Wer dauerhaft unter Konkurrenzdruck steht, wird weniger hilfsbereit und vertrauensvoll. Eine neue Studie der Universität Würzburg zeigt jetzt: Diese Veränderungen sind nicht nur vorübergehend, sondern prägen die Persönlichkeit junger Menschen nachhaltig – selbst Jahre nach Ende des Wettbewerbs.

Anreizsysteme und Wettbewerbe sollen Menschen zu Höchstleistungen motivieren. Ob im Klassenzimmer oder im Büro: Die Aussicht auf Belohnungen für die Besten treibt viele zu mehr Einsatz an. Doch was macht dieser ständige Konkurrenzdruck mit unserer Persönlichkeit? Eine neue Studie der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg liefert nun beunruhigende Antworten: Dauerhafter Wettbewerb verändert junge Menschen grundlegend – und macht sie nachweislich weniger sozial.

Während frühere Studien bereits zeigten, dass solche Systeme die Leistungsfähigkeit zwar nachweislich erhöhen, jedoch kurzfristig die Zusammenarbeit zwischen Kollegen beeinträchtigen können, hat das Forschungsteam um Professor Fabian Kosse erstmals die langfristigen Auswirkungen von anhaltendem Konkurrenzdruck auf die Persönlichkeitsentwicklung untersucht.

"Wir haben an Schulen untersucht, wie eine länger andauernde Konkurrenzsituation das prosoziale Verhalten von Jugendlichen beeinflusst, also ihre Hilfsbereitschaft und ihr gegenseitiges Vertrauen", erklärt Kosse, Leiter des JMU-Lehrstuhls für Data Science in Business and Economics.

Wettbewerb mit langfristigen Folgen

Für ihre Untersuchung nutzten die Forschenden ein besonderes Bildungsprogramm in Chile namens PACE. Dieses staatliche Programm garantiert den jeweils besten 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler einer teilnehmenden Schule einen direkten Universitätszugang – ohne die sonst obligatorische zentrale Aufnahmeprüfung. Für Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien ist dieser Anreiz besonders groß, da sie über das reguläre Zulassungssystem selten den Sprung an die Universität schaffen.

Das Besondere: Die Rangfolge ergibt sich nicht aus einer einzelnen Prüfung, sondern aus allen Leistungen über zwei Schuljahre hinweg. Dies schafft einen dauerhaften Konkurrenzkampf unter den Schülerinnen und Schülern.

"Der dauerhafte Wettbewerb verändert also nicht nur das situative Verhalten. Er beeinflusst auch die Persönlichkeitsentwicklung."

Fabian Kosse, Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Die Ergebnisse der im Journal of the European Economic Association veröffentlichten Studie sind beunruhigend: Nach zwei Jahren intensiven Wettbewerbs zeigen die Jugendlichen deutlich weniger Hilfsbereitschaft und gegenseitiges Vertrauen. Doch diese Veränderungen sind nicht nur vorübergehend. Selbst vier Jahre nach Ende des Wettbewerbs waren die negativen Effekte noch messbar. "Der dauerhafte Wettbewerb verändert also nicht nur das situative Verhalten. Er beeinflusst auch die Persönlichkeitsentwicklung", schlussfolgert Kosse.

Groß angelegtes Experiment mit über 5.000 Schülern

Um zu gesicherten Erkenntnissen zu gelangen, gestalteten die Wissenschaftler ihre Studie als randomisiertes Experiment. Sie untersuchten 64 Schulen, an denen das PACE-Programm eingeführt wurde, und verglichen sie mit 64 Kontrollschulen ohne dieses Programm. Insgesamt nahmen mehr als 5.000 Schülerinnen und Schüler teil.

"Per Zufallsprinzip wurde festgelegt, welche Schulen am PACE-Programm teilnahmen und welche als Vergleichsschulen dienten – es handelte sich also um ein echtes Experiment mit Behandlungs- und Kontrollgruppen", erläutert die Universität Würzburg in einer Mitteilung.

Die Forschenden werteten sowohl Regierungsdaten als auch eigene Befragungen von Schülern, Lehrkräften und Leitungspersonal aus. Dabei erfassten sie die wahrgenommene Wettbewerbsintensität, prosoziale Verhaltensweisen, Altruismus und Vertrauen. Beispielsweise wurden die Schülerinnen und Schüler gefragt, wie sehr Sie bereit sind, anderen zu helfen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.

Parallelen zur Arbeitswelt

Die Erkenntnisse lassen sich auch auf die Berufswelt übertragen. In Unternehmen sind Anreizsysteme weit verbreitet, welche die Mitarbeiter in direkten Wettbewerb zueinander setzen. Beispielsweise werden Prämien für die höchsten Verkaufszahlen oder Provisionen ausgezahlt.

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Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass kurzfristige Leistungssteigerungen durch Wettbewerb mit langfristigen sozialen Kosten verbunden sein können – eine Abwägung, die Bildungseinrichtungen und Unternehmen berücksichtigen und sich die Frage stellen sollten, wie man Leistung fördern kann, ohne dabei soziale Kompetenzen zu untergraben. (bearbeitet von mak)

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Verwendete Quellen