- Gärtnereibetriebe mit Gewächshäusern müssen für bestimmte Pflanzen sehr viel heizen.
- Weihnachtssterne kommen aus dem Warmhaus und werden diesen Winter teurer.
- Die Anzucht der Balkonblumen beginnt teilweise schon im kalten Januar.
Blumen und Zierpflanzen gehören in allen Kulturen zum emotionalen Grundwortschatz. Sie erfreuen den Menschen und helfen so, Krisenzeiten leichter zu überstehen. Das hat der Zimmerpflanzen-Boom in den schwierigen Wochen und Monaten der Corona-Pandemie gerade wieder gezeigt. Die Universität Kopenhagen attestiert Grünpflanzen und dem Arbeiten mit Pflanzen sogar das Potenzial zur Burnout-Prophylaxe. Nun aber rutschen die Gartenbaubetriebe bei den Bundeshilfen zur Bewältigung der Energiekrise gerade auf einen der hinteren Plätze: Weil sie "nur" Kulturgut und keine Lebensmittel produzieren, fallen sie nicht unter die schützenswerten Gewerbezweige.
Darum ist die Gartenbranche betroffen
"Um die regionale Produktion zu erhalten und die Unternehmen vor Ort zu entlasten, brauchen die Betriebe dringend eine Perspektive und ein Signal der Unterstützung", betont Jürgen Mertz, Präsident des Zentralverbandes Gartenbaus. "Die bislang beschlossenen Maßnahmen helfen beim energieintensiven Unterglas-Anbau nur bedingt."
Die Kostenbelastungen der Betriebe überstiegen derzeit bei Weitem das, was am Markt mit den Produkten erwirtschaftet werden kann. Bereits mit der Einführung der CO2-Bepreisung 2021 sind die Energiekosten für den Gartenbau massiv gestiegen. Die aktuellen Preisentwicklungen am Energiemarkt verteuerten die Produktion zusätzlich erheblich.
Regionale Energiequellen und gestiegene Heizkosten
"Für unser Gartencenter in Gundelfingen haben wir haben zum Glück von Anfang an auf Holzhackschnitzel aus der Region gesetzt. So sind wir unabhängig von Lieferketten oder internationalen Herstellern, wie es bei Pellets der Fall gewesen wäre." Ralf Sauter, Gärtnermeister aus Waldkirch, hat bei der Übernahme seines Betriebs schon vor dreizehn Jahren auf die richtige Energiequelle gesetzt. Dunkler sieht es in einem seiner anderen Gartencenter in Lahr aus, das mit Gas beheizt wird. Durch eine Gastronomie im Glashaus ist der Energieverbrauch hier sehr viel höher. Damit es für die Gäste angenehm bleibt, sind Sparmaßnahmen nur begrenzt möglich.
Die Gasrechnung wird dieses Jahr je nach Wetterlage um mindestens das Dreieinhalbfache steigen: Mit der Kündigung des Altvertrags schickte der örtliche Energieversorger gleich den neuen Vertrag mit den um über 300 Prozent gestiegenen Beiträgen. "Ich schaue jeden Tag in der Zeitung, ob nicht doch noch Erleichterungen für mittelständische Unternehmen geplant werden. Die Absenkung der Mehrwertsteuer bei Gas auf 7 Prozent hilft Privatverbrauchern, bedeutet aber keine Entlastung für die Wirtschaft," sagt Sauter. Eine im Mai 2022 installierte Photovoltaik-Anlage kann den Stromverbrauch ein wenig abfedern.
Für die Gewächshäuser mit den Warmpflanzen lohnt sich eine PV-Anlage ohne Einspeisevergütung nicht. Pflanzen brauchen die Wärmeenergie immer genau dann, wenn die Sonne nicht scheint. Da hilft es mehr, den Energieschirm in den Glashäusern zu verdoppeln und früher zu schließen: Wie Gardinen werden die durchscheinenden Stoffbahnen unter den Glasdächern am Nachmittag zugezogen, um die Wärme über Nacht besser zu speichern.
Dünger wird teurer
Weil Erdgas bei der Herstellung von mineralischem Dünger sowohl als Rohstoff als auch als Energiequelle eingesetzt wird, schlagen sich die hohen Gaspreise auch in den Preisen für Düngemittel nieder.
Ralf Sauter versorgt seine Topfpflanzen mit Nähstoffen über einen Flüssigdünger, der über eine Tischbewässerung zu den Wurzeln kommt. Das überschüssige Wasser fließt zurück in den Tank, es geht nichts verloren. "Organischer Dünger ist für uns nur eine schlechte Alternative, da die Konzentration an Stickstoff und anderen Pflanzennährstoffen nicht immer genau gleich ist." Damit sich die Blumenpflanzen aber gut entwickeln, müssen die Nährstoffgaben exakt berechnet werden.
Weihnachtssterne und Geranien haben es gerne warm
Der Familienbetrieb produziert die Kulturen für seinen Verkauf zum größten Teil selber. "Weihnachtsterne sind in warmen Gegenden wie Südafrika oder den Kanaren zu Hause, sie brauchen viel Wärme." Damit sie im deutschen Winter verkaufsfähig sind, müssen sie ab September warm stehen.
"Die späten Sorten, die wir zu Weihnachten verkaufen, brauchen besonders viel Energie. Das wird sich auch ein wenig auf die Preise auswirken. Die gestiegenen Kosten können wir so aber nicht komplett auffangen, sonst verkaufen wir die nötige Menge nicht. Diese brauchen wir aber, um das Gewächshaus zu füllen. Man kann kein halbes Gewächshaus heizen", sagt Sauter.
Damit es im Sommer in den Gärten und Balkonkästen wieder bunt wird, beginnen die Groß-Gärtnereien bereits im Januar oder Februar mit dem Ziehen neuer Topfpflanzen. Für den Unterglas-Anbau bedeutet das hohe Heizkosten, um im Winter Heimatgefühle für die wärmeliebenden Balkonpflanzen zu erzeugen.
"Wenn wir nur vier Wochen später mit der Produktion beginnen, sparen wir viel Energie," erklärt Ralf Sauter. Dazu braucht es das Verständnis der Kundschaft, wenn nicht schon im April der Verkauf mit blühenden Sommerblumen startet oder die angebotenen Topfpflanzen nicht ganz die gewohnte Üppigkeit zeigen. Auch wenn die Eisheiligen Mitte Mai in vielen Regionen Deutschlands nicht mehr als Startschuss in die Pflanzsaison gilt: Für den bunten Sommerflor ist auch bei späterem Auspflanzen immer noch genug Zeit.
Verwendete Quellen:
- Studie an der Universität Kopenhagen: 'People–plant Relationships in an Office Workplace: Perceived Benefits for the Workplace and Employees', Mai 2011.
- Pressemeldung des Zentralverband Gartenbau e.V.: "Unterstützung des Gartenbaus in der Energiekrise nötig.", 19. August 2022.
- Tagesschau vom 30.09.2022: 'Womit Gaskunden jetzt rechnen müssen'
- Persönliches Gespräch mit Ralf Sauter am 15. November 2022
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