Keiner segelt so lässig am Himmel wie der Rotmilan. Zumindest, wenn kein Windrad im Weg ist. Blick auf einen Greifvogel, für den Deutschland eine besondere Verantwortung trägt.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Fabian Busch dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Vor Kurzem habe ich meine jüngeren Kollegen gefragt, ob Leute in ihrem Alter eigentlich noch das Wort "cool" benutzen. Offenbar machen sie das, aber es gibt auch Alternativen wie "nais/nice", "sweet", "krass" oder sogar "lit". Warum das hier ein Thema ist? Weil es heute um den aus meiner Sicht coolsten heimischen Greifvogel gehen soll. Oder um den nicesten, ganz wie man will.

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Ich finde jedenfalls, das Wort "cool" beschreibt den Rotmilan ziemlich gut. Aus seinen gelben Augen schießt ein stechender, kühler Blick. Und wenn er am Himmel segelt, kommt er ziemlich lässig und schnittig daher. "Kite" heißt der Milan im Englischen – so wie der Drachen, den Kinder in die Luft steigen lassen. Das passt gut. Vor Kurzem habe ich beobachtet, wie ein Rotmilan einen Seeadler drangsaliert hat, der seinem Nest offenbar zu nah kam. Das muss man sich als Vogel auch erstmal trauen.

Der Rotmilan ist unverwechselbar

Am Himmel kreisende Greifvögel zu bestimmen, kann ziemlich knifflig sein. Der Rotmilan aber ist ein klarer Fall, auch für Ungeübte. Nicht nur wegen der schmalen, geschwungenen Flügel und des hellen Kopfes. Sondern vor allem wegen der gegabelten Schwanzfedern. Es sieht aus, als sei dort eine dreieckige Kerbe herausgeschnitten worden. Diese Silhouette macht den Rotmilan unverwechselbar.

Der deutliche Kerbe in den Schwanzfedern macht den Rotmilan am Himmel leicht zu bestimmen. © Zoonar/KARIN JAEHNE

Wer genau hinschaut, kann ihn übrigens auch von seinem engen Verwandten, dem Schwarzmilan, unterscheiden. Der sieht dem Rotmilan ziemlich ähnlich, hat aber einen weniger stark gegabelten Schwanz.

Sehr ähnlich und doch ein bisschen anders: Der Schwarzmilan wirkt insgesamt dunkler und der Schwanz ist kaum gegabelt. © IMAGO/Zoonar.com/Juergen Landshoeft

Ein ziemlich deutscher Vogel

Noch etwas lässt den Rotmilan herausstechen aus unserer Vogelwelt. Eigentlich haben alle Vogelarten, die bei uns heimisch sind, ein großes Verbreitungsgebiet. Sie brüten häufig in weiten Teilen Europas oder Asiens. Manche wie Wanderfalke, Schwarzmilan oder Graureiher sind Weltbürger.

Der Rotmilan ist die große Ausnahme. Insgesamt gibt es heute noch 25.000 bis 33.000 Brutpaare – 14.000 bis 16.000 davon brüten in Deutschland, also etwa die Hälfte. Einen so hohen Anteil gibt es bei keiner anderen Vogelart. Besonders häufig ist er im Osten und Südwesten. Sowohl über der Schwäbischen Alb als auch über der Magdeburger Börde segeln im Frühling und Sommer viele rote Drachen am Himmel. Der Journalist und Autor Carl-Albrecht von Treuenfels hat den Rotmilan einmal als "Deutschlands heimlichen Wappenvogel" bezeichnet.

Auch in der Schweiz stehen die Chancen gut, einen Rotmilan zu sichten. 1.500 bis 2.000 Brutpaare wurden laut "Birdlife" in den vergangenen Jahren in der Eidgenossenschaft gezählt. In Österreich steht er dagegen mit 90 bis 130 Brutpaaren als gefährdet auf der Roten Liste.

Der Rotmilan lebt am liebsten dort, wo alte Bäume für den Nestbau und große Freiflächen für die Nahrungssuche dicht beieinander liegen. Er kreist dann im Segelflug über der Landschaft, hält Ausschau nach Wühlmäusen, Vögeln, Fischen – oder dem, was es sonst so zu erbeuten gibt. Häufig begnügt er sich mit Aas. Und wenn das Nest sich noch im Bau befindet, nimmt er auch Lumpen und anderen Müll mit. Vielleicht sollen sie in der Kinderstube als Sitzpolster dienen.

Auch Fisch steht auf dem Speiseplan der Milane. © IMAGO/Zoonar.com/Ralf Weise

Todesfalle Windräder

Die mitteleuropäische Durchschnittslandschaft mit ihren Wäldern und Hecken, Feldern und Seen bietet dem Rotmilan offenbar gute Lebensbedingungen. Allerdings ragt seit einiger Zeit eine zunehmende Gefahr für ihn in aus Landschaft.

Rotmilane gehören zu den Vogelarten, die besonders häufig von Windrädern getötet werden. Sie sind natürlich nicht zu dumm, diese zu umfliegen. Aber der Milan segelt ungefähr auf der Höhe der Rotorblätter und schaut auf Nahrungssuche ständig nach unten. Da kann eine Windkraftanlage zur Todesfalle werden.

Sind wir also dabei, unseren heimlichen Wappenvogel auszurotten? So schlimm ist es offenbar nicht. Das Projekt "Life Eurokite" untersucht seit 2013 die Todesursachen von Rotmilanen in der Europäischen Union und der Schweiz. In Deutschland waren die meisten Todfunde demnach auf eine natürliche Ursache zurückzuführen. Straßen- und Schienenverkehr sorgten zudem für mehr Todesfälle als Windkraftanlagen.

Hoffen wir also, dass der Rotmilan uns noch lange erhalten bleibt. Damit Menschen in den nächsten Generationen ihn auch noch cool oder nice finden können. Oder welches Wort auch immer sie dann für einen solchen Vogel verwenden.

Verwendete Quellen