Wie lange soll die nächste Waffenruhe zwischen Russland und der Ukraine dauern? Moskau will nur drei Tage im Mai. Kiew vermutet, dass es dabei nur um eine ungestörte Siegesparade gehen soll. Medien berichten zudem von qualvoller Folter gegen eine ukrainische Journalistin.

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Ungeachtet aller Diskussionen über eine mögliche Waffenruhe hat Russland die Ukraine in der Nacht mit schweren Drohnenangriffen überzogen. Die ukrainischen Streitkräfte meldeten zeitweise Luftalarm im ganzen Land. Allein die Großstadt Charkiw im Osten dicht an der russischen Grenze wurde nach Behördenangaben von mehr als 15 Kampfdrohnen attackiert. Die Zahl der Opfer stieg rasch an: Kurz nach Mitternacht Ortszeit (Dienstag 23:00 Uhr MESZ) sprach Bürgermeister Ihor Terechow von mindestens 39 Verletzten. "In der Stadt sind Explosionen zu hören", schrieb er auf Telegram.

Mehrere Stadtteile seien von den Angriffen betroffen. Es gebe Schäden an Wohngebäuden, einem Krankenhaus und Einrichtungen der zivilen Infrastruktur. Charkiw, vor dem Krieg eine Millionenstadt, ist aufgrund der Nähe zur Grenze besonders häufig von russischen Luftangriffen betroffen.

Russische Drohnen weiterentwickelt

Russland setze seit Anfang 2025 weiterentwickelte Drohnen des iranischen Bautyps Schahed ein, sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft im Gebiet Charkiw, Spartak Boryssenko. Sie könnten 88 Kilogramm Sprengstoff tragen.

Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe griffen russische Drohnen auch die Städte Dnipro und Krywyj Rih sowie das Gebiet Cherson an. In Dnipro wurde nach Angaben von Gebietsgouverneur Serhij Lyssak mindestens ein Mensch getötet. Es gebe mehrere Brände in der Stadt.

Journalistin wurde in russischer Haft gefoltert

Die in russischer Gefangenschaft gestorbene ukrainische Journalistin Wiktorija Roschtschyna ist laut Medienberichten gefoltert worden. Roschtschynas Leiche sei im Februar mit Anzeichen von Folter und fehlenden Organen an die Ukraine übergeben worden, berichteten mehrere Medien, darunter der "Spiegel", die "Washington Post" und die "Ukrainska Prawda", am Dienstag unter Berufung auf ukrainische Ermittler.

Die 27-jährige Journalistin war 2023 verschwunden, als sie in der von Russland besetzten südostukrainischen Region Saporischschja zu mutmaßlichen russischen Foltergefängnissen recherchierte. Im April 2024 bestätigte Russland ihre Verhaftung, im September folgte dann die Nachricht von ihrem Tod.

Khrystyna Kotsira, Chefredakteurin des ukrainischen Nachrichtensenders Hromadske, spricht während einer Gedenkveranstaltung für die in russischer Gefangenschaft verstorbene ukrainische Journalistin Viktoria Roshchyna zur Presse. © Ukrinform/IMAGO/OLEKSANDR KLYMENKO

Bei einer Obduktion von Roschtschynas Leiche fanden Mediziner "zahlreiche Zeichen von Folter und Misshandlung", zitierten die Medien in ihrer am Dienstag veröffentlichten Recherche die Staatsanwaltschaft. Dazu gehörten eine gebrochene Rippe, Nackenverletzungen und mutmaßliche Spuren von Elektroschocks an den Füßen, erklärte der Leiter der Abteilung für die Untersuchung von Kriegsverbrechen bei der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft, Juri Belussow.

Zudem fehlten der Leiche nach Angaben aus Ermittlungskreisen mehrere Organe, darunter die Augen, der Kehlkopf und Teile des Gehirns. Möglicherweise sollten mit ihrer Entfernung Folterspuren vertuscht werden.

Verletzte in russisch besetzter Stadt Horliwka

Die russische Besatzungsverwaltung des Gebietes Donezk meldete 16 Verletzte nach einem angeblichen ukrainischen Artillerieangriff auf die Stadt Horliwka. Demnach beschoss die ukrainische Armee den wichtigen Eisenbahnknotenpunkt mit Raketenartillerie. Die Angaben beider Seiten ließen sich zunächst nicht unabhängig bestätigen.

3 oder 30 Tage Waffenruhe?

Über eine mögliche Waffenruhe wird weiterhin gestritten. Die ukrainische Seite beharrt auf einer umfassenden Feuerpause von 30 Tagen als Einstieg in eine mögliche weitergehende Lösung zur Beendigung des seit mehr als drei Jahren dauernden russischen Angriffskriegs. Dies ist auch der Vorschlag der US-Regierung von Präsident Donald Trump. Russland lehnt das ab.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine dreitägige Feuerpause vom 8. bis 10. Mai angekündigt, die das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren 1945 umfassen würde. Die Ukraine hält das für ein Täuschungsmanöver. Trumps Ukraine-Beauftragter Keith Kellogg nannte die Idee absurd. Washington hofft auf den Beginn einer längeren Waffenruhe.

Selenskyj für mehr Druck auf "Moskaus Schmerzpunkte"

Unterdessen bereitet die Ukraine nach Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj weitere Sanktionen gegen Russland vor. Sie zielten auf Rüstungsindustrie und Handel des Nachbarlandes ab sowie auf "russische Einflussnetzwerke". Dies geschehe in Abstimmung mit den europäischen Ländern und den USA, sagte Selenskyj in einer Videoansprache, ohne Details zu nennen. "Wir wählen die Schmerzpunkte in Russland aus, die Moskau am ehesten dazu bewegen, sich auf Diplomatie einzulassen", sagte er in Kiew.

Erneut forderte der ukrainische Staatschef, Russland solle sich auf eine umfassende Waffenruhe einlassen - nicht nur auf die begrenzte Feuerpause zum Weltkriegsgedenken. Selenskyj unterstellte, es gehe Moskau nur darum, die geplante Militärparade zum russischen Tag des Sieges am 9. Mai vor ukrainischen Drohnenangriffen zu bewahren. "Jetzt sind sie besorgt, dass ihre Parade infrage gestellt ist - und das zu Recht", sagte der Präsident. (dpa/afp/bearbeitet von phs)