Bei Überholmanövern entstehen immer wieder gefährliche Situationen, die sich mit etwas Umsicht jedoch vermeiden lassen. Oft unterschätzen Fahrer die für eine sichere Vorbeifahrt benötigte Fahrstrecke. Meist ist die erzielte Zeitersparnis ohnehin gering.

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Besonders auf Landstraßen ist das Überholen wegen der eingeschränkten Sichtweiten nicht selten eine riskante Sache. Wie Zahlen der Unfallforschung des ADAC zeigen, kommt es bei 40 Prozent der Unfälle im Zusammenhang mit Überholvorgängen zu lebensbedrohlichen Verletzungen – weit über dem Durchschnitt aller Unfallarten.

Laut Statistik waren im Jahr 2015 zwar nur vier Prozent der Unfälle mit Personenschäden auf missglückte Überholmanöver zurückzuführen. Doch die Anzahl der Verkehrstoten war die zweithöchste (22 pro 1.000 Unfälle) – hinter zu hoher Geschwindigkeit (26 Verkehrstote) und gleichauf mit Fahren in falscher Fahrtrichtung („Geisterfahrer“).

Überholstrecke oft länger als erwartet

Als Ursache sieht der ADAC, dass Autofahrer oft Geschwindigkeiten und Entfernungen falsch einschätzen. Nach Berechnungen des Automobilclubs brauchen Fahrer eine einsehbare, freie Strecke von 700 Metern vor sich, um sicher überholen zu können. Dabei ist berücksichtigt, dass jederzeit Gegenverkehr sichtbar werden kann, der mit 100 km/h auf entgegenkommt. Die Strecke entspricht 14 Leitpfosten, die in Deutschland im Abstand von 50 Metern aufgestellt werden.

Die erforderliche Entfernung von 700 Metern gilt für einen Pkw, der mit 100 km/h an einem mit 60 km/h fahrenden Lkw vorbei fährt. Bei schnelleren Fahrzeugen verlängert sich die Strecke entsprechend. Eine so lange freie und übersehbare Strecke gibt es auf Land- und Bundesstraßen nur vereinzelt.

Kaum Zeitersparnis durch das Überholen

Rechtlich ist die Lage eindeutig: Überholen dürfen Fahrer nur, wenn zu erwarten ist, dass während des ganzen Überholvorgangs eine Behinderung oder gar Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen ist. Deswegen sollten Autofahrer nur bei sehr gut einsehbaren Streckenabschnitten überholen.

Im Verkehrsalltag lohnt sich der Überholstress ohnehin kaum. Laut ADAC beträgt die Zeitersparnis durch wiederholte Überholvorgänge im günstigsten Fall zehn Prozent der Fahrzeit. Bei einer Strecke von 20 Kilometern entspricht das gerade einmal 1,5 Minuten.

Strenge Überholregel auf der Autobahn

Auf der Autobahn ist das Überholen einfacher und sicherer. Unklarheiten treten hauptsächlich bei der Frage auf, ob und wann das Rechtsüberholen erlaubt ist. Grundsätzlich dürfen Fahrer nur links überholen. Das gilt auch dann, wenn der Verkehr sich auf der linken Spur verdichtet, während rechts eine längere Strecke frei ist. Das Vorfahren bis zum nächsten Lastwagen etwa gilt in einem solchen Fall als verbotenes Rechtsüberholen und wird mit einer Geldbuße von 100 Euro und einem Punkt in Flensburg geahndet. Als Überholen zählt auch, wenn sich der Fahrer anschließend nicht links einordnet, sondern an einer Abfahrt die Autobahn verlässt.

Es gibt nur eine Ausnahme vom Verbot des Rechtsüberholens: den Kolonnenverkehr. Dann ist es erlaubt, andere Fahrzeuge auf der rechten Seite zu passieren.

Vorsicht bei Radfahrern und Bussen

Radfahrer haben keine Knautschzone und fahren nicht immer schnurgerade. Deswegen muss der seitliche Überholabstand gemäß der Rechtsprechung 1,5 Meter betragen. Wenn auf dem Fahrrad ein Kind transportiert wird, müssen es sogar zwei Meter sein.

Vorsicht ist ebenso beim Passieren von Bussen an Haltestellen geboten. Autofahrer müssen jederzeit damit rechnen, dass aussteigende Fahrgäste die Straße überqueren wollen. Deswegen dürfen Autofahrer nur langsam am Bus vorbeifahren und müssen möglicherweise anhalten. Das gilt speziell beim Vorbeifahren an Schulbussen, da Kinder Verkehrssituationen nicht immer überblicken und in Gruppen oft abgelenkt sind.

An gefährlichen Haltestellen schalten Busse den Warnblinker ein. Während ein Linien- oder Schulbus mit eingeschaltetem Warnblinklicht an eine Haltestelle heranfährt, ist das Überholen nicht erlaubt. Sobald der Bus mit eingeschaltetem Blinklicht steht, dürfen Autos und Motorräder nur mit Schrittgeschwindigkeit überholen. Das sind höchstens 7 km/h. Dies gilt auch für den Gegenverkehr! Solche gefährlichen Haltstellen sind mit einem roten Punkt oder einem Dreieck am Schild gekennzeichnet.  © 1&1 Mail & Media/ContentFleet

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