Der Fund eines abgestellten Lkw auf der Ostautobahn offenbarte ein grausames Verbrechen: Dutzende Flüchtlinge waren darin qualvoll ums Leben gekommen.

Am Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung wurde das Burgenland 2015 zum Schauplatz einer Tragödie: Am 27. August entdeckte ein Mitarbeiter der Asfinag auf der Ostautobahn (A4) bei Parndorf einen etwa 7,5 Tonnen schweren Kühl-Lkw, der in einer Pannenbucht abgestellt war. Im luftdicht verschlossenen Laderaum befanden sich die Leichen von 71 Flüchtlingen, die während der Schlepperfahrt erstickt waren. Die vier Haupttäter wurden 2019 in Ungarn zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

Den Ermittlern, die den Lkw öffneten, bot sich ein grauenhaftes Bild: 71 Menschen aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und dem Iran hatten auf engstem Raum um ihr Leben gekämpft. Beim Eintreffen der Polizei trat bereits Verwesungsflüssigkeit aus der Ladefläche. Später stellte sich heraus, dass die Flüchtlinge schon am Tag vor ihrem Auffinden auf ungarischem Staatsgebiet gestorben waren.

Es handelte sich um 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder, darunter drei Familien. Die burgenländische Justiz bezifferte den Zeithorizont, in dem die Flüchtlinge in dem Lastwagen hätten überleben können, mit nicht mehr als drei Stunden. Es dauerte Tage, die Leichen aus dem Schwerfahrzeug zu holen. Monate vergingen, bis sie identifiziert waren. Eine Person ist es bis heute nicht.

Prozess gegen 14 Angeklagte in Ungarn

Gerichtlich abgehandelt wurde der Sachverhalt in Ungarn, weil die Flüchtlinge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon dort ums Leben gekommen waren. Deshalb übernahmen die ungarischen Behörden das Verfahren. Die Flüchtlinge waren von den Schleppern an der ungarisch-serbischen Grenze übernommen und in den Lastwagen gepfercht worden. Für das Verfahren war die Staatsanwaltschaft Kecskemét zuständig, weil der Lkw dort gestartet sein dürfte.

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Die vier Hauptverdächtigen wurden im Juni 2018 zunächst zu jeweils 25 Jahren Haft verurteilt. Ein Jahr später wurden ihre Haftstrafen im Berufungsverfahren auf lebenslang erhöht. Zehn weitere Angeklagte erhielten Freiheitsstrafen zwischen vier und acht Jahren. Das Gericht betonte in der Urteilsbegründung, die Angeklagten seien sich darüber im Klaren gewesen, dass die Menschen im hermetisch abgeschlossenen Kühl-Lkw ersticken könnten. Sie wussten weiter, dass der Laderaum von innen nicht zu öffnen war. Der Tod der Flüchtlinge habe sich ereignet, da den Schleppern ihr eigenes Untertauchen wichtiger gewesen sei als das Leben der 71 Menschen.

Der Fall löste national wie international große Betroffenheit aus und hatte weitreichende politische Folgen. Nur wenige Tage nach dem Bekanntwerden des Dramas begann die große Flüchtlingswelle. Zehntausende hatten sich auf den Weg gemacht und reisten über den Balkan und Österreich weiter in Richtung Deutschland. (APA/bearbeitet von amb)