbau könnte Kaffeepflückern ein weiteres Einkommen bescheren, denn Macaúba-Früchte reifen erst, nachdem der Kaffee abgeerntet ist. Auch die Umwelt würde profitieren: "Die Integration der Macaúba-Palme in die Weidegebiete wäre sehr positiv. Mehr Vögel, mehr Insekten, überhaupt mehr Tiere", sagt Schaltegger.
Die Forschung an der Lüneburger Universität führte zur Gründung eines Start-ups. Die daraus hervorgegangene Firma Inocas ist seit 2015 in Brasilien ansässig. Dort arbeitet sie mit zahlreichen Forschungseinrichtungen und staatlichen Institutionen zusammen. Seit 2018 hat das Unternehmen die Palmen auf insgesamt mehr als 3.500 Hektar Fläche angepflanzt. Dabei pflegt es eine Partnerschaft mit mehr als 90 Kleinbauern.
Macaúba-Öl könnte als Biokerosin den Jahresverbrauch der Luftfahrtindustrie decken
Mit der Verarbeitung der Macaúba-Palme befassen sich auch Peter Eisner und sein Team vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising. Sie haben technische Verfahren entwickelt, mit denen sich nicht nur das Öl, sondern auch das Protein und die Ballaststoffe separat in jeweils hoher Qualität extrahieren lassen. Die Früchte könnten also umfassender genutzt werden.
Das Öl wiederum habe nicht nur Potenzial als Lebensmittel, ist Eisner überzeugt: Allein in Brasilien gebe es 150 Millionen Hektar Weidefläche, auf denen pro Hektar 2,5 Tonnen Macaúba-Öl gewonnen werden könnte, zusammen also 375 Millionen Tonnen im Jahr. "Das entspricht recht genau dem aktuellen Jahresverbrauch an Kerosin in der weltweiten Luftfahrtindustrie", sagt Eisner.
Die Berechnungen beziehen sich auf die Wildform der Macaúba-Palme. Durch die Züchtung von Sorten, mit der bereits begonnen wurde, könnten die Erträge vermutlich noch erhöht werden.
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Milliardeninvestitionen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten
Auch im arabischen Raum hat man das Potenzial der Ölpflanze erkannt. Über die in Brasilien ansässige Firma Acelen Renewables investiert der Staatsfonds der Vereinigten Arabischen Emirate in den kommenden Jahren mehr als drei Milliarden Euro in Anlagen, die die Früchte verwerten und aus ihrem Öl Biokerosin und Biodiesel herstellen sollen.
Biokraftstoffe gelten als nachhaltig, weil bei ihrem Verbrennen nur die Menge Kohlendioxid (CO2) frei wird, die in den vergangenen Jahren durch die Pflanze aus der Luft entnommen wurde. "Diese Treibstoffe sollten wir dort nutzen, wo wir im Moment wenig bis keine nachhaltigen Alternativen zu fossilen Brennstoffen haben, und das sind Langstreckenflüge und Langstrecken-Containerschiffsfahrten", erklärt Schaltegger.
Über die Gesprächspartner
- Prof. Dr. Stefan Schaltegger ist Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der Leuphana-Universität Lüneburg. In einer Studie von Januar 2011 und Februar 2014 loteten er und seine Kollegen im Rahmen des EU-finanzierten Forschungsprojekts "Plattform für eine nachhaltige Biokerosinproduktion" aus, wie machbar die kommerzielle Kerosingewinnung aus Feldfrüchten ist.
- Johannes Zimpel ist Geschäftsführer des brasilianisch-deutschen Unternehmens Inocas, das die landwirtschaftliche Nutzung der Macaúba-Palme vorantreibt.
- Prof. Dr. Peter Eisner ist stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) und hat mit seinem Team Extraktionsverfahren für Macaúba-Früchte entwickelt. Eisner ist zudem Professor für System- und Bioverfahrenstechnik an der Steinbeis Hochschule Berlin.
Verwendete Quellen
- leuphana.de: Ergebnisse der Untersuchung zur nachhaltigen Produktion von Pflanzenölen
- inocas.com: Internetseite des Unternehmens Inocas
- basf.com: Pressemitteilung von BASF zur Kooperation mit Inocas
- prnewswire.com: Mitteilung des brasilianischen Unternehmens Acelen Renewables
- sciencedirect.com: Plath, M. et al.: A novel bioenergy feedstock in Latin America? Cultivation potential of Acrocomia aculeata under current and future climate conditions. Biomass and Bioenergy, Volume 91, 2016
- mdpi.com: Vargas-Carpintero, R. et al.: A Collaborative, Systems Approach for the Development of Biomass-Based Value Webs: The Case of the Acrocomia Palm. Land 11, 2022
- pubmed.ncbi.nlm.nih.gov: Toledo E Silva, S. H. et al.: Production of Protein Concentrates from Macauba (Acrocomia aculeata and Acrocomia totai) Kernels by Sieve Fractionation. Foods 11, 2022