Sozialministerin Schumann will die Sozialhilfe reformieren – ohne Kürzungen mit sozialer Kälte. Ziel seien mehr Gerechtigkeit, einheitliche Standards und mehr Sachleistungen. Eine pauschale Deckelung lehnt sie ab.

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Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) will bei dem im Regierungsprogramm geplanten Umbau der Sozialhilfe eine Reform "ohne soziale Kälte zu erzeugen und ohne Personengruppen gegeneinander auszuspielen". Es gehe darum, das System gerechter und zielgerichteter zu gestalten - zum Beispiel mit Sachleistungen - erklärte sie gegenüber der APA. Für Unmut angesichts hoher Transferleistungen im Einzelfall zeigte sie Verständnis.

Sie habe "vollstes Verständnis, dass solche Fälle bei vielen Menschen Unmut und Ärger hervorrufen - übrigens auch bei den vielen Tausenden Syrern, Afghanen und Menschen anderer Nationalitäten, die einer Arbeit nachgehen und in Österreich Steuern zahlen", sagte Schumann zu dem medial diskutierten Beispiel einer syrischen Großfamilie mit elf Kindern, die in Summe auf Sozialleistungen von rund 9.000 Euro kam. "Wer arbeitet, sollte immer mehr haben als jemand, der von Sozialleistungen lebt - das ist ein Grundprinzip", betonte sie.

Es gehe aber nicht nur um Einkommen, "sondern es geht um Teilhabe". "Nicht zuletzt deswegen braucht es faire Löhne, von denen man gut leben kann - mit fairen Arbeitsbedingungen", betonte die Ministerin. "Hier leistet die Sozialpartnerschaft seit vielen Jahren großartige Arbeit - ich werde mich dafür einsetzen, dass Sozialdumping und Ausbeutung ein Riegel vorgeschoben wird." Es sei die politische Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Leistung sich lohnt. Die Lösung sei aber nicht, Bedürftigen weniger zu geben. "Wenn jemand mit Vollzeitjob kaum über die Runden kommt, dann liegt das nicht an der Sozialhilfe. Unsere Sozialpolitik soll niemanden reich machen - aber auch niemanden im Stich lassen", betonte sie.

Keine Deckelung, zielgerichtetere Gestaltung

Eine generelle Deckelung, um Leistungen künftig zu begrenzen, wird es laut Schumann nicht geben: "Eine pauschale Deckelung unabhängig vom Bedarf wäre verfassungsrechtlich bedenklich", sagte sie. Die Ressortchefin verwies darauf, dass die dargestellten Summen stets aus mehreren Leistungen bestehen, etwa aus Mietzuschuss, Kinderbeihilfe, Schulstartgeld. Diese würden sich nach der Kinderanzahl und dem tatsächlichen Bedarf richten.

Sie stehe für Anpassungen, "die uns nicht in ein paar Jahren von Gerichten zurückgeworfen werden", blickte Schumann auf die Verfassungsmäßigkeit allfälliger Änderungen. "Wir prüfen aber, wie das System gerechter und zielgerichteter gestaltet werden kann - zum Beispiel mit Sachleistungen - ohne soziale Kälte zu erzeugen und ohne Personengruppen gegeneinander auszuspielen."

Hier sei auch wichtig zu betonen - weil es im öffentlichen Diskurs sehr oft zu kurz komme - dass 73 Prozent der Haushalte, die Sozialhilfe beziehen, sogenannte Aufstocker sind, bei denen das Arbeitseinkommen oder das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe, Alimente, Krankengeld etc. nicht zum Bestreiten des Lebensunterhaltes ausreichen. "Da reden wir also auch von Tausenden Alleinerzieherinnen oder Pensionistinnen, die sonst in der Armut landen", so Schumann. Das könne man als Politik und als Gesellschaft nicht ernsthaft wollen. "Die Sozialhilfe gemeinsam mit anderen Leistungen war und ist das soziale Netz, das wir in Österreich spannen und gespannt halten müssen, weil es die Menschen brauchen."

Zu immer wieder geäußerter Kritik, dass arbeitende Menschen mit Jobs nicht auf die Bezüge von Sozialhilfebeziehern bzw. -bezieherinnen kommen, wenn sie Kinder haben, sagte Schumann: "Das ist falsch - wenn ein Haushalt mit Einkünften nicht auf die Höhe der errechneten Sozialhilfe kommt, kann der Haushalt eben aufstocken."

Bundesweite Vereinheitlichung als Ziel

Ein wichtiges Anliegen ist der Sozialministerin die Vereinheitlichung der Geldleistungen über die Bundesländer hinweg. "Die Unterschiede sind in der Tat ein Problem - es braucht hier einheitliche Mindeststandards bei der Sozialhilfe, statt eines regionalen Fleckerlteppichs." Sie plädiert daher für eine bundesweite Lösung, die "Gerechtigkeit" schaffen soll - und zwar sowohl zwischen den Bundesländern als auch zwischen den Menschen.

Betont wurde seitens Schumann, dass die Gewährung von Sozialleistungen - auch jetzt schon - sehr wohl ausreichend kontrolliert werden. Die Auszahlung der Sozialhilfe erfolge nach einem klar geregelten Verfahren. Die Bezugsberechtigung werde regelmäßig überprüft, inklusive der Vermögens- und Einkommenslage.

Prüfen im Bedarfsfall, Arbeitsmarktintegration als Ziel

Dass es dennoch in Einzelfällen zu hoch anmutenden Summen an Sozialleistungen kommt, sei der Kinderzahl geschuldet: "Gerade bei größeren Haushalten mit Kindern summieren sich die Leistungen durch gesetzlich vorgesehene Familienbeihilfen und Zuschüsse. Dass einzelne Fälle medial herausgegriffen werden, ist verständlich - darf aber nicht den Eindruck erwecken, es gäbe hier systematische Missbräuche. Wenn es Zweifel gibt, muss natürlich geprüft werden", betonte sie.

Zentrales Ziel sei die Integration der Betroffenen am Arbeitsmarkt. Diese könne aber nicht über Nacht gelingen - das gelte besonders bei Menschen mit Fluchthintergrund. "Es braucht Deutschkenntnisse, Qualifizierungsmaßnahmen und vor allem funktionierende Kinderbetreuung, damit überhaupt beide Elternteile arbeiten könnten", betonte sie.

Hierbei brauche es auch eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) und dem Arbeitsmarktservice (AMS), um arbeitsfähige Personen möglichst rasch in passende Beschäftigungen zu vermitteln - all das sei Teil der geplanten Sozialhilfereform. "Pauschale Kritik hilft hier wenig - wir müssen strukturelle Hindernisse abbauen, nicht einzelne Familien stigmatisieren."

Bildung und Kindergrundsicherung als Weg aus der Abhängigkeit

Aufgabe der Regierung sei es, Familien nicht in dauerhafte Abhängigkeit zu bringen. Man müsse diesen "echte Perspektiven" geben. Dazu zählen laut Schumann Bildungsangebote für Kinder - daher stehe im Regierungsprogramm auch die Kindergrundsicherung (als Teil der Sozialhilfereform), damit Bildung nicht vererbt wird. Auch Sprachkurse, Qualifizierung für Erwachsene und Zugang zu leistbarer Kinderbetreuung seien nötig. Denn nur so könnten auch Mütter beruflich aktiv werden.

Oberösterreich plant eigene Reform

Oberösterreich will unabhängig von Schumanns Vorhaben noch vor dem Sommer eine Reform seines Sozialhilfegesetzes mit Fokus auf arbeitsfähige Bezieherinnen und Bezieher vorlegen, kündigte Integrationslandesrat Christian Dörfel (ÖVP) am Freitag an. Dabei gehe es "um Qualifizierung und Vermittlung. Zudem werden wir bei der Deutschpflicht nachschärfen." Die von der Ministerin genannten Eckpunkte hält er für "in Summe richtig", genau hinschauen müsse man aber bei der im Regierungsprogramm geplanten alleinigen AMS-Zuständigkeit für arbeitsfähige Bezieher. Hier bestehe die Gefahr einer bürokratischen Doppelstruktur, so Dörfel. (APA/bearbeitet von skr)