Das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" ist nach einer Pause von eineinhalb Monaten mit einer neuen Ausgabe wieder im Verkauf. Neben für Frankreich relevanten Themen werden auch die Terroranschläge vom 7. Januar 2015 satirisch verarbeitet.

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Genau sieben Wochen nach dem islamistischen Terroranschlag auf die Redaktion mit zwölf Toten liegt das frisch gedruckte Heft seit Mittwochmorgen an den Kiosken aus. Auch dieses Mal ist die Auflage für das Blatt enorm: 2,5 Millionen Exemplare wurden gedruckt. Vor dem Anschlag waren es 60.000.



"C'est reparti" - Es geht wieder los

Die Satirezeitschrift soll wieder wöchentlich erscheinen - obwohl viele wichtige Zeichner tot sind. Auf 16 Seiten, die unter dem Motto "Es geht wieder los" stehen, befasst sich die Redaktion in Texten und Karikaturen auch intensiv mit dem Terroranschlag.

Auf dem Titel ist eine Karikatur mit einer Meute von Hunden in Gestalt verschiedener prominenter Menschen. Diese Meute verfolgt einen kleinen Köter, der mit einem "Charlie Hebdo"-Exemplar im Maul davonjagt.

"Er wird verfolgt von all jenen, die davon träumen, uns zu fressen", sagte Chefredakteur Gérard Biard der Nachrichtenseite "heute.de". "Marine Le Pen, Nicolas Sarkozy, ein Dschihadist... C'est reparti! Wir sind wieder da! Wir wollen machen, was wir immer gemacht haben: Lachen, uns lustig machen über die Aktualität, wie früher."

Ein Blick ins Heft

Nicht nur der Terroranschlag wird aufgearbeitet, sondern alle möglichen Themen bekommen in der neuen Ausgabe ihr Fett weg. Ein Auszug der Karikaturen im neuen Charlie-Hebdo-Heft (beschrieben und grob übersetzt):


  • Die Bewegung "Je suis Charlie", die nach den Terroranschlägen weltweit Wellen schlug, spielt eine wichtige Rolle in dem neuen Heft.Eine Karikatur mit der Überschrift "Identität" zeigt verschiedene Situationen, in denen das "Je suis Charlie"-Logo omnipräsent ist: Beim Einkaufen im Supermarkt sind alle Produkte mit "Je suis Charlie" beschriftet, Medien und Politiker werfen mit dem Schriftzug um sich, und auch in einer Kirche, beim Gassi-gehen mit dem Hund und beim Laubblasen steht überall "Je suis Charlie" gedruckt.Im letzten Bild sitzen Redakteure hinter zwei Polizeibeamten und versuchen zu arbeiten: "Währenddessen bei 'Charlie'..." steht darüber. Sie fragen sich beide: "Wer bin ich?".
  • In einer anderen Karikatur, die auch die Anschläge aufarbeitet, sitzt eine Frau am 7. Januar 2015 am Boden, sie ist von blutigen Papierblättern und Stiften umgeben.Auf sie prasseln die Fragen von mehreren Journalisten ein: "Wie fühlen Sie sich? Haben Sie die Mörder gesehen? Kannten Sie die Opfer gut? Können Sie uns eine Zeichnung machen? Haben Sie Angst?" Die Frau antwortet trocken: "Ich habe Angst, dass euch der Rat für Audiovisuelle Medien im Nacken sitzt."
  • Eine Karikatur greift die Flüchtlingsproblematik vor Lampedusa bissig auf: Zwei Geschäftsmänner gehen am Strand von Lampedusa entlang, von dem es in der Karikatur heißt, er sei der "Drittschönste Strand der Welt".Die beiden Männer beschweren sich über den Zustand des Strandes, vor dem Tote Menschen im Wasser treiben: "Alle Menschen im Wasser und kein einziger Hintern".
  • Frankreichs ehemaliger Präsident Nicolas Sarkozy steht in einer Karikatur am Rednerpult. Er steht auf mehreren Bündeln Geldscheinen, um über das Rednerpult schauen zu können. Ohne die Geldscheine, die eine Art Podest bilden, wäre er zu klein.Über dem Bild steht: "Wieso stimmt Sarkozy zu, Konferenzen in Qatar zu halten?" Sarkozy antwortet nur: "Weil sie mir ein Podest für meine Höhe geben."Die Karikatur spielt darauf an, dass Sarkozy offenbar im Februar nach Abu Dhabi reiste, um an einer Konferenz teilzunehmen, die er sich bezahlen ließ. Sarkozy soll sehr gute Beziehungen zu dem umstrittenen Land haben.
  • Die Vorsitzende der rechtsextremen Partei "Front National", Marine Le Pen, wird als Dschihadistin dargestellt. Sie steht hinter einer Statue, der sie mit einem Messer den Kopf abschneiden will.Darüber steht "Nein zum Dschihadismus der 'bleu Marine'". "Bleu Marine" ist eine Sammelbegriff, der patriotische Koalitionsparteien in Frankreich zusammenfasst.

"Wir sind mehr denn je alle Charlie"

Die linksliberale Pariser Zeitung "Libération", bei der die Ausgabe gedruckt wurde, kommentierte die Veröffentlichung:

"Die Journalisten und Zeichner von (der Satirezeitschrift) 'Charlie Hebdo' leben unter Polizeischutz, werden von islamistischen Fanatikern bedroht und überwinden gerade mit Mühe das traumatische Erlebnis des mörderischen Anschlags. In dieser schweren Prüfung entfaltet sich ein ruhiges Heldentum, das alle niederträchtigen Geister beschämen sollte, die meinen, die Mitarbeiter von 'Charlie Hebdo' hätten den Anschlag ein wenig provoziert. Will man die Toten ehren, so tut man das nur, indem man weiterarbeitet wie vorher. Wir sind mehr denn je alle Charlie."

Der Neuanfang tut weh

Nach dem 7. Januar zeigten sich die Menschen solidarisch, und für das Blatt kamen Millionen von Euro zusammen. 200.000 Abonnenten zählt die Satirezeitschrift inzwischen.

Doch von Arbeitsalltag sind die Redakteure weit entfernt. Vor ihrem Umzug in eine neue, sicherere Redaktion bleibt die Arbeit schmerzhaft. "Charlie-Hebdo"-Chefredakteur Biard sagt im Interview mit "heute.de": "Wir denken immer an die, die gestorben sind. Nicht bei dieser Ausgabe im Speziellen. Wir denken immer an sie. Es fällt schwer, nicht daran zu denken, und es wird noch eine ganze Weile schwer bleiben."


Mit Material von der dpa
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