Nach den Gewaltverdachtsfällen bei SOS-Kinderdorf weiten sich die Details im Falle des Tiroler Standorts Imst aus. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck prüft nun einen möglichen Anfangsverdacht.

Nach dem Aufkommen von Gewaltverdachtsfällen bei SOS-Kinderdorf weiten sich die bekannten Details im Falle des Tiroler Standorts Imst aus. Es seien "fünf Fälle von Verdacht auf Kindeswohlgefährdung" an die Kinder- und Jugendhilfe gemeldet worden, bestätigte die Organisation der APA am Freitag einen entsprechenden Bericht der "Tiroler Tageszeitung". Die Staatsanwaltschaft Innsbruck prüft nun einen möglichen Anfangsverdacht, sagte Sprecher Hansjörg Mayr der APA.

Die Vorfälle betreffen demnach den Zeitraum 2017 bis 2020 und würden sich auf das Fehlverhalten zweier Führungskräfte beziehen, teilte SOS-Kinderdorf auf APA-Anfrage mit. Damals sei es zu "Fällen von physischer und psychischer Gewalt und Fehlern in der Leitung" gekommen, räumte die Organisation ein. Details dazu könnte man aus Gründen des Opferschutzes sowie Datenschutzes nicht nennen. Vier der Fälle seien bereits Ende November 2021 an die Kinder- und Jugendhilfe gemeldet worden, der fünfte Fall im August 2022.

In der Vergangenheit sei bei der Staatsanwaltschaft in der Causa nichts anhängig gewesen, sagte Staatsanwaltschaftssprecher Mayr auf APA-Anfrage. Nun prüfe man einen etwaigen Anfangsverdacht, bei Vorliegen eines solchen würden Ermittlungen eingeleitet werden.

Interne Aufarbeitung, nun externe Kommission

Die Fälle in Imst seien indes ebenso wie jene in Moosburg intern aufgearbeitet worden, hieß es seitens SOS-Kinderdorf. Man habe sich jedenfalls daraufhin von den Führungskräften in Imst getrennt, mittlerweile arbeite der Standort unter neuer Führung sowie in einer modernisierten Struktur. Auch gebe es nun verschiedene Meldestellen, Ombudsstellen für ehemalige Betreute sowie auch eine anonyme Whistleblower-Plattform. Mit Jänner 2023 habe SOS-Kinderdorf zudem eine neue verbindliche Kinderschutzrichtlinie eingeführt, teilte die Organisation der APA mit. Die Ergebnisse der damaligen internen Aufarbeitung würden indes nun durch eine geplante unabhängige Kommission eingehend überprüft. In der kommenden Woche werde man dazu Details kommunizieren, hieß es.

Land über "verbales Fehlverhalten" informiert

Aus dem Büro von Tirols Soziallandesrätin Eva Pawlata (SPÖ) hieß es gegenüber der "TT", dass die Abteilung Kinder- und Jugendhilfe von SOS-Kinderdorf im Jahr 2021 über "verbales pädagogisches Fehlverhalten" informiert worden sei. Ein Mitarbeiter sei fristlos entlassen worden. Zudem hätte die Organisation über "gesetzte Qualitätssicherungsmaßnahmen zum Kindeswohl und zu Aufarbeitungsprozessen berichtet". Weitere Fälle seien dem Land nicht bekannt. Man sei jedenfalls um Aufklärung bemüht und werde das Gespräch mit der Leitung in Imst suchen.

Vorwürfe zu Kärntner Standort Moosburg

Nach schweren Vorwürfen gegen das SOS-Kinderdorf in Moosburg bei Klagenfurt hatte die Institution am Mittwoch eine "externe Evaluierung der Aufarbeitungsprozesse" angekündigt. Die Wiener Wochenzeitung "Falter" hatte am Dienstag über schwere Vorwürfe gegen die Einrichtung berichtet: So sollen Kinder und Jugendliche über Jahre hinweg misshandelt, eingesperrt und nackt fotografiert worden sein. Die Causa sei unter den Teppich gekehrt worden.

"Nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Jahr 2020 wurde eine umfassende Bearbeitung eingeleitet."

SOS-Kinderdorf

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SOS-Kinderdorf betonte dazu: "Nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Jahr 2020 wurde eine umfassende Bearbeitung eingeleitet." Man habe sich von Führungskräften getrennt und die inkriminierten Vorkommnisse "mit Hilfe externer Unterstützung umfassend aufgearbeitet". Die Vorwürfe, die auf die Jahre 2008 bis 2020 zurückgehen, waren in einer Studie festgehalten worden, die SOS-Kinderdorf selbst in Auftrag gegeben hatte. Die Ergebnisse wurden aber nicht veröffentlicht.

Nun stellte die Oberstaatsanwaltschaft Graz klar, dass "die angeführte Studie von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt beigeschafft werden wird". Die Strafsache werde als berichtspflichtig eingestuft, weil "wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftaten ein besonderes öffentliches Interesse besteht". (apa/bearbeitet von nap)

Hilfsangebote

  • Wenn Sie selbst von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffen sind, wenden Sie sich bitte in Österreich an die Beratungsstelle für misshandelte und sexuell missbrauchte Frauen, Mädchen und Kinder (Tamar, 01/3340 437).
  • Wenn Sie einen Verdacht oder gar Kenntnis von sexueller Gewalt gegen Dritte haben, wenden Sie sich bitte direkt an jede Polizeidienststelle.
  • Falls Sie bei sich oder anderen pädophile Neigungen festgestellt haben, wenden Sie sich bitte an das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden".
  • Anlaufstellen für verschiedene Krisensituationen im Überblick finden Sie hier.