Bis zu 5.000 Betten füllen die kleinen Zellen von Donald Trumps neuem Gefängnis "Alligator Alcatraz" in den Everglades von Florida. Schon jetzt berichten die Insassen von unmenschlichen Bedingungen. Menschenrechtsorganisationen schlagen Alarm und eine Expertin für Konzentrationslager fällt ein klares Urteil.
In nur acht Tagen baut die Trump-Regierung ein Gefängnis inmitten eines Sumpfgebietes in den Everglades von Florida. Die weißen Baracken schossen wie Pilze aus dem Boden. Zahlreiche Doppelbetten mit dünnen Matratzen füllen die engen Zellen. Im sogenannten "Alligator Alcatraz" wollen die USA bis zu 5000 verhaftete Migranten unterbringen.
"Wir sind wie Ratten in einem Experiment", zitiert der US-Sender CBS News einen Gefangenen. Die erste Gruppe von Häftlingen traf laut Medienberichten Anfang Juli in der Einrichtung ein. Mittlerweile sollen sich bis zu 400 Menschen dort aufhalten.
"Ich weiß nicht, warum sie das tun, ob es eine Form der Folter ist. Viele von uns haben unsere Aufenthaltspapiere und wir verstehen nicht, warum wir hier sind", erzählt er im Telefongespräch aus dem Inneren der Einrichtung.
USA: Floridas Behörden sehen kein Problem mit "Alligator Alcatraz"
Betroffene klagen über fehlende medizinische Versorgung, Maden im Essen und grelles Licht, das tags und nachts brenne. Sie seien von gigantischen Moskitos umgeben und es gebe kein Wasser, um sich zu waschen. Die Behörden streiten die Vorwürfe rigoros ab.
"Die Berichterstattung über die Bedingungen in der Einrichtung ist völlig falsch. Die Einrichtung erfüllt alle erforderlichen Standards und ist in gutem Zustand", sagt Stephanie Hartman, Leiterin der Kommunikationsabteilung der Florida Division of Emergency Management. Doch Kritiker von
Amnesty International kritisiert Trumps "Alligator Alcatraz" scharf
"Die Haftumstände bewirken, dass die Menschen ihrer Würde beraubt werden", sagt Sumit Bhattacharyya auf Anfrage unserer Redaktion. Er ist USA-Experte bei der Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" in Deutschland.
Für ihn ist schon die Tatsache, dass es sich um ein Gefängnis handelt, problematisch. Seiner Ansicht nach sollten Schutzsuchende erst gar nicht in solche gefängnisähnlichen Einrichtungen untergebracht werden, nur weil sie migriert sind. "Sie haben mit Straftäterinnen und Straftätern nichts gemein", betont er. Auf diese Weise werden Migranten pauschal kriminalisiert.
Allein die Bezeichnung "Alligator Alcatraz" sei zynisch, meint Bhattacharyya. "Dass man Fluchtversuche verhindern will, indem man Schutzsuchende inmitten von Alligatoren unterbringt, ist an Menschenverachtung kaum zu überbieten."
Migration gehörte zu den beliebten Wahlkampfthemen von Donald Trump, der seit Anfang des Jahres wieder als US-Präsident im Weißen Haus sitzt. Der Republikaner stellt Einwanderer immer wieder als gefährlich dar und beleidigt sie. So behauptete er unter anderem, kriminelle Migranten brächten schlechtes Erbgut in die USA.
Seit der 79-Jährige im Amt ist, führt die "United States Immigration and Customs Enforcement" (kurz: ICE) Verhaftungen im ganzen Land von Migranten durch, die sich angeblich illegal in den USA aufhalten. Die Rechtslage ist nicht immer ganz klar. Oft verschwinden Betroffene einfach – werden vor ihren Haustüren oder am Arbeitsplatz verhaftet. Viele von ihnen könnten in "Alligator Alcatraz" landen. Eine Einrichtung, in der Alligatoren fast wie das kleinere Übel erscheinen.
Trumps "Alligator Alcatraz" bietet wenig Schutz vor Hurrikans
Während der Sommermonate steigen die Temperaturen in Florida. "Die unausweichliche Kombination aus Hitze und Luftfeuchtigkeit, die eine Temperatur von über 100 Grad Fahrenheit (fast 38 Grad Celsius, Anm.d.Red) verursacht, wird das Atmen zur Qual machen", schreibt die "Colorado Sun". Die US-Zeitung warnt vor stechenden Insekten, Schlangen, Ratten und anderen Sumpfbewohnern.
Doch eine Bedrohung macht Kritikern besonders Sorgen: Hurrikans. Florida gehört zu den Gebieten in den USA, wo Hurrikans oft auf Land treffen. Dann könnte die gesamte Einrichtung zu einer Todesfalle für alle Eingeschlossenen werden, warnt die "Colorado Sun". Beamte des US-Bundesstaates erklären laut CNN, dass sie Evakuierungspläne für die Einrichtung für den Fall von Unwettern ausarbeiten. Prognosen des US-Senders zeigen, dass 2025 eine besonders schwere Hurrikan-Saison werden könnte.
Dazu kommt, dass es die Trump-Regierung den Meteorologen erheblich erschwert, Hurrikans vorauszusagen. Ihnen werden finanzielle Mittel gekürzt oder Informationen von Militärsatelliten verwehrt.
Derzeit besteht "Alligator Alcatraz" nur aus Notfallzelten, die laut Bhattacharyya keinen Schutz vor Hitze, Kälte oder Stürmen bieten. Diese Haftbedingungen genügen seiner Ansicht nach kaum internationalen Standards, auch wenn sich seine Organisation selbst noch kein eigenes Bild von der Situation vor Ort machen konnte.
Anwälte kritisieren, dass sie bisher keinen Zugang zu ihren Mandanten in der Haftanstalt "Alligator Alcatraz" haben. Auch demokratischen Abgeordneten wurde der Zutritt zu der umstrittenen Haftanstalt verweigert. In der "Tallahassee Democrat" heißt es, dass sie den Obersten Gerichtshof Floridas auffordern, Gouverneur Ron DeSantis zu zwingen, "sofortigen und unangekündigten Zugang" zu gewähren. Es ist fraglich, ob sich die Trump-Regierung mit "Alligator Alcatraz" auf legalem Boden bewegt.
Trumps "Alligator Alcatraz": Historikerin zieht Vergleich zu Konzentrationslager
Laut Bhattacharyya laufen schon erste Klagen gegen das Gefängnis. Aber der Ausgang sei ungewiss. "Zu oft wurden wir in diesem Jahr nun schon Zeuge von Trumps autoritärer Praxis, Gerichtsbeschlüsse zu ignorieren, wenn sie ihm nicht passen", sagt er.
Experten äußern ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Transparenz. Mark Fleming, der stellvertretende Direktor für Rechtsstreitigkeiten auf Bundesebene beim "National Immigrant Justice Center", erklärt in der New York Times, dass das Haftzentrum außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Bundesregierung liege. Damit besteht die Gefahr, dass das Zentrum zu einem "unabhängigen, nicht rechenschaftspflichtigen Haftsystem" werde.
Die Historikerin Andrea Pitzer geht einen Schritt weiter und sagt über Trumps "Alligator Alcatraz": "Nennt es ein Konzentrationslager". Die US-Autorin hat sich für ihr Buch "One Long Night: A Global History of Concentration Camps" intensiv mit Konzentrationslagern auseinandergesetzt.
In ihrem Gastbeitrag für den US-Sender MSNBC erklärt sie, dass der Zweck von "Alligator Alcatraz" dem klassischen Modell entspreche: Es gibt massenhafte Inhaftierung von Zivilisten ohne wirkliche Gerichtsverfahren. Dabei werden schutzbedürftige Gruppen aus politischen Gründen auf der Grundlage von Ethnie, Rasse, Religion oder politischer Zugehörigkeit und nicht aufgrund begangener Verbrechen ins Visier genommen.
Verwendete Quellen
- Schriftliche Stellungnahme von Bhattacharyya
- cbsnews.com: "Florida officials deny accusations of inhumane conditions at Alligator Alcatraz"
- coloradosun.com: "Alligator Alcatraz assault on detainees eclipses even the worst facilities in Colorado"
- cnn.com: "'Alligator Alcatraz': What to know about Florida’s new controversial migrant detention facility"
- eu.tallahassee.com: "Florida Democrats sue over access to 'Alligator Alcatraz' immigration detention center"
- msnbc.com: "Don’t call it 'Alligator Alcatraz.' Call it a concentration camp"
- nytimes.com: Florida Builds 'Alligator Alcatraz' Detention Center for Migrants in Everglades
Über den Gesprächspartner
- Sumit Bhattacharyya ist seit 2000 USA-Experte der deutschen Sektion von Amnesty International. Er hat unter anderem das Gefangenenlager Guantánamo von Beginn an mit begleitet und darüber zahlreiche Artikel veröffentlicht.