In der Nacht greift Indien pakistanische Ziele an. Es gibt mehrere Tote. UN-Generalsekretär Guterres ist sehr besorgt. Eskaliert der Konflikt zwischen den beiden Atommächten?

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Bei indischen Angriffen auf Ziele in Pakistan in der Nacht auf Mittwoch sind nach Angaben des pakistanischen Militärs mindestens 26 Menschen getötet worden. 46 Menschen seien verletzt worden, hieß es zudem in einer Mitteilung des Militärs. Nach eigenen Angaben seien fünf indische Jets über Indien abgeschossen worden. Die Jets hätten Pakistan angegriffen, sagte ein pakistanischer Militärsprecher am Mittwoch. Es handele sich um drei Kampfflugzeuge vom französischen Typ Rafale, eines vom Typ MiG 29 und ein SU-Flugzeug.

Das attackierte Land hat Vergeltung angekündigt. "Pakistan hat jedes Recht, eine angemessene Antwort auf diese von Indien verhängte Kriegshandlung zu geben, und eine angemessene Antwort wird es auch gegeben", sagte der pakistanische Premierminister Shehbaz Sharif.

Zuvor hatte Indien in der Nacht mehrere Ziele in Pakistan und im pakistanisch kontrollierten Teil der Unruheregion Kaschmir angegriffen - als Reaktion auf einen Terroranschlag in der Region vor rund zwei Wochen. Wie die pakistanische Armee laut Nachrichtenagentur AFP berichtet, sollen bei dem indischen Angriff mehr als 20 Menschen ums Leben gekommen sein.

Bewaffnete Angreifer hatten dort im indisch kontrollierten Teil am 22. April auf einer Bergwiese in einer Urlaubsgegend nahe der Stadt Pahalgam 26 Menschen getötet - vorwiegend indische Touristen. Die Regierung in Neu-Delhi wirft Pakistan eine Beteiligung vor, was Islamabad zurückweist. Mit dem indischen Angriff in der Nacht zu Mittwoch (Ortszeit) eskalieren die jüngsten Spannungen zwischen den beiden Atommächten erheblich. In der Region wächst die Sorge vor einem neuen Krieg zwischen den beiden Ländern.

Auch Indien beklagt Opfer und droht

Das pakistanische Militär sprach nach dem Angriff von acht Toten und 33 Verletzten. Das Außenministerium nannte keine genaue Zahl, teilte aber mit, unter den Opfern seien Frauen und Kinder. Zuvor hatten Geheimdienstkreise von einem toten Kind in der Stadt Bahawalpur im Osten Pakistans gesprochen.

Auch Indien beklagte Opfer: Durch pakistanischen Beschuss seien im indisch kontrollierten Teil von Kaschmir mindestens drei Zivilisten ums Leben gekommen, teilte die Armee Medienberichten zufolge mit. Die pakistanische Armee habe über die Kontrolllinie hinweg willkürlich geschossen. Die indische Armee werde auf den Beschuss in angemessener Weise reagieren. Die Kontrolllinie gilt als De-Facto-Grenze und teilt Kaschmir zwischen den beiden Atommächten.

Spannungen zwischen Indien und Pakistan
Bei den indischen Angriffen wurden nach pakistanischen Angaben mindestens acht Menschen getötet, Dutzende weitere verletzt. © dpa / Asim Tanveer/AP/dpa

Indien: Ziele sind "terroristische Infrastruktur"

Das indische Verteidigungsministerium in Neu-Delhi teilte mit, die Streitkräfte hätten als Reaktion auf den Anschlag vor rund zwei Wochen mehrere Ziele in Pakistan und im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs angegriffen, "von denen terroristische Angriffe gegen Indien" ausgegangen seien. Bei den Zielen handele es sich um "terroristische Infrastruktur".

Pakistans Militär sprach von Raketenangriffen. Pakistanische Geheimdienstkreise meldeten den Abschuss von fünf indischen Kampfjets. Eine Bestätigung durch Indien gab es dafür zunächst nicht.

Den indischen Angaben zufolge wurden neun Ziele angegriffen. "Pakistanische militärische Anlagen waren nicht das Ziel." Das Verteidigungsministerium nannte die eigenen Aktionen "zielgerichtet, maßvoll und nicht eskalierend". Indien habe bei der Auswahl der Ziele und der Methode der Ausführung beträchtliche Zurückhaltung geübt, hieß es. Der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar schrieb auf der Plattform X: "Die Welt darf dem Terrorismus keine Toleranz zeigen."

Spannungen zwischen Indien und Pakistan
Bei den angegriffenen Zielen handelt es sich indischen Angaben zufolge um "terroristische Infrastruktur". © dpa / M.D. Mughal/AP/dpa

Pakistanische Geheimdienstkreise und Pakistans Armee hatten zuvor berichtet, die Städte Kotli und Muzaffarabad im pakistanischen Teil der Himalaya-Region Kaschmir sowie in der Stadt Bahawalpur in der Provinz Punjab seien Ziel der Angriffe gewesen. In Bahawalpur sei eine Moschee getroffen worden.

Pakistan schloss nach den Angriffen aus Indien seinen Luftraum für 48 Stunden. Das teilte ein Sprecher der zivilen Luftfahrtbehörde der Deutschen Presse-Agentur auf Nachfrage mit. Der Flugbetrieb der Flughäfen Islamabad und Lahore sei zudem bis auf weiteres eingestellt.

Guterres sehr besorgt

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich nach den Angriffen "sehr besorgt"."Die Welt kann sich eine militärische Konfrontation zwischen Indien und Pakistan nicht leisten", sagte er laut einer Mitteilung seines Büros am Dienstag (Ortszeit). Er rief beide Atommächte zur militärischen Zurückhaltung auf.

UN-Generalsekretär António Guterres
UN-Generalsekretär Guterres ist über die jüngste Eskalation sehr besorgt. (Archivbild) © dpa / Til Buergy/KEYSTONE/dpa

US-Präsident Donald Trump äußerte seine Hoffnung, dass der Konflikt zwischen den beiden Atommächten nicht weiter eskaliert. "Ich hoffe nur, dass es sehr schnell endet", sagte Trump bei einer Veranstaltung im Weißen Haus mit Blick auf den Angriff. Außenminister Marco Rubio schrieb auf der Plattform X, er werde weiter sowohl die indische als auch die pakistanische Führung auf eine friedliche Lösung hinweisen.

China forderte beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Man bedauere die Militäraktion Indiens und sei über die Entwicklung der Lage besorgt, teilte ein Sprecher des Außenamtes in Peking mit. China fordere beide Seiten auf, Frieden und Stabilität Vorrang einzuräumen und weitere Handlungen zu vermeiden, die die Lage verkomplizieren würden. Während das chinesisch-indische Verhältnis unter anderem wegen Grenzkonflikten im Himalaya-Gebirge als äußerst angespannt gilt, unterhält Peking enge Wirtschaftsbeziehungen zu Pakistan.

Langer Streit um Himalaya-Region

Seit dem Anschlag vor rund zwei Wochen überzogen sich beide Länder mit Strafmaßnahmen, wiesen unter anderem Staatsbürger der jeweils anderen Seite aus und reduzierten die diplomatischen Beziehungen. Experten stuften besonders Indiens Entscheidung als schwerwiegend ein, den sogenannten Indus-Wasservertrag mit dem Nachbarn auszusetzen.

Der Vertrag regelt die Wassernutzung beider Seiten des Indus und seiner Nebenflüsse. Islamabad nannte die Aussetzung des Vertrags eine Kriegshandlung und drohte mit entsprechenden Gegenmaßnahmen.

Konflikt zwischen Indien und Pakistan
Indische paramilitärische Soldaten bewachen einen Garten am Stadtrand von Srinagar im indisch kontrollierten Kaschmir. (Archivbild) © dpa / Mukhtar Khan/AP/dpa

Die Kaschmir-Region im Himalaya ist zwischen Pakistan und Indien geteilt - beide beanspruchen aber das ganze Gebiet für sich. Die Ursprünge des Konflikts reichen bis in die Kolonialzeit zurück. 1947 entließen die Briten den indischen Subkontinent in die Unabhängigkeit und teilten diesen auf. Aus der Teilung entstand neben dem überwiegend hinduistischen Indien der neue Staat Pakistan für Muslime. Die gewaltvoll verlaufene Teilung nährt bis heute eine erbitterte Rivalität. Seit ihrer Unabhängigkeit führten beide Länder drei Kriege gegeneinander, zwei davon um Kaschmir. (dpa/bearbeitet von mbo)

Teaserbild: © dpa / K.M. Chaudary/AP/dpa