Brisantes Detail zum Fall Chemnitz: Der festgenommene tatverdächtige Iraker hätte 2016 abgeschoben werden können. Doch die Frist dafür lief ab, ohne dass er ausgewiesen wurde. Unterdessen registriert die Polizei bei Protestkundgebungen mehrere Straftaten.

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Der nach einer tödlichen Messerattacke in Chemnitz festgenommene Iraker hätte nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Chemnitz bereits im Mai 2016 abgeschoben werden können. Zuerst hatten "Welt" und "Nürnberger Nachrichten" berichtet.

Eine Abschiebung nach Bulgarien wäre zulässig gewesen, teilte das Verwaltungsgericht Chemnitz am Freitag mit. Die Abschiebung sei aber nicht vollzogen worden, weshalb die sogenannte Überstellungsfrist von sechs Monaten abgelaufen war.

Mann hatte sich in Bulgarien als Asylbewerber registriert

Der 22-Jährige sollte ursprünglich nach Bulgarien abgeschoben werden, weil er dort zunächst als Asylbewerber registriert worden war.

Ein EU-Staat hat nach der Dublin-III-Regelung die Möglichkeit, einen Asylbewerber in jenes Land abzuschieben, in dem er zum ersten Mal den Boden der Europäischen Union betreten hat. Formal ist dieses für das Asylverfahren zuständig.

Wird der Asylbewerber nicht innerhalb von sechs Monaten zurückgeschickt, wird das aktuelle Aufenthaltsland des Asylbewerbers zuständig für das Verfahren. Deshalb musste das Asylverfahren des Irakers vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) durchgeführt werden.

Das Bamf lehnte den Asylantrag ab. Dagegen wehrte sich der mutmaßliche Täter erfolgreich vor Gericht. Seit August 2017 liegt die Entscheidung wieder beim Bamf.

Bericht: Iraker legte gefälschte Papiere vor

Einem Bericht zufolge soll der Iraker in seinem Asylverfahren gefälschte Papiere vorgelegt haben. Eine Untersuchung des Bamf habe ergeben, dass zwei der von dem Mann vorgelegten Personaldokumente "Totalfälschungen" seien, berichtete der "Spiegel" am Freitag. Das Bamf äußerte sich zunächst nicht zu dem Bericht.

Der Iraker kam demnach im Oktober 2015 über die Balkanroute nach Deutschland. Der "Spiegel" berichtete unter Verweis auf die Asylakte des Mannes weiter, dass der Iraker den Bamf-Mitarbeitern erzählt habe, warum er aus der nordirakischen Provinz Ninive habe fliehen müssen: Er sei dort in ein Mädchen verliebt gewesen und habe Ärger mit dessen Vater und Onkel bekommen.

Diese hätten ihn verprügelt und ihn mit einem Messer verletzt. Das Bamf habe seine Angaben jedoch für unglaubwürdig gehalten und den Asylantrag mit Datum vom 29. August 2018 deshalb abgelehnt.

Straftaten bei Protesten in Chemnitz

Unterdessen hat die Polizei bei der Protestkundgebung der rechtspopulistischen Bewegung Pro Chemnitz am Donnerstagabend mindestens acht Straftaten registriert.

Dabei handelte es sich um Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, wie die Polizei mitteilte. Zudem erkannten die Beamten Teilnehmer wieder, die sich bei den Protesten am Montag strafbar gemacht hatten.

Gegen einen 35-Jährigen laufe ein Ermittlungsverfahren, weil er sich bei den Protesten am Montag vermummt habe. Gegen einen 37-Jährigen werde wegen des Verdachts der versuchten Körperverletzung an einem Polizisten ermittelt. Zudem soll der Verdächtige Pyrotechnik während der damaligen Versammlungen verwendet und gezündet haben.

Insgesamt war die Polizei am Donnerstagabend mit mehr als 1.200 Kräften aus mehreren Ländern und der Bundespolizei im Einsatz. Rund 900 Demonstranten waren den Angaben zufolge dem Aufruf von Pro Chemnitz gefolgt und hatten am Rande eines Bürgerdialogs mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) protestiert.

Zu dem sogenannte "Sachsengespräch" in Räumlichkeiten des Stadions waren rund 650 Menschen erschienen, darunter zahlreiche Medienvertreter aus knapp einem Dutzend Ländern. (ank/dpa)

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