• Nancy Pelosi hat auf ihrer Asienreise Halt in Taipeh gemacht und die taiwanesische Regierungschefin getroffen.
  • China hatte bereits im Vorfeld scharf vor der Reise gewarnt und reagierte nun mit Militärmanövern.
  • Die Stimmung zwischen Peking und Washington ist an einem neuen Tiefpunkt angekommen. Warum nehmen die USA das in Kauf und was will Pelosi in Taiwan bezwecken? Ein Experte gibt Antworten.

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Nancy Pelosi, die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, hat Tatsachen geschaffen: Ungeachtet der Drohungen Pekings hat sie die taiwanische Präsidentin Tsai Ing-Wen getroffen und ihr die volle Solidarität der USA zugesichert. Die USA würden "immer an der Seite Taiwans" stehen, sagte sie auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Die mächtigste Frau Amerikas besuchte das Parlament in Taipeh am Mittwoch (3. August), nachdem sie am Freitag mit einer Kongressdelegation in Richtung Asien aufgebrochen war. Zu Reisebeginn hatte Pelosi noch offengelassen, ob sie auch in Taipeh haltmachen würde.

Pelosi besucht Taiwan: Drohungen aus Peking

Mit dem Bekanntwerden möglicher Reisepläne hatte Peking aber bereits scharf gedroht. Chinas Präsident Xi Jinping hatte gewarnt: "Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden daran zugrunde gehen." Aus Sicht Pekings ist Taiwan eine abtrünnige Inselrepublik, die Vereinigung mit Taiwan eine "historische Mission und unerschütterliche Verpflichtung" der Kommunistischen Partei. Offizielle Kontakte anderer Länder zu der selbst verwalteten Insel lehnt China vehement ab.

Nun verschärfte das Land seine Drohungen deshalb weiter: "China wird nicht tatenlos zusehen", hieß es aus der chinesischen Führung. Peking bestellte den US-Botschafter ein und reagierte mit Manövern der chinesischen Volksbefreiungsarmee in sechs Meeresgebieten um Taiwan. Außerdem wurden "weitreichende Schießübungen" angekündigt.

Militärisches Muskelspiel von China

Wie das taiwanesische Verteidigungsministerium mitteilte, sollen 21 chinesische Kampfflugzeuge in die taiwanesische Flugverbotszone eingedrungen sein. Das wäre das größte militärische Manöver dieser Art seit der Raketenkrise 1995. Damals schoss China zur Einschüchterung Raketen über Taiwan ab, die USA schickten zwei Flugzeugträgertruppen.

Die nun betroffenen Meeresgebiete liegen nah an der Insel und könnten auch Schifffahrtsrouten beeinträchtigen. Der chinesische Vizeaußenminister Xie Feng wetterte gegenüber der Nachrichtenagentur "Xinhua": "Der Schritt ist unerhört und die Konsequenzen sind äußerst ernst". Die USA müssten "den Preis für ihre eigenen Fehler zahlen". Er forderte Washington auf, "praktische Maßnahmen" zu ergreifen, um "die negativen Auswirkungen von Pelosis Besuch in Taiwan rückgängig zu machen".

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs war in Taiwan zuletzt die Angst gewachsen, China könne den Konflikt als eine Art "Blaupause" für seine Taiwan-Politik betrachten oder darauf hoffen, dass es im Schatten des internationalen Fokus Tatsachen schaffen kann.

So sagte auch Taiwans Präsidentin bei der Pressekonferenz mit Pelosi, der Einmarsch Russlands in die Ukraine habe das internationale Augenmerk auf den Konflikt mit China um Taiwan gelenkt. Pelosi bekräftigte, man werde die "Verpflichtungen gegenüber Taiwan nicht aufgeben".

Neuer Tiefpunkt der Beziehungen zwischen China und den USA

Mehr als je zuvor sei amerikanische Solidarität entscheidend, das sei die Botschaft des Besuchs ihrer Kongressdelegation. Die USA pflegen hingegen seit dem Sieg der Kommunisten im chinesischen Bürgerkrieg von 1949 enge Beziehungen zu Taiwan. "Heute steht die Welt vor der Wahl zwischen Demokratie und Autokratie", so die US-Politikerin. Taiwan sei "eine der freiesten Gesellschaften der Welt".

Mit dem jetzigen Besuch Pelosis in Taipeh sind die amerikanisch-chinesischen Beziehungen allerdings an einem neuen Tiefpunkt angekommen. Pelosi hatte zuletzt vor einem Dilemma gestanden: Eine Absage der Reise hätte sie selbst politisch beschädigt und die Demokratische Partei vor den Zwischenwahlen angreifbar gemacht.

Was kann Pelosi bezwecken?

Was aber kann Pelosi in Taipeh überhaupt bezwecken? "Ich bezweifele, ob es klug ist, sich mit Russland und China gleichzeitig anzulegen", sagt Politikwissenschaftler Johannes Varwick. Natürlich könne man nicht alle Prinzipien aufgeben, aber kluge Politik provoziere nicht, sondern agiere besonnen und bedenke das Ende.

Aus Sicht der USA ist ein Wandel des Status von Taiwan abseits des friedlichen Wegs eine Bedrohung für den Frieden, die Sicherheit und die Stabilität im westlichen Pazifik. Seit dem russischen Angriffskrieg hatten die USA immer wieder vor einer militärischen Konfrontation mit China über Taiwan gewarnt.

Washington fühlt sich Taipeh verpflichtet. Präsident Biden hatte erstmals seit 1978 bei seiner Amtseinführung auch Vertreter Taiwans nach Washington eingeladen. Eine Art "Bündnisfall" gibt es aber nicht – der Taiwan Relations Act aus dem Jahr 1979 lässt offen, ob die USA dem demokratischen Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch beistehen würden. Auch ist Taiwan kein Mitglied der Vereinten Nationen und besitzt kaum diplomatische Verbündete.

"Der Maßstab außenpolitischen Handelns sollte mithin Besonnenheit sein und nicht die normative Frage, ob man etwas grundsätzlich machen darf oder nicht", meint Varwick. Ziel des Besuches sei das genaue Gegenteil, nämlich eine gezielte Provokation. "Damit erreicht man rein gar nichts", betont er.

Experte sieht "schweren Fehler"

Eigentlich sei die jahrzehntelange US-amerikanische Haltung der strategischen Ambiguität in der Taiwanfrage gut begründet und durchdacht gewesen. "Dies scheint aber unter Biden nicht mehr zu gelten", sagt der Experte. In dieses Bild passe der Pelosi-Besuch. Biden selbst hatte im Vorfeld allerdings gesagt, er halte den Stopp in Taipeh für "keine gute Idee".

Experte Varwick sagt zu Pelosis Reise: "Ich halte das für einen schweren Fehler. Zu argumentieren, dass China recht oder unrecht hat, ist dabei nicht die relevante Frage: In jeder Krise ist jede Seite davon überzeugt, recht zu haben." Was zähle, sei, dass Pelosis Besuch absichtlich und wissentlich Spannungen zwischen den USA und China schüren werde, zu einem Zeitpunkt, zu dem die internationale Gemeinschaft mit dem Ukraine-Krieg vor ganz anderen Herausforderungen stehe.

Über den Experten: Prof. Dr. Johannes Varwick ist Professor für Internationale Beziehungen und europäische Politik an der Universität Halle-Wittenberg.
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