Durchbruch in Ägypten: US-Präsident Donald Trump verkündet eine erste Einigung in den Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas. Demnach sollen alle israelischen Geiseln freikommen, im Gegenzug palästinensische Häftlinge. Doch der Nahost-Experte Simon Wolfgang Fuchs sieht noch viele offene Fragen.
Seit zwei Jahren tobt der Krieg im Gazastreifen: Am 7. Oktober 2023 hatte die radikalislamische Hamas einen nie dagewesenen Angriff auf Israel verübt und mehr als 200 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Die israelische Regierung reagierte mit einem Krieg gegen die Hamas, der auch die Zivilbevölkerung im Gazastreifen in großes Leid stürzte. Doch nun gibt es einen Silberstreifen am Horizont.
Israel und die Hamas haben der ersten Phase des Friedensplans von US-Präsident Donald Trump zugestimmt. Was bedeutet diese Einigung? Der Islam-Wissenschaftler Simon Wolfgang Fuchs von der Hebräischen Universität Jerusalem ordnet die Geschehnisse für unsere Redaktion ein.
Herr Fuchs, die israelischen Geiseln sollen freikommen: Israel und die Hamas haben sich unter Vermittlung in Ägypten auf die erste Phase des Friedensplans geeinigt. Ist das ein Durchbruch?
Simon Wolfgang Fuchs: Die Einigung ist insofern ein Durchbruch, als dass es mit dem Beginn der Offensive auf Gaza-Stadt und mit dem israelischen Angriff auf Katar eigentlich so schien, als sei jegliche Verhandlungslösung in sehr weite Ferne gerückt. Nur durch massiven Druck von Seiten der Golfstaaten und auch von Seiten der USA ist es jetzt gelungen, das Ruder nochmal rumzureißen.
Ein Tag der Freude also?
Ja, sowohl für Israelis als auch für Palästinenserinnen und Palästinenser im Gazastreifen. Aber: Es bleibt die Frage, ob das Ganze nachhaltig ist und ob wir je über diese erste Phase hinauskommen.
War es richtig, die Heimkehr der Geiseln zu priorisieren?
Die Familien der Geiseln sind wie aus einem Albtraum erwacht. Manche haben es gar nicht mehr für möglich gehalten, ihre geliebten Menschen jemals wiederzusehen. Es soll jetzt auch nicht zu einer weiteren quälenden Wartezeit kommen, bei der Geiseln Stück für Stück ausgetauscht werden, sondern sie sollen alle auf einmal freikommen. Ich würde aber nicht unbedingt sagen, dass die israelische Regierung das über lange Zeit priorisiert hat. Es war jetzt nur der kleinste gemeinsame Nenner und für die Öffentlichkeit extrem wichtig.
Und ein erster Schritt Richtung "Heilung"?
Der Heilungsprozess beginnt jetzt vielleicht erst und wird noch lange dauern. Manche Geiseln kehren vielleicht nicht lebend oder schwer verletzt zurück. Auch für die Menschen im Gazastreifen gilt: Sie können den jetzigen Ankündigungen noch gar nicht trauen. Das sind Menschen, die viele Male vertrieben worden sind, die überhaupt gar keine Zukunft mehr hatten und nun hoffen.
"Alle strittigen Fragen, die eigentlich sehr verschränkt sind mit dem Geiseldeal, sind jetzt ausgeklammert worden."
Wie nachhaltig ist der jetzige Weg zum Frieden?
Eine Tatsache lässt aufhorchen: Alle strittigen Fragen, die eigentlich sehr verschränkt sind mit dem Geiseldeal, sind jetzt ausgeklammert worden. Das sind zum Beispiel die Fragen zur zukünftigen Rolle der Hamas, ihrer Entwaffnung und Fragen zum Wiederaufbau von Gaza. Hier sieht es noch nicht nach einer Einigung aus. Wenn die Hamas das aus ihrer Sicht letzte Druckmittel – die Geiseln – nicht mehr in der Hand hat, lautet die Frage: Wird die internationale Gemeinschaft, vor allem
Sind noch weitere Fragen offen?
Ja, etwa: Wird sich das israelische Militär ganz zurückziehen oder nur bis zur der Linie, die das Weiße Haus jetzt ins Spiel gebracht hat? Wie ist es um die Zukunft des Gaza-Streifens bestellt und was bedeutet eine palästinensische Staatlichkeit?
Was passiert, wenn die Verhandlungen jetzt verharren und die Hamas ihre Waffen nicht abgibt?
Das ist jetzt die große Gefahr – dass nach dem Geiselaustausch nun alles ins Stocken gerät. Die Frage ist auch: Wird sich der israelische Premier Benjamin Netanjahu von seinen rechtsradikalen Koalitionspartnern unter Druck setzen lassen? Sie haben gesagt, sie stehen für weitere Verhandlungen eigentlich nicht zur Verfügung. Oder wird Netanjahu das Sicherheitsnetz, das ihm die Opposition spannt, akzeptieren? Die nächsten Stunden und Tage sind entscheidend.
Donald Trump wünscht sich den Friedensnobelpreis. Wie stehen seine Chanchen?
Das Timing ist für Donald Trump ein bisschen schlecht – der Friedensnobelpreis soll morgen verkündet werden. Ich bin mir nicht sicher, ob das Komitee die jetzige Einigung bereits als Beleg reicht. Wir sind von einem Frieden noch extrem weit entfernt. Dafür müsste noch viel mehr passieren, es müsste einen Plan für den Gazastreifen geben und für das Zusammenleben von Juden und Palästinensern.
Über den Gesprächspartner
- Dr. Simon Wolfgang Fuchs ist Professor für Islam im Nahen Osten und Südasien an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Der Nahost-Experte arbeitet zum modernen Islam im Nahen Osten, Südasien sowie in globalen Kontexten.