Nach dem Amoklauf in einer Grazer Schule gibt es neue Erkenntnisse zu den Todesopfern und dem mutmaßlichen Täter. Die Polizei ermittelt derzeit zu Motiv, Planung und möglichen Nachahmungstaten.
Nach dem Amoklauf des 21-jährigen Artur A. in seiner ehemaligen Schule in Graz sind neue Details zu den Todesopfern bekannt. Ein Todesopfer ist erst 14, bei den anderen handelt es sich um Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren, auch eine Lehrerin wurde getötet. Ihr Alter wurde auf APA-Anfrage nicht von der Polizei bekannt gegeben. Bis auf einen Jugendlichen mit polnischer Staatsbürgerschaft handle es sich bei den Toten ausschließlich um Österreicherinnen und Österreicher.
Die Verletzten sind laut Polizei im Alter von 15 bis 26 Jahren. Bis auf zwei Personen mit rumänischer Staatsbürgerschaft sowie eine aus dem Iran handelt es sich bei allen von ihnen um Österreicherinnen und Österreicher. Alle von ihnen waren laut der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (KAGes) am Mittwoch stabil. So befinden sich im LKH-Universitätsklinikum insgesamt noch sechs Patientinnen und Patienten.
Vier von ihnen sind noch auf der Intensivstation, zwei konnten bereits auf die Normalstation verlegt werden. Eine Person, die am Dienstag noch in kritischem Zustand war, befindet sich nun wie die anderen in stabilem Zustand.
Im LKH Graz II/West wird eine verletzte Person betreut. Dieser gehe es gut, sie sei stabil, aber weiterhin auf der Intensivstation. Im UKH Graz werden vier Patienten versorgt. Sie alle sind ebenfalls in stabilem Zustand. "Folgeoperationen sind bei einem Opfer mit Gesichtsverletzungen und einem weiteren mit Knieverletzung notwendig", hieß es am Mittwoch in einer Aussendung der KAGes.
Rohrbombe und Anschlagspläne bei Hausdurchsuchung entdeckt
Außerdem werden weitere Details zur Tat bekannt: Wie die Landespolizeidirektion am Mittwochnachmittag berichtete, seien am Wohnsitz des 21-jährigen Täters eine nicht funktionstüchtige Rohrbombe sowie offenbar verworfene Pläne für einen Sprengstoffanschlag gefunden worden. Der Anschlag habe sich dabei ebenfalls auf das Gymnasium bezogen, wie es von der Landespolizeidirektion auf APA-Nachfrage hieß. Zum Sprengstoff selbst erteilte die Polizei keine Auskunft.
Am Dienstag wurde zudem ein Abschiedsvideo, das der mutmaßliche Täter an seine Mutter geschickt hatte, entdeckt, bestätigte die Polizei am Mittwoch. Außerdem wurde ein analoger Abschiedsbrief gefunden.
Die verwendete Schrotflinte sowie die Pistole hatte der 21-Jährige legal besessen. "Er hätte sie jedoch unter keinen Umständen führen dürfen", sagte Polizeisprecher Sabri Yorgun zur APA. Die Tatwaffen werden nun kriminaltechnisch untersucht. Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Profil" war der 21-Jährige in einem Grazer Sportschützenverein aktiv und lernte dort den Umgang mit Waffen. Das bestätigte jedenfalls der Leiter des namentlich nicht näher genannten Vereins dem Magazin. Ein Sprecher der Landespolizeidirektion wollte das weder bestätigen noch dementieren, man könne lediglich auf Basis des derzeitigen Ermittlungsstandes Auskunft geben.
Medienberichte darüber, dass der Mann in der Vergangenheit gemobbt worden sein soll, wollte die Landespolizeidirektion auch am Mittwoch weiter nicht bestätigen. Auch Details zur Schulkarriere des 21-Jährigen blieben auf Nachfrage vorerst unklar, ebenso wurden Berichte über den AMS-Status des 21-Jährigen nicht von der Polizei bestätigt. Als gesichert gilt laut Polizei nur, dass der 21-Jährige den Wohnsitz bei seiner alleinerziehenden Mutter in Graz-Umgebung hatte. Sein aus Armenien stammender Vater hatte nach der Trennung nicht mehr im Haushalt gelebt.
"Derzeit läuft eine Tatrekonstruktion in der Schule", sagte Yorgun am Mittwochvormittag. Die Ermittler erhoffen sich davon jedenfalls weitere Erkenntnisse. Auch zur Anzahl der gefallenen Schüsse und den Orten der Schussabgabe innerhalb des Gebäudes verwies Yorgun auf die laufende Rekonstruktion. Mehrere Hundert Personen müssten in diesem Rahmen befragt werden. Auch die Auswertung von Spuren und Datenträgern könnte über die nächsten Tage und Wochen hinweg andauern.
Drohungen von möglichen Nachahmungstätern
Wie der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, am Mittwoch in der Früh im Interview mit dem Ö1-Morgenjournal sagte, hätten in der Zwischenzeit mehrere Nachahmungstäter den Fall für weitere Drohungen zum Anlass genommen.
"Mehrere Nachahmungstäter", wie Ruf erklärte, seien festgestellt worden. Die Landespolizeidirektion Steiermark wollte auf APA-Anfrage nicht von "Nachahmungstätern" sprechen, schließlich habe es keinen weiteren Amoklauf gegeben, "aber es gibt Verdächtige, die sich nun darauf stürzen, dass ein Amoklauf stattgefunden hat", so Yorgun gegenüber der APA.
Konkret sei am Dienstag unter anderem eine (wie bereits in den vergangenen Wochen unvollendete) Bombendrohung gegen den Grazer Hauptbahnhof eingegangen sowie am Mittwoch auch ein Drohschreiben gegen eine weitere Grazer Schule. "Natürlich haben wir Vorsichtsmaßnahmen getroffen", sagte Yorgun, ohne weiter ins Detail zu gehen. Die entsprechenden Ermittlungen gegen solche Trittbrettfahrer würden selbstverständlich parallel geführt.
Lesen Sie auch
Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krisenintervention des Roten Kreuzes waren am Mittwoch weiter gefordert. "In den nächsten Tagen werden täglich rund zehn Kollegen an den Trauerorten sein und für die Begleitung der betroffenen Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie Schüler zur Verfügung stehen", teilte Sprecher Stefan Loseries mit.
Auch die gemeinsam mit Ö3 betriebene Kummernummer (116 123) sei aufgestockt worden. Zudem fänden noch immer laufend Nachgespräche statt, hieß es vom Roten Kreuz. Allein am Dienstag waren rund 200 Eltern und Angehörige sowie 300 Schülerinnen und Schüler betreut worden.
Schulpsychologen betreuen unverletzte Schüler
Der schulpsychologische Dienst der Bildungsdirektion Steiermark betreut gemeinsam mit dem KIT die rund 300 unverletzten Schüler und Schülerinnen, deren Eltern sowie das pädagogische Personal des BORG Dreierschützengasse. "Wir werden von Schulpsychologen aus ganz Österreich unterstützt, wodurch wir auf ein Team von 30 geschulten Personen zurückgreifen können", sagte dessen Leiter, Josef Zollneritsch im Gespräch mit der APA.
Man werde jedenfalls bis Freitag vor Ort in der nahe gelegenen Helmut-List-Halle sein, ob der Schulbetrieb am kommenden Montag wieder starten kann, sei "noch in Diskussion". Neben der Betreuung vor Ort können und werden die Schulpsychologen auch von weiteren Grazer Schulen angefordert.
"Es gibt große Betroffenheit. Und es gibt vor allem auch vonseiten der Eltern große Sorge, was Wiederholungstaten anbelangt. Hier ist es wichtig, dass die Betroffenen über ihre Gefühle und Ängste sprechen können, um nachhaltige Traumatisierungen zu verhindern", sagte Zollneritsch. In den Schulen werden Einzel- und Gruppengespräche angeboten. (apa/bearbeitet von ali)
Hilfsangebote
- Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Suizid-Gedanken betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Telefonnummer 0800/1110-111 (Deutschland), 142 (Österreich), 143 (Schweiz).
- Anlaufstellen für verschiedene Krisensituationen im Überblick finden Sie hier.