Bei Ex-US-Präsident Joe Biden wurde ein fortgeschrittener, hormonempfindlicher Prostatakrebs mit Knochenmetastasen festgestellt. Zwei Urologen erklären, was die Diagnose bedeutet - und warum Vorsorge lebenswichtig ist.
Die Nachricht sorgte Anfang der Woche weltweit für Aufsehen: Bei Joe Biden (82) wurde eine aggressive Form von Prostatakrebs festgestellt. Die Erkrankung wurde nach Harnwegsbeschwerden diagnostiziert, Ärzte stellten dabei bereits Knochenmetastasen fest. Der frühere US-Präsident leidet demnach an einem hormonempfindlichen Tumor - eine Form, die auf bestimmte Therapien anspricht, aber nicht mehr heilbar ist.
"Bei einem Prostatakrebs mit Knochenmetastasen handelt es sich um ein weit fortgeschrittenes Krankheitsstadium", erklärt Dr. Christoph Pies, Urologe und Autor von "Fokus Prostata" (Herbig Verlag) im Gespräch mit der Nachrichtenagentur spot on news. Knochenmetastasen treten bei Prostatatumoren besonders häufig auf - betroffen sind vor allem Wirbelsäule, Becken, Rippen oder Oberschenkelknochen. Sie können starke Schmerzen, Mobilitätseinschränkungen und ein erhöhtes Risiko für Brüche verursachen. Die Erkrankung gilt in diesem Stadium als nicht mehr heilbar, jedoch chronisch behandelbar, sagt Pies.
Auch der Urologe und Buchautor ("100 Fragen an deinen Urologen", riva Verlag) Dr. Horst Hohmuth, geht von einem langen, unbemerkten Krankheitsverlauf aus: "Ich schätze, dass die Erkrankung bereits seit fünf bis zehn Jahren besteht." Es sei schwer vorstellbar, dass ein solch fortgeschrittener Tumor bei einem US-Präsidenten nicht früher aufgefallen sei. "Aggressive Prostatakrebs-Erkrankungen zeichnen sich durch hohe Wachstumsgeschwindigkeit und frühe Metastasierung aus", erklärt er.
Was ein hormonempfindlicher Tumor bedeutet
Als positiv bewerten beide Urologen die Hormonempfindlichkeit des Tumors. Denn: "Das Wachstum des Prostatakrebses wird durch das männliche Geschlechtshormon Testosteron gesteuert", sagt Pies. Wird dem Körper dieses Hormon entzogen, lässt sich das Tumorwachstum häufig deutlich verlangsamen.
Die wichtigste Behandlungsform ist dabei die sogenannte Androgendeprivationstherapie (ADT), bei der die Wirkung des Testosterons gezielt unterdrückt wird. "Unter Hormonentzug bilden sich die Tumorzellen zurück - sie verhungern vorübergehend", ergänzt Hohmuth.
Symptome zeigen sich oft spät
Dass Biden die Diagnose erst nach Harnwegsbeschwerden erhielt, passt laut Dr. Christoph Pies ins typische Bild: "Prostatakrebs verursacht in frühen Stadien meist keine Symptome", sagt er. Erst im fortgeschrittenen Verlauf könne es zu Beschwerden wie häufigem Harndrang, Schmerzen beim Wasserlassen oder Blut im Urin kommen. Auch Rückenschmerzen oder Schmerzen im Becken seien Hinweise auf eine mögliche Metastasierung.
Wie aggressiv ein Prostatakarzinom verläuft, variiert stark. Pies betont, dass es bei älteren Männern häufig gutartige, langsam wachsende Tumore gibt, die nie klinisch relevant werden. Diese würden oft nur zufällig bei Autopsien entdeckt.
Hohmuth beschreibt diesen Unterschied mit einem Bild: Es gebe "Haustierkrebs", der sich harmlos verhält, und "Raubtierkrebs", der früh metastasiert und schwer zu kontrollieren ist. Zur Einschätzung der Aggressivität dienen unter anderem der PSA-Wert, die PSA-Verdopplungszeit und der sogenannte Gleason-Score.
Was bedeutet das für die Prognose eines 82-Jährigen wie
Im höheren Alter kämen weitere Faktoren hinzu, so Hohmuth: "Gebrechlichkeit, Organgesundheit und Therapieverträglichkeit spielen eine entscheidende Rolle." Die Behandlung ziele in diesem Fall weniger auf Heilung als auf eine möglichst lange Lebenszeit bei erhaltener Lebensqualität.
Früherkennung ist entscheidend
Beide Urologen betonen die Bedeutung der Früherkennung. Prostatakrebs sei die häufigste Krebserkrankung bei Männern über 50 - und in vielen Fällen heilbar, wenn er früh entdeckt wird. "Die PSA-Bestimmung ist dabei ein zentraler Baustein", so Pies. Er ergänzt jedoch, dass bei Männern ab etwa 75 Jahren individuell entschieden werde, ob ein PSA-Test noch sinnvoll ist - etwa anhand der zu erwartenden Lebenserwartung und des allgemeinen Gesundheitszustands.
"Prostatakrebs ist heilbar - aber der Zeitpunkt der Diagnose ist entscheidend", betont Hohmuth. Der Fall Biden könne insofern auch als mahnendes Beispiel verstanden werden: für mehr Aufmerksamkeit gegenüber Vorsorgeuntersuchungen - und für ein stärkeres Bewusstsein, dass Männergesundheit kein Tabuthema sein sollte. (ncz/spot) © 1&1 Mail & Media/spot on news