Im vergangenen Jahr mussten noch mehrere Millionen Dosen Grippeimpfstoff vernichtet werden, weil sie nicht genutzt wurden. Die Hersteller produzieren 2020 deutlich mehr Serum und trotzdem müssen Ärzte momentan viele impfwillige Patienten aufgrund von Engpässen abweisen. Welche Prozesse bestimmen die lokale Verfügbarkeit des Grippeschutzes und wer sollte sich überhaupt impfen lassen?

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War es unbedacht von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, alle Bürger zur Grippeimpfung aufzufordern? Dieser Ansicht sind zumindest der Hausärzteverband und manche Apothekervereinigungen.

Durch den breiten Aufruf des Ministers würden sich aktuell deutlich mehr Deutsche impfen lassen, darunter auch viele gesunde und junge Menschen. Vielerorts sei in der Folge nicht genug Impfstoff vorhanden, um besonders gefährdete Risikogruppen zu versorgen.

Auch die Ständige Impfkommission (STIKO) teilte mit, dass ihre Empfehlung zum Grippeschutz trotz der COVID-19-Pandemie unverändert bleibt: Den besten Effekt erziele man durch eine Erhöhung der Impfquote bei Risikopatienten. Eine Impfempfehlung für die gesamte Bevölkerung sei dagegen kontraproduktiv.

Es werden große Impfstoffmengen produziert

Grundsätzlich sei in diesem Jahr eine besonders große Menge an Grippeimpfstoff vorhanden, sagt Reiner Kern von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. 26,7 Millionen Impfdosen seien von den Apotheken für diese Saison bei den Herstellern bestellt worden. Als Vergleichswert: 2019 wurden insgesamt nur 14 Millionen Impfdosen verbraucht.

Dennoch gebe es aktuell tatsächlich Engpässe in vielen Apotheken und Praxen. Das liegt laut Kern daran, dass sich sehr früh in der Impfsaison sehr viele Menschen gegen die saisonale Grippe impfen lassen.

Normalerweise zieht sich die Impfsaison über mehrere Monate von Oktober bis in den Dezember hinein. Die Impfstoffe werden sukzessive über diesen Zeitraum von den Herstellern an den Großhandel, von diesen an die Apotheken und von dort weiter an die Arztpraxen ausgeliefert.

Apotheken und Ärzte erwarten weitere Lieferungen

Da die Impfstoffe kühlpflichtig sind, werden sie nicht in sehr großen Mengen bevorratet. Viele Menschen, die sich in dieser Saison noch impfen lassen wollen, werden in den nächsten Wochen wieder die Möglichkeit dazu haben.

Ob die Gesamtmenge an Grippeimpfstoffen in diesem Jahr jedoch ausreichen wird, werde sich erst am Ende der Impfsaison zeigen. Man könne nicht so einfach größere Mengen Impfstoff nachproduzieren. "Grippeimpfstoffe herzustellen, ist ein sehr aufwändiger Prozess, der etwa ein halbes Jahr in Anspruch nimmt", sagt Kern.

Deshalb würden Apotheken üblicherweise bereits im vorangehenden Winter den Bedarf in den Arztpraxen abfragen und an die Hersteller weitergeben. Als sich im Frühjahr eine weite Verbreitung von COVID-19 abzeichnete, wurden laut Kern die Bestellmengen für den Influenza-Impfstoff erhöht. Sollte die Nachfrage auch darüber noch hinausgehen, sei es unsicher, ob alle Impfwilligen versorgt werden können.

Wer sollte sich impfen lassen?

Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine Grippeschutzimpfung nur für Risikogruppen. Dazu zählen ältere Menschen, Schwangere, chronisch Erkrankte und Menschen, die etwa aus beruflichen Gründen sehr viel Kontakt mit Grippekranken haben.

Die Grippeimpfung muss jedes Jahr aufgefrischt werden, weil sich die Erreger ständig verändern. Es gibt mehrere Virenstämme, die eine Grippe auslösen können. Von Saison zu Saison sind es unterschiedliche Stämme, die sich besonders stark verbreiten. Auch deshalb wird die Zusammensetzung des Impfstoffes laufend angepasst.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Dr. Reiner Kern, Leiter Kommunikation bei der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V.
  • Paul-Ehrlich-Institut: Saisonale Influenza-Impfstoffe
  • Ständige Impfkommission: Empfehlungen zur Grippeschutzimpfung
  • Bundesministerium für Gesundheit: Influenza
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