Vor kurzem war noch die Rede von möglichen Friedensverhandlungen im Ukrainekrieg. Jetzt spricht das russische Militär bereits von "Herbstoffensive" und offenbart dabei das mögliche Endziel ihres Ukraine-Feldzugs.

Während westliche Staaten auf Friedensverhandlungen drängen, macht Russlands Militärführung deutlich, dass der Krieg in der Ukraine mit unverminderter Härte fortgesetzt werden soll. Generalstabschef Waleri Gerassimow verkündete jüngst eine neue Phase der russischen Invasion mit konkreten Zielen für die kommenden Monate. "Heute legen wir die Aufgaben fest für die Gruppen der Streitkräfte, die auf die Herbstperiode gerichtet sind", erklärte der hochrangige Militär in einem Video des russischen Verteidigungsministeriums.

Gerassimow präsentiert russische Gebietskontrolle

In seiner Darstellung der aktuellen Lage behauptete Gerassimow, dass russische Streitkräfte mittlerweile 99,7 Prozent des ukrainischen Gebiets Luhansk kontrollieren würden. Im Gebiet Donezk seien es 79 Prozent, in Cherson 76 Prozent und in Saporischschja 74 Prozent. Diese Zahlen lassen sich von unabhängiger Seite nicht überprüfen.

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Moskau fordert als Voraussetzung für einen Waffenstillstand, dass sich die ukrainischen Streitkräfte vollständig aus dem Gebiet Donezk zurückziehen und die Region der russischen Armee überlassen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lehnt diese Forderung kategorisch ab – nicht zuletzt, weil die von der Ukraine gehaltenen Städte Slowjansk und Kramatorsk als wichtige Verteidigungsbastionen gelten. Als Reaktion droht der Kreml mit der Eroberung dieser Städte.

Lagekarte offenbart möglicherweise weitreichende Pläne

Besondere Aufmerksamkeit erregt nun ein Detail aus dem am 30. August veröffentlichten Video. Während Gerassimows Ausführungen über die bisherigen Erfolge der russischen Offensive, ist im Hintergrund eine Lagekarte zu sehen, die über die bisher offiziell beanspruchten Gebiete hinauszugehen scheint. Wie n-tv.de berichtet, sind auf der Karte neben den bereits annektierten Regionen Krim, Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson auch die Regionen Odessa und Mykolajiw rot markiert.

Auf der Karte hinter Generalstabschef Waleri Gerassimow (r.) reicht Russlands besetztes Gebiet in der Ukraine bis nach Moldau. © Screenshot dpa-Video

Auffällig dabei: Die Markierung endet nicht am Fluss Dnipro, der seit Monaten als natürliche Frontlinie zwischen ukrainischen und russischen Truppen fungiert, sondern verläuft weiter bis zur Staatsgrenze zu Moldau und Rumänien – und umfasst damit die gesamte ukrainische Schwarzmeerküste.

"Die Karte an der Wand im Büro des russischen Generalstabschefs Gerassimow spiegelt wahrscheinlich die militärischen Ziele Russlands in der Ukraine wider", schreibt der Korrespondent des "Wall Street Journal", Jaroslaw Trofimow, auf X.

Experten sehen Hinweis auf strategische Ziele Russlands

Militärexperten interpretieren diese Darstellung als möglichen Hinweis auf weiterreichende Kriegsziele des Kremls. Der rumänische Kriegsberichterstatter Radu Hossu kommentierte: "Es ist kein Geheimnis mehr, dass die Russen bei solchen Veranstaltungen Symbolik und Informationen verwenden, die sie öffentlich machen wollen." Russland strebe demnach danach, das Donaudelta zu erreichen und direkt an Rumänien zu grenzen.

Sollte Moskau tatsächlich planen, die gesamten Regionen Cherson, Mykolajiw und Odessa zu erobern, würde dies für die Ukraine den vollständigen Verlust ihres Zugangs zum Schwarzen Meer bedeuten – mit katastrophalen wirtschaftlichen Folgen. Die sieben von Russland potenziell beanspruchten Regionen würden zusammen etwa 32 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets ausmachen. Derzeit kontrolliert Russland nach Experteneinschätzungen rund 19 Prozent der Ukraine, wobei von den annektierten Regionen nur die Krim vollständig unter russischer Kontrolle steht.

Gegenseitige Vorwürfe behindern Friedensprozess

Die Aussagen Gerassimows stehen im deutlichen Widerspruch zu den Forderungen etwa von US-Präsident Donald Trump, den Krieg rasch zu beenden. Zwischen Moskau und den europäischen Staaten verhärten sich derweil die Fronten durch gegenseitige Schuldzuweisungen.

Das russische Delegationsmitglied bei den bisherigen Verhandlungen, Kirill Dmitrijew, warf den Europäern vor, den Ukraine-Konflikt durch nicht erfüllbare Forderungen in die Länge zu ziehen. "Die EU sollte aufhören, den Friedensprozess zu sabotieren", sagte er laut dpa. Besonders kritisiert Moskau die europäischen Pläne, Truppen zur Absicherung eines möglichen künftigen Friedens in die Ukraine zu entsenden – Russland lehnt die Präsenz von NATO-Vertretern kategorisch ab.

Die europäische Seite wiederum beschuldigt den Kreml einer Verzögerungstaktik. Russland versuche mit der Aussicht auf Verhandlungen und immer neuen Fristen lediglich Zeit zu gewinnen für weitere militärische Vorstöße, heißt es aus Kiew und europäischen Hauptstädten.

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Nach mehr als dreieinhalb Jahren des zerstörerischen russischen Angriffskrieges scheinen direkte Gespräche zwischen den Kriegsparteien damit weiterhin in weiter Ferne zu liegen – während Moskau offenbar an einer weiteren Eskalation des Konflikts arbeitet. (bearbeitet von the)

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Verwendete Quellen

Teaserbild: © IMAGO/ZUMA Press Wire/Vyacheslav Prokofyev/Kremlin Poo