Eltern und Lehrkräfte halten die bunten Dosen, die weiße Beutel enthalten, häufig fälschlicherweise für Kaugummis oder Lippenbalsam. Davor warnt die Stiftung Kindergesundheit aktuell – und klärt über die Gefahren von Nikotinbeuteln auf.
Ganz diskret können die kleinen, weißen Päckchen im Mund zwischen Oberlippe und Zahnfleisch getragen werden. Der Inhalt: hoch konzentriertes Nikotin. Bei vielen Kindern und Jugendlichen ist es aktuell angesagt, die sogenannten Nikotinbeutel zu konsumieren. Das Nikotin wird dabei über die Mundschleimhaut aufgenommen.
Expertinnen und Experten sehen darin allerdings hohes Suchtpotenzial. In einer aktuellen Mitteilung warnt die Stiftung Kindergesundheit vor den gesundheitlichen Risiken.
Trotz Verbot leicht erhältlich und häufig konsumiert
Nikotin-Pouches, wie sie auch genannt werden, fallen in Deutschland unter das Lebensmittelgesetz. Wegen ihres hohen Nikotingehalts ist der Verkauf verboten – dennoch ist es ein Leichtes, sie zu bekommen, etwa in Online-Shops.
Nikotinbeutel versus Snus
- Snus, bekannt aus Schweden, ist ein orales Tabakprodukt. Die Beutel enthalten Tabak und Nikotin.
- Anders als das schon seit Langem bekannte Snus, enthalten Nikotinbeutel keinen Tabak, sondern ein Pulver aus Nikotinsalzen, Aromen und Trägerstoffen.
Wie aus einer Auswertung des Präventionsradars 2022/2023 der Krankenkasse DAK hervorgeht, hat bereits jeder siebte Schüler oder Schülerin im Alter von 16 und 17 Jahren schon einmal Nikotinbeutel probiert; 15 Prozent der Jungen und 10 Prozent der Mädchen gaben an, die Droge schon einmal probiert zu haben. In einer Mitteilung spricht die DAK deshalb von einem "neuen Rauschmittel-Trend bei Jugendlichen".
DAK-Präventionsradar
- Für den DAK-Präventionsradar wurden 2022 und 2023 rund 12.700 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 9 und 17 Jahren zu ihrem Gesundheitsverhalten befragt.
- Die Umfrage wurde von Lehrkräften an 83 Schulen und 927 Klassen mithilfe von Fragebögen in 14 Bundesländern durchgeführt.
Die Studie zeigt unter anderem, dass fast alle Kinder und Jugendlichen, die schon einmal Nikotinbeutel konsumiert hatten, auch mit anderen nikotinhaltigen Produkten wie Zigaretten, E-Zigaretten oder Wasserpfeifen experimentiert hatten.
Stiftung Kindergesundheit warnt vor Verharmlosung
Vor allem in sozialen Netzwerken wie TikTok werden die Produkte laut der Stiftung Kindergesundheit als vermeintlich harmlose Alltagsbegleiter oder "Leistungsbooster" beworben, häufig von Influencern mit großer Reichweite. An Schulen sei der Konsum bereits angekommen.
Viele Jugendliche seien sich der Gefahren gar nicht bewusst – stattdessen gelte der Konsum als harmlose Alternative zur Zigarette. Das liegt auch am Design: Die Dosen wirken eher wie Süßigkeiten oder Lippenbalsam. Erwachsene erkennen die Droge daher oft nicht als solche.
Die Beutel seien klein, geruchlos und leicht zu verstecken, erklären die Experten der Stiftung Kindergesundheit. Und wenn sie entdeckt werden, würden sie viele Erwachsene fälschlicherweise für Bonbons oder Kaugummi halten.
Eltern sollten aufmerksam sein
Die Experten raten Eltern, frühzeitig mit ihren Kindern über Nikotinbeutel zu sprechen und empfehlen, sich über neue Konsumformen zu informieren, auch wenn sie auf den ersten Blick harmlos erscheinen. Ein weiterer Tipp: "Sprechen Sie regelmäßig mit Ihrem Kind über das, was es in den sozialen Medien sieht oder was an der Schule kursiert."
Auch sollten Eltern mögliche Warnzeichen kennen: Diese sind häufige Übelkeit, Müdigkeit oder der plötzliche Wunsch nach mehr "Konzentration" oder "Energie". Zudem könne man sich mit anderen Eltern und Lehrkräften austauschen.
Konsum mit Folgen
"Nikotinbeutel sind kein harmloser Lifestyle-Trend, sondern ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko, besonders für Kinder und Jugendliche", warnt die Stiftung Kindergesundheit. Schon ein einziger Beutel könne Schwindel, Übelkeit und sogar Ohnmacht verursachen. Bei regelmäßigem Konsum drohe eine schnelle Nikotinabhängigkeit, mit möglichen Folgen für Herz, Kreislauf und Gehirnentwicklung.
Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) enthalten viele Produkte extrem hohe Nikotinmengen bis zu 47,5 Milligramm pro Beutel; Untersuchungen zufolge kann mindestens die Hälfte des Nikotins aufgenommen werden. Der Konsum lässt sich mit dem von herkömmlichen Zigaretten und manchen E-Zigaretten gleichsetzen, bei Verwendung von hoch dosierten Produkten wurden sogar höhere Nikotinspiegel als nach dem Konsum von Zigaretten beobachtet.
Empfehlungen der Redaktion
Das BfR sieht vor allem für Kinder und Jugendliche Risiken, da Nikotin eine suchterzeugende Wirkung habe. "Nikotin ist ein stark wirksames Nervengift", wird Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit, in der aktuellen Mitteilung zitiert. "Gerade im Jugendalter kann es die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen und das Risiko für eine lebenslange Nikotinabhängigkeit deutlich erhöhen."
Da es die Nikotin-Pouches seit 2019 gibt, sind mögliche langfristige gesundheitliche Folgen noch ungeklärt. Neben dem Abhängigkeitspotenzial könnten die Inhaltsstoffe jedoch krebserregend sein und vor allem im Bereich von Mund, Rachen und Hals rechnen Experten mit gesundheitlichen Schäden.
Verwendete Quellen
- Pressemitteilung der Stiftung Kindergesundheit: "Nikotinbeutel – ein gefährlicher Trend unter Jugendlichen"
- Bundesinstitut für Risikobewertung: "Gesundheitliche Bewertung von Nikotinbeuteln (Nikotinpouches)"
- Pressemitteilung der DAK: "Jeder siebte Schüler hat schon Nikotinbeutel probiert"