Wenn man in den sozialen Medien unter den Beiträgen von Influencern die Kommentare liest, gewinnt man schnell den Eindruck: Alles Verbrecher, die zu wenig arbeiten und zu viel Geld verdienen. Aber so einfach ist es nicht – denn es gibt auch die guten Influencer, von denen wir profitieren können.
Es gibt Themen, bei denen man eigentlich sofort in den Beichtstuhl marschieren müsste. In diesem Fall in den digitalen. "Herr, ich habe gesündigt. Ich finde Influencer gut." Gott sei Dank bin ich Atheist.
Jedenfalls ist es jetzt raus! Ich finde Influencer gut, ich habe sogar meine Lieblinge. Ich weiß, ich weiß – allein das Wort löst bei vielen schon Ausschlag aus. Da kommen einem Bilder von Schleichwerbung, Rabattcodes und fragwürdigen Detox-Tees in den Kopf. Und es stimmt: Das gibt es alles! Aber mir ist der boomerhaft-zynische Reflex, allen Influencern die Daseinsberechtigung abzusprechen, einfach zu billig.
Nicht immer nur Shampoo
Wer hat sich nicht schon mal über einen Tipp gefreut, der das eigene Leben leichter, schöner oder ganz einfach besser gemacht hat? Sei es ein neues Rezept für ein Brot, ein neuer Trick für die Nutzung von KI oder schlicht ein Perspektivwechsel.
Menschen wie Tahsim Durgun, der humoristisch über migrantische Lebenswelten berichtet, Sally Lisa Starken, die politische Aufklärungsarbeit betreibt, oder Lisa Niendorf, die Machtstrukturen in Universitäten kritisiert, fallen alle unter den Begriff Influencer, ohne Shampoo oder wie Kim Kardashian wangenstraffende Gesichtsgürtel zu verkaufen. Und wenn man als Follower von einem dieser drei Content Creatoren ein Buch kauft, dann wurde man zwar beeinflusst, aber eben auf eine Weise, die einen schlauer macht.
Natürlich gibt es die Sorte Influencer, die man getrost in die Tonne kloppen kann. Etwa solche, für die das Internet nur eine neue Version von 9Live darstellt: also eine Dauerwerbesendung mit schlechten Witzen. Andererseits dürfen wir den Nutzern auch genügend Eigenverantwortung zutrauen, selbst zu wissen, ob sie sich das antun wollen.
Reichweite für das Gute
Und es ist eben nur eine Seite. Auf der anderen gibt es Menschen, die ihre Reichweite nutzen, um Wissen zu teilen, Haltung zu zeigen oder ganz simpel das Leben anderer zu verbessern. Ob Aktivisten, Lehrerinnen, die KI erklären, oder schlicht jemand, der zeigt, dass man auch mit Second-Hand-Klamotten gut aussehen kann – Einfluss ist erst einmal nur ein Werkzeug. Entscheidend ist, wie man es einsetzt.
Das Vertrauen, das Menschen Influencern entgegenbringen, ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis einer seltsamen Mischung aus Nähe und Distanz: Man fühlt sich, als würde man einer Freundin zuhören, die einem etwas empfiehlt – die man aber noch nie im echten Leben getroffen hat. Ist man länger im Netz unterwegs, muss das übrigens nicht so bleiben: Ich habe schon einige Influencer im realen Leben getroffen und von ihnen Shampoo gekauft. Kleiner Scherz: Und mich sehr gut mit ihnen unterhalten.
Ein bisschen Differenzierung, bitte!
Im Grunde würde ich mir einfach wünschen, dass wir uns um ein wenig mehr Differenzierung bemühen würden. Nicht alle Influencer sind geldgeile Werbetrommler, die in Dubai sitzen und Gesichtscreme verticken.
Empfehlungen der Redaktion
Und auch wenn es diese Sorte natürlich gibt: Das Schöne am Internet ist ja, dass man selbst entscheiden kann, wem man folgen möchte – und wem nicht. Ich jedenfalls freue mich immer, wenn meine Lieblingsinfluencer mal wieder auf eine Perspektive aufmerksam machen, die ich zuvor noch nicht hatte. Oder auch auf ihr Buch, denn wer will nicht dazu beeinflusst werden, ein bisschen schlauer zu werden?
Über den Autor
- Bob Blume ist Buchautor, Content Creator und Bildungsaktivist. Auf Instagram hat er als @netzlehrer 200.000 Follower. Er ist Experte in der deutschen Medienlandschaft zum Thema Schule und Bildung und wurde bei der Verleihung der Goldenen Blogger 2022 als Blogger des Jahres ausgezeichnet. Für die Newsportale von 1&1 schreibt er über Phänomene im Netz.