Woher stammt die Kartoffel wirklich? Neue Genomforschung zeigt: Die beliebte Knolle ist das Produkt einer uralten Kreuzung: Tomate trifft Wildpflanze – und heraus kommt die Kartoffel. Forscher haben entschlüsselt, wie diese Kreuzung vor neun Millionen Jahren der Knolle ihren evolutionären Vorsprung verschaffte.
Zusammen mit Weizen und Reis zählt die Kartoffel mit ihren zahllosen Sorten zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln der Menschheit. Dass die Kartoffel (Solanum tuberosum) in Südamerika entstand und von den Spaniern nach Europa gebracht wurde, ist bekannt. Doch der biologische Ursprung der Pflanze war bisher ungeklärt.
Nun haben Forscher das Geheimnis gelüftet: Die Kartoffel ist das Ergebnis einer uralten Kreuzung zwischen zwei Pflanzenlinien. Ein internationales Forscherteam hat durch umfangreiche Genomanalysen nachgewiesen, dass die Kartoffel eine Mischung aus Genen von Tomaten und Etuberosum-Pflanzen enthalten. Die Kombination beider Pflanzen ermöglichte der Kartoffel demnach einen Startvorteil. Die Studie dazu wurde im Fachjournal "Cell" publiziert.
Vermischung fand vor neun Millionen Jahren statt
"Wir haben das Geheimnis um den Ursprung von Kartoffeln endgültig gelöst", sagt Studienleiter Sanwen Huang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shenzhen. "Unsere Resultate zeigen, wie eine Hybridisierung zwischen Arten die Entstehung neuer Eigenschaften anfacht und zum Auftauchen von noch mehr Arten führt."
Heutige Kartoffelpflanzen ähneln vom Erscheinungsbild her Arten der Pflanzengruppe Etuberosum, die in Südamerika wachsen. Allerdings bilden diese Arten keine Knollen. Dass die Pflanzen dennoch maßgeblich an der Entstehung der Kartoffel beteiligt waren, schließt das Team aus Genomanalysen von Kartoffeln, Etuberosum-Arten und Tomaten, die sämtlich zur Gattung der Nachtschatten (Solanum) zählen.
Kartoffeln vereinen demnach genetisches Material sowohl von Etuberosum als auch von Tomaten. Der letzte gemeinsame Ahne dieser Pflanzen lebte vor etwa 14 Millionen Jahren, wie das Team berechnete. Fünf Millionen Jahre nach der Aufspaltung – also vor etwa 9 Millionen Jahren – vermischten sich die Gruppen wieder. Daraus entstand die Gruppe der Petota, die eine neue Eigenschaft aufweist: eine Knollenwurzel. Zu den Petota zählen neben der heutigen Kartoffel noch mehr als 100 weitere Arten.
Knollenbildung trug zum Siegeszug der Kartoffel bei
Zur Knollenbildung tragen demnach zwei Gene maßgeblich bei, die jeweils von einer der beiden Vorläuferpflanzen stammen. Das von der Tomate eingebrachte Gen SP6A regt die Bildung von Knollen an. Und von Etuberosum kommt das Gen IT1, das die Form der unterirdischen Wurzelstämme kontrolliert, die letztlich die Knollen bilden. Beide Gene seien für die Entwicklung von Knollen unerlässlich, schreibt die Gruppe.
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Und gerade diese Knollenbildung trug zum Siegeszug der Kartoffel bei: Das nach Angaben des Teams rasche Wachstum der Anden vor 10 bis vor 6 Millionen Jahren habe zahllose ökologische Nischen geschaffen. Mit der Möglichkeit, in den Knollen Nährstoffe zu speichern, war die Kartoffel gut für harsche Umweltbedingungen gerüstet - etwa in großer Höhe. Zudem ermöglichen die Knollen eine vegetative Vermehrung aus einer einzelnen Mutterpflanze, ohne dass eine Bestäubung oder Samenbildung nötig ist.
"Die Entwicklung von Knollen gab Kartoffeln einen großen Vorteil in harschen Umgebungen", sagt Huang. "Sie befeuerte eine explosionsartige Entstehung neuer Arten und trug zu jener Vielfalt von Kartoffeln bei, die wir heute kennen und nutzen." (dpa/bearbeitet von ali)