Am 24. Mai 1930 hat der Schrecken ein Ende: Polizisten nehmen einen Serienmörder fest, der in der Öffentlichkeit gleichermaßen für Angst und Faszination sorgt und den die Medien den "Vampir von Düsseldorf" nennen. Es handelt sich um den 46-jährigen Peter Kürten, der mindestens neun Menschen getötet hat und in einigen Fällen ihr Blut trank – seine jüngsten Opfer waren erst fünf Jahre alt.

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Peter Kürtens Leben beginnt in einem Umfeld voller Gewalt und Elend. Als eines von 13 Kindern wird er am 26. Mai 1883 in Mülheim geboren, das heute zu Köln gehört. Schon ein Jahr später zieht die Familie nach Düsseldorf. Dort wächst Kürten unter katastrophalen Bedingungen auf: Sein Vater ist Alkoholiker, schlägt die Mutter und missbraucht die älteste Tochter. "Es wäre wohl niemand, der in meinen Kinderschuhen gesteckt hätte, unbeschadet durchs Leben gegangen", gibt Kürten später zu Protokoll.

Früh wird er gewalttätig und es zeigen sich seine sadistischen Neigungen. Bereits als Kind tötet er Tiere aus reiner Lust. Später behauptet er, ebenfalls im Kindesalter zwei gleichaltrige Jungen beim Spielen auf einem Floß in den Rhein gestoßen zu haben – einen von ihnen so oft, bis dieser schließlich ertrank. Ob sich dieser Vorfall tatsächlich ereignet hat, ist jedoch nicht gesichert.

Im Alter von 16 Jahren geht Kürten eine Beziehung mit einer wesentlich älteren Frau ein. Er zieht in ihre Wohnung, schlägt und würgt sie während des Geschlechtsverkehrs mit ihrem Einverständnis. Kurz darauf trennt sich das Paar, doch Kürten bedroht seine Ex-Partnerin und will ihre Schlüssel rauben.

Zwölf Tage muss er dafür ins Gefängnis, eine schier endlose Zahl von Straftaten folgt: Er legt Brände, verübt Körperverletzungen, Vergewaltigungen, Diebstähle, Unterschlagungen, begeht Fahnenflucht und vieles mehr. Zwischen 1900 und 1928 sitzt er insgesamt 20 Jahre im Gefängnis. Dadurch entgeht er während des Ersten Weltkriegs der Einberufung an die Front.

Eine Neunjährige ist Peter Kürtens erstes Opfer

Rund ein Jahr vor Kriegsbeginn begeht Kürten seinen ersten eindeutig ihm zuzuordnenden Mord. Am 25. Mai 1913 bricht er in Mülheim in die Wohnung eines Gastwirts ein, würgt die schlafende neunjährige Tochter und schneidet ihr die Kehle durch. Einen Tag nach dem Mord kehrt Kürten zur Gastwirtschaft zurück und lauscht stundenlang den Gesprächen über die Tat. Gefasst wird er nicht.

Zehn Jahre später heiratet er Auguste Scharf, die ebenfalls vorbestraft ist. Von den Morden und zahlreichen weiteren Mordversuchen, die ihr Ehemann in den folgenden Jahren begeht, ahnt jedoch auch sie lange Zeit nichts.

Am 3. Februar 1929 überfällt Kürten eine Frau und verletzt sie mit einer Schere schwer. Er glaubt, sie getötet zu haben – doch das Opfer überlebt. Sechs Tage später verübt er den ersten von insgesamt acht Morden, die er ab diesem Zeitpunkt bis einschließlich November 1929 begeht.

Eine Neunjährige hat sich verlaufen, Kürten bietet ihr an, sie nach Hause zu bringen. In der Nähe seiner Wohnung sticht er mehrfach mit einer Kaiserschere auf das Mädchen ein. Ein offenbar geisteskranker Arbeiter gesteht beide Taten, sodass Kürten nicht in Verdacht gerät.

Peter Kürten trinkt das Blut mancher Opfer

Nur drei Tage später tötet Kürten erneut – diesmal einen 54-jährigen Mann, der in der Nacht auf dem Weg zu seinem Schrebergarten ist. Offenbar versucht Kürten dabei erstmals, das Blut seines Opfers mit dem Mund aufzunehmen.

Ein halbes Jahr später, am 11. August, folgt der nächste Mord. Kürten verbringt zunächst den Tag mit einer Hausangestellten, lockt sie dann auf ein abgelegenes Wiesenstück und ersticht sie – erneut nutzt er eine Kaiserschere. Er trinkt ihr Blut, erbricht es jedoch wieder.

Knapp zwei Wochen später findet Kürten weitere Opfer: Zwei Mädchen, fünf und 13 Jahre alt, verlassen ein Schützenfest über einen Feldweg. Kürten folgt ihnen und spricht sie an. Er schickt die Ältere los, um Zigaretten zu holen, erwürgt dann die Jüngere und schneidet ihr die Kehle durch. Die 13-Jährige sticht er nach ihrer Rückkehr mit einem Dolch nieder.

Im September und Oktober tötet er zwei Frauen mit Hammerschlägen auf den Kopf. Im November sticht er mehrfach auf ein fünfjähriges Mädchen ein, versucht, das austretende Blut zu trinken, vergewaltigt sie und legt die Leiche in einem Gebüsch ab. Das Trinken von Blut gehört zu Kürtens ausgeprägten Neigungen. Im Dezember schneidet er einem Schwan im Hofgarten die Kehle durch und nimmt auch hier das Blut des Tieres zu sich.

"Der Vampir von Düsseldorf" löst Angst und Faszination aus

Dass der Serienmörder, der in diesem Zeitraum weitere Mordversuche begeht, über Monate hinweg nicht gefasst wird, führt im Rheinland und darüber hinaus zu einer Panik. Polizei und Bürgerwehren patrouillieren durch die Stadt. Regisseur Fritz Lang greift die Ereignisse umgehend in seinem Film "M – Eine Stadt sucht einen Mörder" auf. Auch internationale Medien berichten über den "Vampir von Düsseldorf".

Der Begriff trägt maßgeblich zur Sensationsberichterstattung bei. Die Bezeichnung und die blutigen Details der Taten verstärken das Bild eines monströsen Ungeheuers, das zugleich Angst und Faszination in der Öffentlichkeit auslöst.

Es gibt 15.000 Mark Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen. 12.000 Hinweise gehen bei der Polizei ein. Der Fall gehört zu den ersten in Deutschland, in dem ein Täterprofil erstellt wird, und Kürten ist durch zahlreiche Vorstrafen polizeibekannt. Warum wird er nicht gefasst? Einer der Gründe: Obwohl er auf grausame Weise tötet, lässt sein äußeres Erscheinungsbild nicht darauf schließen, dass Kürten ein Mörder ist.

Er trägt stets eine Bürste bei sich, um seinen Anzug zu pflegen, seine Schuhe sind sauber, er wirkt charmant und kultiviert. Auch deshalb sind – mit einer Ausnahme – junge Mädchen und Frauen seine Opfer. Sie halten Kürten für vertrauenswürdig. Ein weiterer Grund: Kürten schminkt sich bei seinen Taten. Aufgrund der Aussagen überlebender Opfer und anderer Zeugen geht die Polizei von einem zehn bis zwanzig Jahre jüngeren Täter aus.

Festnahme über Umwege

Erst ein Zufall führt schließlich zur Verhaftung. Im Mai 1930 wird die Hausangestellte Maria Butlies von einem Mann belästigt. Kürten tritt als vermeintlicher Retter auf – vergewaltigt sie jedoch später in einem Wald. Butlies überlebt und berichtet einer Freundin in einem Brief von dem Vorfall. Das Schreiben landet versehentlich bei einer falschen Adressatin, die es zur Polizei bringt.

Die Ermittler machen Butlies ausfindig. Am 21. Mai soll sie die Polizisten zu der Wohnung des Mannes führen, der sie angegriffen hat – zu diesem Zeitpunkt geht es noch ausschließlich um das Sexualverbrechen. Da Butlies sich nicht sicher ist, ob es sich um das richtige Haus handelt, kehrt sie später allein zurück. Dort wird sie von Kürten gesehen – und der verfällt in Panik. Eines seiner Opfer weiß, wo er wohnt, und könnte ihn identifizieren.

Zwei Tage später gesteht Kürten seiner Frau Auguste die Taten und flieht aus der Wohnung. Auguste verrät den Polizisten, dass ihr Mann sich am nächsten Tag an der Düsseldorfer Rochuskirche mit ihr treffen wolle. Am 24. Mai wird er in der Prinz-Georg-Straße festgenommen. Kürten gesteht alle Taten, widerruft das Geständnis einmal, kehrt später aber wieder dazu zurück.

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Prozess und Hinrichtung

"Ich hatte eigentlich dauernd die Stimmung, Sie werden es Drang nennen, zum Umbringen", sagt er in seiner Vernehmung. "Ich wollte das Blut der Opfer rauschen hören. Wenn ich die Mittel dazu gehabt hätte, hätte ich ganze Massen umgebracht. Jeden Abend, wenn meine Frau Spätdienst hatte, bin ich herumgestreift nach einem Opfer."

Kürten wird der Prozess gemacht und umfassend psychologisch untersucht. Obwohl Gutachter bei ihm ausgeprägte sadistische und psychopathische Persönlichkeitsmerkmale feststellen, gilt er als voll schuldfähig.

Am 22. April 1931, rund elf Monate nach seiner Festnahme, verurteilt ihn das Gericht neunfach zum Tode, ein Gnadengesuch wird abgelehnt. Am Morgen des 2. Juli 1931 wird Kürten mit dem Fallbeil im Gefängnis Köln-Klingelpütz hingerichtet.

Verwendete Quellen