Leonore Gewessler wurde am Sonntag zur Nachfolgerin von Werner Kogler als Bundessprecherin gewählt. Kogler hatte die Partei seit 2017 geführt.
Leonore Gewessler ist neue Bundessprecherin der Grünen. Beim Bundeskongress am Sonntag in Wien wurde sie mit 96,76 Prozent der Delegiertenstimmen zur Nachfolgerin von Werner Kogler gewählt. Gegenkandidaten gab es keine. Sie nehme die Wahl "mit großer Vorfreude und Respekt" an, sagte sie unter dem Applaus der 250 Delegierten.
Gewessler, zuletzt Koglers Vize in der Partei, ist das Öko-Aushängeschild der Grünen. Erst 2019 in die Bundespolitik gewechselt, konnte sie sich in der Koalition mit der ÖVP im Umwelt-, Energie- und Verkehrsressort profilieren. Gewählt wurde sie für eine dreijährige Funktionsperiode. Gekürt wurden auch Helga Krismer, Barbara Neßler, Alma Zadić,
"Grüner Gigant"
Schon in ihrer Bewerbungsrede hatte Gewessler ihren großen Respekt für die vor ihr stehende Aufgabe betont. Schaffbar sei dies nur im Team, sagte sie und dankte Kogler: Er sei ein "grüner Gigant", von dem sie unglaublich viel gelernt habe und der immer hinter ihr gestanden sei. Nach der Wahl gab der Angesprochene das Lob zurück: "Leonore, ich bin überzeugt, wir sind überzeugt mit großer Zuversicht, dass das sehr, sehr gut werden wird mit dir an der Spitze."
Dass sie auf der Bühne stehe, während alle nur zuhörten und nickten, könne nicht mehr funktionieren, so Gewessler zuvor. Deshalb sei sie zuletzt im Land unterwegs gewesen. "Ich glaube wir brauchen das, zuzuhören, was sich die Menschen von uns wünschen, sich erwarten und auch was die Leute von uns brauchen." Es müsse Schluss sein mit "wir haben eh schon das beste Konzept". Vielmehr wolle sie die Sorgen, Hoffnungen und Träume der Menschen in konkrete Politik übersetzen.
"Corona, Krieg, Kurz"
In den fünf Jahren der Regierung mit der ÖVP habe man sich verausgabt und drei große Krisen - "Corona, Krieg, Kurz", wie Gewessler betonte - gestellt. Man habe sehr viel Energie für Überzeugungsarbeit in eine Richtung geleistet. Dabei sei zu kurz gekommen, worauf es eigentlich ankomme. Die Menschen hätten die Sorge, dass sie sich vor den Grünen immer rechtfertigen müssten. Dabei, so Gewessler, habe sie selbst ein Auto in der Garage, und ihren Ehemann habe sie "am ungrünsten Ort", nämlich in einem Flugzeug kennengelernt.
Ihr Fazit: Die Grünen wollten die Welt immer besser machen, aber man lebe in einer Welt voller Widersprüchlichkeiten. "Ich möchte, dass die Menschen nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung zu uns kommen." Auch Kogler unterstrich dies: "Wir haben eine Mission, aber wir sollten keinesfalls auftreten wie die Missionare."
Den politischen Konkurrenten sprach Gewessler dabei die Vertrauenswürdigkeit ab. SPÖ-Chef Andreas Babler sei ein klima- und sozialpolitischer "Scheinriese", die ÖVP wolle wieder russisches Gas importieren und rüttle an der Rechtsprechung im Menschenrechtsbereich, und der FPÖ gehe es nur um Problembewirtschaftung, und diese wünsche sich - angetrieben von russischer Propaganda - "eine Welt, in wir nicht mehr selber entscheiden, mit wem wir schmusen".
FPÖ: "Schlag ins Gesicht"
Die FPÖ replizierte ablehnend. "Mit Klima-Fanatikerin Leonore Gewessler setzt sich der abgehobene, von den Sorgen der Österreicher vollkommen abgekoppelte und realitätsfremde Kurs der Grünen fort", so Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung: "Gewesslers Lobesrede auf die grüne Regierungsbeteiligung der vergangenen fünf Jahre ist ein Schlag ins Gesicht der österreichischen Bevölkerung. Weiter auseinander können Eigen- und Fremdwahrnehmung, Einbildung und Realität gar nicht liegen." (apa/bearbeitet von lko)