Jahrzehntelang galten sie als möglicher Hinweis auf Wasser – und damit auf Leben auf dem Mars. Doch nun zeigt eine neue Studie, wodurch die rinnenartigen Strukturen an den Marshängen tatsächlich entstehen.
Seit ihrer Entdeckung auf Bildern der "Viking"-Sonden im Jahr 1977 entzündet sich an ihnen die Fantasie von Marsforschern: An vielen Abhängen und Kraterwällen des trockenen roten Planeten zeigen sich veränderliche, rinnenartige Strukturen. Fließt dort mitunter doch noch Wasser – und könnte sich in jenen Arealen mikrobielles Leben erhalten haben, sogar bis heute?

Valentin Bickel von der Universität Bern und Adomas Valantinas von der Brown University in den USA haben diesen Spekulationen nun den Boden entzogen. Ihre Studie im Fachblatt "Nature Communications" zeigt: Die seltsamen Böschungsstreifen entstehen nicht durch Wasser, sondern durch Wind und Staub.
Die meist dunklen Streifen an Abhängen sind oft mehrere hundert Meter lang, tauchen plötzlich auf und sind über viele Jahre sichtbar, bevor sie durch Erosion langsam wieder verschwinden. Manche Streifen treten nur kurzzeitig in Erscheinung – dafür aber immer wieder an denselben Stellen. Diese wiederkehrenden Streifen zeigen sich besonders häufig im Mars-Sommer: Viele Forscher deuteten das als Indiz dafür, dass schmelzendes Eis an diesen Stellen Wasser an die Oberfläche treten und den Hang hinabfließen lässt.
Ausgetrocknete Flussläufe zeugen von wasserreicher Epoche
Zwar ist der Mars heute ein trockener Wüstenplanet. Doch dass es auf dem Planeten in der Frühzeit vor drei bis vier Milliarden Jahren Wasser gab, gilt als sicher. Ausgetrocknete Flussläufe und Küstenlinien einstiger Seen und Meere zeugen von dieser wasserreichen Epoche.
Ein großer Teil des Wassers ist vermutlich ins All entwichen. Aber an den Polen und im Marsboden gibt es auch heute noch große Mengen an Eis. Durchaus naheliegend also, dass bei ausreichend warmen Temperaturen vereinzelt Wasser austreten kann – und so vielleicht auch eine ökologische Nische für in der Frühzeit entstandene Mikroben bietet.
Wissenschaftler identifizieren Marskarte mit über 500.000 Böschungsstreifen
Bickel und Valentinas haben in ihrer Studie einen neuen Weg eingeschlagen, um die Herkunft der Böschungsstreifen zu klären. Mit maschinellem Lernen trainierten sie einen Computer-Algorithmus anhand bekannter Strukturen darauf, solche Streifen auf dem Mars zu erkennen. Dann wendeten die Forscher den Algorithmus auf 86.000 hochaufgelöste Aufnahmen aus dem Bild-Archiv des "Mars Reconnaissance Orbiter" an, der den Planeten seit 2006 umkreist. Mit Erfolg: Über 500.000 Böschungsstreifen konnten die Wissenschaftler identifizieren und so erstmalig eine globale Karte solcher Strukturen auf dem Mars erstellen.
"Als wir diese globale Karte hatten, konnten wir sie in Beziehung setzen zu Datenbanken und Katalogen anderer Messungen", erläutert Bickel. Also etwa von Temperatur, Windgeschwindigkeit und Häufigkeit wasserhaltiger Mineralien. "Wir konnten auf der Basis von Hunderttausenden von Fällen nach Korrelationen suchen, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen sich solche Strukturen bilden."
So entstehen die Rinnen tatsächlich
Das Ergebnis war ernüchternd: Die statistische Analyse lieferte keinen Zusammenhang mit Faktoren, die für das Austreten von Wasser zu erwarten wären, wie etwa starke Temperaturschwankungen oder erhöhte Luftfeuchtigkeit. Stattdessen zeigten sich deutliche Korrelationen mit der Windgeschwindigkeit und der Ablagerung von Staub. Das Ergebnis der Analyse favorisiere also einen "trockenen" Ursprung der Böschungsstreifen, so die Wissenschaftler.
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Bickel und Valantinas gehen davon aus, dass sich dort, wo der Wind stärker weht, mehr feiner Staub ablagert. Wenn sich ausreichend Staub an einem Abhang abgelagert hat, kommt er ins Rutschen – es bildet sich eine Rinne, ganz ähnlich wie durch herabfließendes Wasser. Für die Suche nach Leben auf dem Mars sind die Böschungsstreifen also kein lohnendes Ziel. (dpa/bearbeitet von ali)