Wo "wohnt" Gott, wenn das Universum unendlich ist? Wie kann der Mensch die Krone der Schöpfung sein, wenn er vom Affen abstammt? Immer wieder brachten Wissenschaftler die katholische Kirche in Erklärungsnot. Manche als gesichert geltende Erkenntnisse erkannte diese erst Jahrhunderte später an. So wurde Galileo Galilei erst vor 20 Jahren, im Herbst 1992, von der Kirche rehabilitiert, Kopernikus gar erst im Jahr 2010. Welche Wissenschaftler waren der katholischen Kirche ein besonderer Dorn im Auge? Und welche Forschungsgebiete stehen auch heute noch unter Beschuss?

Mehr zum Thema Gesellschaft & Psychologie

Nikolaus Kopernikus (1473 - 1543)

Bis ins 16. Jahrhundert haben Theologen den Alleinanspruch, die komplette Wirklichkeit zu erfassen und zu erklären. Nach ihrer Auffassung ist die Erde der Mittelpunkt des Universums. Nikolaus Kopernikus (1473-1543) bringt dieses Weltbild mächtig ins Wanken. Er beschreibt erstmals das heliozentrische Weltbild, wonach die Sonne das Zentrum des Universums bildet, um das die Erde als ein Planet von vielen kreist. Damit widerspricht er dem geozentrischen Weltbild von Ptolemäus, dem die Kirche verbunden ist. Die Lehren Kopernikus' werden daher als ketzerisch verdammt. Erst ein halbes Jahrtausend später, im Jahr 2010, wird der Astronom von der Kirche rehabilitiert und in einem geweihten Grab bestattet.

Giordano Bruno (1548 - 1600)

Der italienische Priester und Astronom Giordano Bruno stellt die These auf, dass der Weltraum unendlich und anfangslos ist. Ein Jenseits sowie das Schöpfungsereignis sind somit ausgeschlossen. Zudem stellt Bruno die Dreifaltigkeit in Frage. Für seine ketzerischen Theorien wird er 1600 auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Galileo Galilei (1564 - 1642)

Der italienische Astronom Galileo Galilei vertritt in seinem 1632 erschienenen "Dialogo dei Massimi Sistemi" (in etwa: "Dialog über die beiden Weltsysteme") das kopernikanische, heliozentrische Weltbild. Dies belegt er empirisch anhand der Phasengestalten der Venus und stellt sich damit gegen die katholische Kirche. Diesem Angriff begegnet diese, indem sie Galileo 1633 zu Hausarrest verurteilt. Sein Werk wird zwar 1835 vom Index gestrichen, doch erst 1992 wird Galileo offiziell von der Kirche rehabilitiert.

Johannes Kepler (1571 - 1630)

Der deutsche Naturwissenschaftler und Theologe berechnet die Umlaufbahnen der Planeten um die Sonne und leitet ab 1609 insgesamt drei Gesetze ab. Der religiöse Mann, der sich nach Ansicht der "Kepler-Gesellschaft" jedoch in keiner Konfession wohlgefühlt habe, schreibt darin unter anderem: Von der Sonne gehe eine Kraft aus, die die Planeten in ihrer Umlaufbahn hält. Er verfestigt damit das Weltbild von Kopernikus, das der christlichen Lehre widerspricht.

Isaac Newton (1643 - 1727)

Isaac Newton legt die Grundlagen der modernen Physik und verändert dadurch das Weltbild nachhaltig. In seinem 1687 auf Lateinisch veröffentlichten Hauptwerk "Principia Mathematica" formuliert er die drei Grundgesetze der Bewegung. Dabei bedient er sich unter anderem der Erkenntnisse Galileos und Keplers und sichert diese dadurch ab.

Charles Darwin (1809 - 1882)

Gott soll die Welt und ihre Lebewesen (darunter als Krone der Schöpfung den Menschen) in sechs Tagen erschaffen haben. Kein Wunder, dass Darwins Theorien zur Evolution, die er in mehreren Werken ab 1859 veröffentlicht, für viele zunächst ein Schock waren. Dem britischen Naturforscher zufolge dauerte es nämlich Hunderttausende von Jahren, bis der Mensch sich durch natürliche Selektion entwickelte - ein krasser Widerspruch zum Glauben an die Schöpfungsgeschichte.

Doch anders als Kreationisten, fundamentalistische Christen, die die Schöpfungsgeschichte in der Bibel auch heute noch wörtlich interpretieren, nimmt die katholische Kirche die Evolutionstheorie teilweise an. Der Papst und die meisten Christen sehen trotzdem Gott als erste Ursache vor dem Evolutionsgeschehen.

Vollständig lässt man sich aber nicht auf Darwins Theorien ein: Während Papst Johannes Paul II. im Jahr 1996 zugab, dass die Evolutionstheorie deutlich mehr sei als eine spekulative Hypothese, rudert Papst Benedikt XVI. zurück: Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AP ließ er verlauten, dass die Evolutionstheorie keine vollständige, wissenschaftlich bewiesene Theorie sei.

Und heute?

Die vorausgegangen Ausführungen machen deutlich: Als fortschrittlich kann man die römisch-katholische Kirche nicht bezeichnen. Auch heute tut sie sich mit manchen wissenschaftlichen Strömungen schwer. Im Bioethik-Dokument "Dignitas Personae" (auf Deutsch: "Würde der Person") aus dem Jahr 2008 wird Stellung zu den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft bezogen. Zum Schutz der Menschenwürde lehnt die Kirche – zusätzlich zu Abtreibung und Empfängnisverhütung - künstliche Befruchtung und Stammzellenforschung ab. Ihrer Ansicht nach beginnt menschliches Leben mit der Befruchtung, Embryos besitzen daher die gleichen Personenrechte wie alle anderen Menschen. Ein Unterschied zu den Konflikten im Mittelalter: Mit diesen Aussagen leugnet die katholische Kirche nicht die Gültigkeit von wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern lehnt deren Anwendung aus ethischen Gründen ab.

Doch auch ein Einklang von Kirche und Wissenschaften ist möglich: die "Päpstliche Akademie der Wissenschaften". Ihre Ursprünge gehen auf das Jahr 1603 zurück, sie wurde jedoch unter Pius XI. im Jahr 1936 neu gegründet. Die Akademie versammelt hochrangige Wissenschaftler aus aller Welt, fördert Forschungen und hält den Papst über neue Erkenntnisse auf dem Laufenden. Die Mitglieder müssen keiner bestimmten Konfession angehören. So ist auch der britische Physiker Stephen Hawking, angeblich bekennender Atheist, Mitglied.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.