Der Club-O-Mat sagt, welchen Fußballverein man liebt. Bei Licht betrachtet ist er ein Marketinginstrument, das komplexe Rechtsfragen aufwirft.

Rolf Schwartmann
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Der Club-O-Mat ist ein digitales Spielzeug, mit dem man herausfindet, welcher Verein zu einem passt. Man kennt das von Partnerschaftsportalen oder dem Wahl-O-Mat, wo man auf vorgegebene Fragen zu seinen Interessen mittels vorgegebener Wahlmöglichkeiten antworten kann. Am Ende werden passende Partner oder Parteien vorgeschlagen.

Der Algorithmus soll ausblenden, was man fühlt

Der Sinn ist es, Gefühle einem Faktencheck zu unterziehen. Der Algorithmus soll aufdecken, was man denkt, und ausblenden, was man fühlt. Welche Fragen und Fakten ein Programmierer zugrunde legt, ist ebenso entscheidend für den Wert der Antwort wie die Fragestellung. Viele neigen nämlich in emotionalen Angelegenheiten dazu, der Maschine ein Bild vorzugaukeln, das dem gefühlten Selbstbild entspricht.

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Die Fragen müssen also psychologisch so schlau gestellt sein, dass sie die Intention des Fragenden nicht erkennen lassen. Es geht darum, dass der Algorithmus den Menschen entlarvt - und nicht umgekehrt.

Die eigenen Gefühle auch emotional unberücksichtigt zu lassen, ist schwer. Das liegt daran, dass man sich oftmals selbst dann im Recht fühlt, wenn die Fakten das Gegenteil belegen. Wer eine Partei hasst, der tut das ja oft nicht aus faktenbasierter Überzeugung, sondern weil das immer schon so war.

Die Datenbasis ist entscheidend

Zentral ist die transparente Datenbasis. Die Fragen und Antwortmöglichkeiten im Wahl-O-Mat basieren insofern auf einer validen Datenbasis, als er auf den Wahlprogrammen der Parteien fußt. So kann man die Ergebnisse überprüfen und weiß, woran man ist. Der Input ist durch die Wahlprogramme vorgegeben und darauf beschränkt.

Wenn man hier nach der Meinung zur Klimapolitik gefragt wird, ist der Bezug klar und die Antwort für den Nutzer nachvollziehbar. Man kann sich aber gewissermaßen mit seinem verborgenen Selbst konfrontieren. Wer den Wahl-O-Mat nutzt und dann weiß, was er wirklich denkt, der wird auf dieser Basis nur dann seine Wahlentscheidung ändern, wenn er offen ist, und er weiß dann auch, warum.

Faktencheck für Fußballliebe

Es gibt aber Entscheidungen, die ihrem Wesen nach nur emotional sind. Dazu zählt die Wahl des Fußballvereins, den sich eingefleischte Fans, jedenfalls gefühlt, so wenig aussuchen wie ihre Eltern. Liebe zum 1. FC Köln kann man eben ebenso wenig erklären oder überprüfen wie Borussenhass. Der Club-O-Mat - ein Onlineangebot der ZEIT - ermöglicht das trotzdem.

Die 15 Fragen lauten etwa "Wie geht es Ihnen?", "Sind Sie treu?", "Ihr Kleidungsstil?", "Werden Sie gerne gemocht?" "Frauenfußball?", "Ergreifen Sie gerne die Initiative?", "Vervollständigen Sie diesen Satz: Der menschengemachte Klimawandel ist…" und "Wie fair sind Sie?". Wer die Fragen ernsthaft beantwortet, bekommt, wie Selbstversuche mehrerer Probanden zeigen, in der Regel den falschen Verein zugewiesen.

Wer sich in den Hintergrund der Fragen eindenkt, oder besser: einfühlt, denn er kennt ja die Kriterien für die Erstellung des Kataloges nicht, auch. Wer sich oft genug beliebig durchklickt, bekommt irgendwann den richtigen Verein. Fazit: Algorithmen schlagen uns das vor, was sie wollen und nicht was wir wollen.

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Gefühle auf dem Prüfstand von Algorithmen machen also klar: Wer nicht davor zurückschreckt, seine Emotionen einem Faktencheck nach dem Bewertungsmodell von Programmierern zu unterziehen, der bekommt oft eine Antwort, die ihm nicht passt, weil er sie nicht fühlt. Das ist ein lustiges Spiel. Es wird ernst, wenn man sich vor Augen führt, dass die zitierten Fragen des Club-O-Mat nicht nur dazu geeignet sind, Vorlieben für einen Fußballclub zu offenbaren.

Unterschied zum Wahl-O-Mat: Nutzer tappt im Dunkeln

Anders als beim Wahl-O-Mat kennt der Nutzer hier die Datenbasis – also die Regeln, auf deren Grundlage der "wahre Verein" ermittelt wird – gerade nicht. Er weiß auch nicht, wie seine Antworten bei der Auswahl gewichtet werden. Es wird ein Gefühl abgefragt, ohne dass man genau weiß, wofür man es haben soll.

Der Verein ist beim Club-O-Mat am Ende nur eine Chiffre für einen charakterlichen Typ. Zu erfahren, was Menschen denken, ist nicht nur für sie selber wichtig. Es interessiert vor allem Dritte, die Menschen zu etwas bewegen wollen; etwa zu einer Kaufentscheidung. Technisch möglich ist das, denn schließlich ist das Endgerät, von dem aus die Fragebögen zu den eigenen Charakterzügen ausgefüllt werden, über die Daten zum eigenen Charakter leicht identifizier- und über Onlinewerbung gezielt ansprechbar.

Die Fragen zur Ermittlung der Vereinsliebe kitzeln hochsensible Aussagen zu Gemütszustand und Engagement ebenso heraus wie solche zu Umweltpolitik und Gerechtigkeitsempfinden. Auch der für Kaufentscheidungen relevante Kleidungsstil wird abgefragt. All das mag für die Liebe zum Verein zwar eine Rolle spielen.

Offenkundig bedeutsam sind diese Fragen aber für die Werbung und die Onlinewirtschaft. Schaut man den sich den Club-O-Mat im Browser näher an, dann sieht man, dass bei der Beantwortung jeder Frage die persönlichen Interessen an einen Dienst für digitales Marketing übertragen werden.

Onlinewerbung ist grundsätzlich erlaubt und erwünscht

Das ist grundsätzlich in Ordnung, denn Werbung trägt die Onlinewirtschaft. Datengetriebene Geschäftsmodelle sind gesellschaftlich erwünscht. Das gilt gerade auch für pfiffige Marketinginstrumente.

Das Angebot ist einerseits ein lustiges Spiel. Rechtlich haben wir es beim Club-O-Mat aber mit einem Angebot zu tun, das Studierende mit einem Faible für das "Recht der Digitalisierung" vor Herausforderungen stellt. Der Zugriff des Anbieters des Dienstes auf das Endgerät des Nutzers ist nach dem Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz zu prüfen.

Hier bedarf es einer informierten Einwilligung in die Nutzung der Daten zu Zwecken, die in der Datenschutzerklärung für die Onlinenutzung transparent und verständlich erklärt sein muss. Dazu dürfte es gehören, den Club-O-Mat und seinen Zweck kurz zu beschreiben. Die Einwilligung selbst gibt man bei den gebräuchlichen "Pur-Modellen" durch den Klick auf den Button: "Ich will nutzen, ohne mit Geld zu zahlen, und lasse deshalb Tracking zu. Das heißt, ich zahle mit Daten."

Das ist nach Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie in den § 327 ff. BGB nach den dort genannten Regeln erlaubt. Die Prüfung in diesem Bereich ist komplex. Sie beginnt bei der Frage, ob Durchschnittsnutzer beim Nutzen des digitalen Angebots Vertragswillen besitzen.

Sodann muss man Preis, Leistung und Gegenleistung definieren. Was genau ist denn die Leistung des Nutzers beim Zahlen mit der Antwort auf die Frage nach der Treue?

Schließt man mit dem Anbieter einen Vertrag?

Dann geht es zum Verhältnis zur BGB/DS-GVO. Braucht man eine zusätzliche Einwilligung nach Datenschutzrecht, um einem Nutzer den Dienst anzubieten, oder reicht der mögliche Vertragsschluss nach BGB? Das Datenschutzrecht muss auf jeden Fall geprüft werden.

Die Rahmenbedingungen der DS-GVO, die neben denen des § 7 UWG stehen, lauten wie folgt: Wenn man Daten über den Gemütszustand oder nach persönlichen Haltungen wie Treue erhebt, dann braucht man eine informierte Einwilligung dafür. Profiling, also das Einordnen von Menschen nach Interessen, ist rechtlich grundsätzlich erlaubt.

Allerdings muss der Anbieter über die Datenverarbeitung beim Club-O-Mat, der ja kein journalistisches Angebot ist, nach Art. 13 DS-GVO nachvollziehbar informieren. Die Arbeitsweise des Algorithmus - also wieso man etwas über Umweltpolitik erfahren muss, wenn es um Fußball geht - muss allerdings nicht offengelegt werden. Das schreibt Art. 22 DS-GVO nur für sogenanntes "Scoring" vor.

Dabei trifft eine Maschine eine Entscheidung, die für den Nutzer rechtliche Wirkung hat. Die hat Werbung aber nicht, und der Club-O-Mat meldet den Nutzer ja nicht automatisch bei seinem "wahren Verein" an. Wer es ganz genau wissen will, der fragt sich noch, ob ein Verlag über das sogenannte Medienprivileg von den Pflichten der DS-GVO befreit ist. Im Ergebnis ist das aber eher nicht der Fall.

Schuldrecht und Datenschutzrecht

Leider ist die rechtliche Prüfung damit noch nicht zu Ende, denn man muss sich noch einmal mit den datenschutzrechtlichen Auswirkungen des BGB für Verbraucherverträge über digitale Inhalte befassen. Zahlreiche Pflichten der DS-GVO, etwa das gefürchtete Auskunftsrecht, gelten (zusätzlich) auch hier.

Eine besonders unangenehme Konsequenz gibt es für Anbieter auch. Widerruft der Verbraucher seine Einwilligung oder fordert er die Löschung seiner Daten, muss der Unternehmer dennoch die digitalen Inhalte bereitstellen. Denn das Datenschutzrecht ist zunächst einmal völlig losgelöst vom Zivilrecht. Der Unternehmer kann den Vertrag nur kündigen, wenn es für ihn unzumutbar ist, die Gegenleistung trotz Widerrufs der Einwilligung fortzuführen.

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Halten wir fest: Digitale Frage-Antwort-Spiele machen in der Nutzung Spaß. Sie sind unternehmerisch pfiffig und in der rechtlichen Umsetzung voraussetzungsvoll. Über allem steht die Transparenz für den Nutzer. Man muss vom Anbieter darüber informiert werden, was beim Spielen mit den Daten passiert. Dann ist das lustige Spiel fair.

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