Seit Millionen von Jahren schlummert unter Kilometer dickem Eis eine unberührte Landschaft vergangener Zeit. Wie mag es in der Antarktis ausgesehen haben, ehe der Kontinent unter dem "ewigen Eis" einfror? Forschenden ist es nun erstmals gelungen, die Urzeitlandschaft unter dem antarktischen Eis geologisch zu rekonstruieren und sichtbar zu machen.
Weitläufige Wälder, breite Flüsse und Fjorde, die an die Landschaft in Patagonien erinnern – so darf man sich die Antarktis vorstellen, wie sie vor rund 34 Millionen Jahren aussah. Das haben die Analysen viele Millionen Jahre alter Sedimente vom Grund des antarktischen Ozeans und begleitende Modellrechnungen eines deutsch-englischen Forschungsteams unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) ergeben.
"Es ist, als würde man eine Zeitkapsel öffnen."
Doch wie genau die Topografie dieser Region ausgesehen hat, war bislang nicht bekannt. Einem Forschungsteam unter der Leitung von Stewart Jamieson von der britischen Universität Durham ist es nun gelungen, mithilfe von Satellitenbildern, Radarvermessungen und geophysikalischen Modellierungen die urzeitliche Landschaft unter dem Ostantarktischen Eisschild sichtbar zu machen.
Dreiteiliges Talnetzwerk entdeckt

"Es ist, als würde man eine Zeitkapsel öffnen", erklärt Jamieson in einem Artikel in "Nature Communications". "Die Landschaft ist so gut erhalten, dass sie wohl seit Beginn der Vergletscherung unverändert geblieben ist." Die geologischen Messungen ergaben, dass sich unter dem sogenannten East Antarctic Ice Sheet (EAIS) – dem größten zusammenhängenden Eismassenkörper der Erde – drei Landschaftsblöcke verbergen.
Jeder von ihnen ist zwischen 121 und 173 Kilometer lang sowie 73 bis 85 Kilometer breit. Das entspricht einer Fläche von über 32.000 Quadratkilometern, also nur etwas kleiner als Baden-Württemberg (35.751 Quadratkilometer).
Vor Millionen von Jahren: Leben in der Antarktis war möglich
Das dreiteilige Talnetzwerk liefert den Forschenden zufolge wichtige Erkenntnisse über die Klimageschichte des Kontinents: Die Rekonstruktion der geologischen Geschichte des als "Hochland A" bezeichneten Gebiets stützt die These, dass die Antarktis vor der Vergletscherung als Teil des Urkontinents Gondwana ein Lebensraum mit Flüssen, Wäldern und Dinosauriern gewesen ist.

Dass die entdeckte Landschaft topografisch unverändert geblieben ist, war besonders interessant für das Forschungsteam. Im "Hochland A" scheint keine bis kaum eine Gletschererosion stattgefunden zu haben. Der Eisschild in dieser Region war also seit seiner Entstehung am Untergrund festgefroren und die Eismassen haben sich im Vergleich zu anderen Gletschern nur sehr langsam bewegt.
Bleibt der Eisschild der Antarktis stabil?
Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass der Ostantarktische Eisschild selbst in den wärmsten Phasen der Erdgeschichte stabil geblieben ist, sodass es zu keiner signifikanten Veränderung der Landschaft gekommen ist. In der Westantarktis hingegen blicken Wissenschaftler besorgt auf die Abschmelzungsprozesse des dortigen Schelfeises, die zu einem weltweiten Anstieg des Meeresspiegels führen könnten.
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Noch zeigt sich die Ostantarktis stabil, doch die neue Studie unterstreicht auch die Bedeutung der Antarktis als Schlüsselfaktor im globalen Klimasystem: Sollten sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre und die Temperaturen weiterhin erhöhen, ist eine Destabilisierung des zentralen Ostantarktischen Eisschildes nicht ausgeschlossen.
Verwendete Quellen
- Nature Communications: An ancient river landscape preserved beneath the East Antarctic Ice Sheet
- t-online.de: Verborgene Urzeitlandschaft unter Antarktis-Eis enthüllt
- Helmholtz: Wie der Antarktische Eisschild entstand