Einsamkeit betrifft sehr viele Menschen, macht krank und kostet die Gesellschaft viel Geld. Es lohnt sich also auf vielen Ebenen, gegen soziale Isolation vorzugehen.

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Aktuelle Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind ein Gradmesser dafür, wie es um das soziale und mentale Gefüge der Gesellschaft bestellt ist: Demnach ist jeder sechste Mensch weltweit von Einsamkeit und Isolation betroffen. Wissenschaftlich ist belegt, dass Einsamkeit und soziale Isolation körperlich krank machen, was jedes Jahr zu 871.000 Todesfällen weltweit beitrage.

Einsamkeit erhöhe das Risiko unter anderem von Hirnschlägen und Herzinfarkten, Diabetes, Depressionen, Angstzuständen und Suizid. Einsame Teenager hätten eine 22 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, schlechtere Noten als Mitschüler zu bekommen, und einsame Erwachsene hätten es schwerer, einen Arbeitsplatz zu finden oder zu behalten. Menschen und Familien seien nicht nur individuell betroffen - in der Gesellschaft entstünden Milliardenkosten im Gesundheitswesen und durch Ausfälle etwa bei der Beschäftigung.

"Einsamkeit ist ein schmerzhaftes, subjektives Gefühl, das viele von uns empfinden, wenn wir nicht die Beziehungen haben, die wir brauchen."

Vivek Murthy, Co-Vorsitzender der WHO-Kommission

Vielfältige Ursachen für Isolation und Einsamkeit

Der Co-Vorsitzende der zuständigen WHO-Kommission, Vivek Murthy, definiert Einsamkeit so: "Einsamkeit ist ein schmerzhaftes, subjektives Gefühl, das viele von uns empfinden, wenn wir nicht die Beziehungen haben, die wir brauchen. Im Gegensatz dazu ist soziale Isolation ein objektiver Zustand, in dem es nur wenige Beziehungen oder Interaktionen gibt."

Einer von drei älteren Menschen und einer von vier Heranwachsenden seien nach Schätzungen sozial isoliert, heißt es in dem Bericht. Zu den Ursachen gehörten Krankheiten, schlechte Bildung und niedrige Einkommen, mangelnde Angebote für soziale Kontakte und das Alleinleben sowie digitale Technologien.

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Murthy erklärt weiter, dass die Menschen seit Jahrtausenden nicht nur über Worte, sondern auch Gesichtsausdrücke, Körpersprache, Stimme und Schweigen kommunizierten. Dies gehe verloren, wenn sie ständig über Handys und soziale Medien kommunizieren.

Vorbild Schweden: Gruppenaktivitäten und keine Handys

Die WHO führt Schweden als gutes Beispiel an: Das Land hat eine nationale Strategie gegen Einsamkeit, wie der schwedische Sozialminister Jakob Forssmed berichtet. Man habe erkannt, dass nicht nur die Einsamen ein Problem hätten, sondern die ganze Gesellschaft.

In Schweden werde nun an vielen Orten bewusst versucht, soziale Kontakte zu ermöglichen, etwa in Geschäften oder Restaurants, in Nachbarschaften oder Vereinen. Alle Kinder und Jugendliche bekämen bald Geldkarten geschenkt, mit denen sie aber nur Gruppenaktivitäten für die Freizeit buchen könnten.

Schweden werde auch Handys an öffentlichen Schulen verbieten, sagte der Minister weiter. Studien hätten gezeigt, dass die sozialen Kontakte dadurch wachsen und Cybermobbing reduziert werde. Kinder und Jugendliche schliefen besser und fänden es leichter, das Handy auch in der Freizeit beiseitezulegen. Kinder seien auch oft frustriert, wenn ihre Eltern ständig mit Handys beschäftigt seien, sagte Forssmed.

Digitale Technologien hätten ihr Gutes, betont die Kommission. Sie erlaubten Kontakte, etwa per Video, die früher unmöglich waren. Dennoch: "Es ist sehr wichtig, Orte und Räume in unserem Leben zu haben, wo wir von Angesicht zu Angesicht mit anderen Menschen interagieren können, ohne von der Technologie abgelenkt zu werden", sagte Murthy. (dpa/bearbeitet von sav)