Sie stürmen das ORF-Landesstudio Tirol und hissen dort eine Palästina-Flagge: Mehrere Demonstranten beschweren sich so über die Berichterstattung des Senders zum Nahostkonflikt. Die Aktivisten melden sich auch per E-Mail zu Wort.
Neun pro-palästinensische Aktivisten sind Freitagvormittag in das Landesstudio des ORF Tirol am Innsbrucker Rennweg eingedrungen. Dort stiegen die vermummten Verdächtigen unter anderem auf das Dach, hissten Palästina-Fahnen und protestierten gegen die ihrer Ansicht nach nicht-objektive Berichterstattung. Als sie sich weigerten, ihre unerlaubte Aktion zu beenden, wurden die Aktivisten kurz vor Mittag letztlich festgenommen, sagte ein Polizeisprecher zur APA.
Auch das Sondereinsatzkommando Cobra wurde aufgeboten. Dies vor allem aufgrund der Gefährlichkeit der Situation, schließlich hätten sich vier mutmaßliche, mit einem weißen Overall bekleidete, Besetzer auf dem Dach bei der dortigen Antennenplattform befunden. Vor dem Haus war es indes zu einer nicht angemeldeten Demonstration gekommen, an der sich insgesamt 25 Personen beteiligten.
Die Aktion hatte ein Großaufgebot der Exekutive zur Folge. Die Aktivisten werden wegen mehrerer Verwaltungsübertretungen angezeigt. Auch das Vorliegen allfälliger strafrechtlicher Delikte werde geprüft, hieß es.
ORF Tirol-Chefredakteur Georg Laich erklärte gegenüber der APA, dass die Aktivisten in das Gebäude gestürmt seien. Man habe dann mit ihnen gesprochen, ihre "Anliegen entgegengenommen" und betont, dass der ORF sehr wohl ausgewogen über den Nahost bzw. Gaza-Konflikt berichte. Dann habe man die Besetzer gebeten, wieder das Haus zu verlassen, was aber nicht freiwillig passierte.
Der Sendebetrieb sei auch wegen der Sicherheitsvorkehrungen im Haus nicht betroffen gewesen. Die Besetzer gelangten nicht in die Redaktionsräume, sondern hielten sich - außer auf dem Dach - auch im Empfangsbereich im Parterre auf.
Bengalische Feuer und "Freiheit für Palästina"-Rufe
Die Aktivisten auf dem Dach hissten eine große Fahne und daneben eine kleinere mit der Aufschrift "Besetzt". Auch bengalische Feuer wurden gezündet sowie "Freiheit für Palästina" skandiert. Die Gruppe hatte sich bereits kurz nach Beginn der Aktion per E-Mail zu Wort gemeldet. Dabei sprach man von 14 Mitgliedern, die den ORF Tirol "besetzt" hätten.
"Nach fast zwei Jahren Völkermord in Palästina haben wir beschlossen, den österreichischen Rundfunk in Tirol zu besetzen. Wir klagen damit den österreichischen Staat und die österreichische Presse für ihre Mittäterschaft an", so die Besetzer in der der APA vorliegenden Stellungnahme. Man fordere einen Stopp der "Verharmlosung des Völkermords im Gazastreifen durch die Medien".
Der ORF müsse das israelische Vorgehen als "Genozid" benennen. Zudem wehre man sich gegen die "Verdrehung des Antisemitismusbegriffes": "Die Mitschuld Österreichs am Holocaust darf nicht zur Rechtfertigung des Völkermords in Gaza benützt werden."
Verurteilung von ÖVP-Mair, FPÖ-Abwerzger: Song Contest in Innsbruck wäre "Sicherheitsrisiko"
Die Besetzung des Landesstudios hatte indes auch landespolitische Reaktionen zur Folge. Eine scharfe Verurteilung kam von Tirols Sicherheitslandesrätin Astrid Mair (ÖVP). Das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Demonstration sei zwar ein Grundpfeiler unserer Demokratie, erklärte Mair, aber: "Das unbefugte Eindringen in öffentliche Gebäude überschreitet klar eine rote Linie. Dieses Vorgehen ist auf das Schärfste zu verurteilen. Solche Aktionen gefährden nicht nur die öffentliche Ordnung, sondern untergraben auch die Glaubwürdigkeit legitimer Anliegen."
Als eine "Sauerei" bezeichnete Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger gegenüber der APA die Aktion. Die "zunehmend anti-israelische Stimmung" sei "mehr als bedenklich". Hier brauche es jetzt endliche ein "klares Signal der Politik" sowie ein generelles Verbot von "Pro-Hamas-Demonstrationen".
Indes sprach sich Abwerzger in diesem Zusammenhang auch gegen die von der Stadtführung gewollte Austragung des Song Contests im kommenden Jahr in Innsbruck aus: "Das wäre traurigerweise ein Sicherheitsrisiko." Die Sicherheit könne angesichts der "zunehmenden radikalen und israelfeindlichen linksextremistischen Kräfte in Tirol und besonders Innsbruck" sowie der Agitation "vieler Künstler" des ESC gegen Israel und das israelische Volk nicht mehr gewährleistet werden.
Mit "Die Revolution frisst ihre Kinder" kommentierten unterdessen FPÖ-Stadtparteiobmann Rudi Federspiel und der freiheitliche Stadtrat Markus Lassenberger die "Stürmung" des ORF Tirol durch "linksextreme Palästina-Hasardeure." Die Medien würden diese Szene "mit Samthandschuhen anfassen". Die Geister, die man rief, werde man nun nicht los. Man hoffe, dass "zumindest der ORF Tirol nun aufgewacht ist."
Bundes-Grüne "besorgt über Eskalation der Debatte in Österreich"
Unterdessen meldeten sich auch die Bundes-Grünen zu Wort. Die stellvertretende Klubobfrau und Mediensprecherin Sigrid Maurer sowie die außenpolitische Sprecherin, Meri Disoski, zeigten sich in einer Aussendung "besorgt über die Eskalation der Debatte in Österreich rund um den Nahost-Konflikt." Der Vorfall in Innsbruck mache "deutlich, wie emotional aufgeladen und angespannt die Auseinandersetzung rund um den Nahost-Konflikt auch hierzulande ist." So "verständlich das Bedürfnis nach Sichtbarkeit und Gerechtigkeit" sei - das Eindringen in ein Medienhaus ist aus demokratiepolitischer Sicht nicht akzeptabel", erklärte Disoski. Kritik an Medienberichterstattung sei "legitim und wichtig", sie dürfe jedoch nie in "Druck oder Einschüchterung von Journalist:innen münden." (APA/bearbeitet von ank)