Kananaskis/Calgary - Wie es im Nahen Osten weitergeht, hängt vor allem an einem: Donald Trump. Der US-Präsident hat wegen der militärischen Macht der Vereinigten Staaten eine Schlüsselrolle im Konflikt zwischen Israel und dem Iran. Und genau das demonstriert der Republikaner vor den Augen der Welt.
Der 79-Jährige reist vorzeitig vom G7-Gipfel in Kanada ab und lässt die übrigen Staats- und Regierungschef zurück, die mit ihm eine gemeinsame Linie zum neuen Krieg in Nahost finden wollten. Mehr als ein knappes Statement mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner kommt dort am Ende nicht heraus. Stattdessen hinterlässt
Der Republikaner hält nicht viel von Multilateralismus und hat ein Faible für Alleingänge und Affronts. Kurz nach dem Einsteigen in seine Regierungsmaschine Air Force One in Kanada verbreitet er einen Social-Media-Post, in dem er Frankreichs Präsidenten
Macron hatte vorab mit Blick auf Trumps Abreise gesagt, es sei ein Angebot für eine Waffenruhe und Begegnungen und Gespräche unterbreitet worden. Das gefiel Trump offenbar nicht. Der Franzose liege immer falsch, ätzt er.
Deutet Trump damit an, dass die USA womöglich doch militärisch eingreifen könnten? Oder dass er nicht nur auf eine Waffenruhe hinarbeite, sondern auf ein dauerhaftes Kriegsende, auf ein neues Atomabkommen mit dem Teheran und ein Ende des iranischen Nuklearprogramms? Alles unklar.

Momentan deutet viel darauf hin, dass Trump die USA militärisch aus dem Konflikt heraushalten will, eine Verhandlungslösung anstrebt - und ein Atomabkommen mit dem Iran für möglich hält. Doch es ist nicht klar, ob er einen militärischen Konflikt für die USA am Ende abwenden kann.
Das US-Militär hat vorsichtshalber seine Präsenz in Nahost verstärkt. Und Trump sendet kryptische Warnungen an die Iraner: einen Aufruf an alle Bewohner Teherans, die Stadt zu verlassen. Drohende Vorzeichen eines möglichen US-Schlags oder ein Bluff, um den Iran zu Gesprächen zu drängen? Trump gefällt sich in der Rolle von einem, der der Welt Rätsel aufgibt.
Ein Überblick über die verschiedenen möglichen Szenarien:
Die USA werden gegen ihren Willen in den Krieg hineingezogen
Der Iran sieht die USA als Hauptunterstützer Israels in dem Konflikt bereits mit in der Verantwortung. Sollte die iranische Führung Vergeltungsschläge gegen amerikanische Stützpunkte im Nahen Osten anordnen - oder im Eifer des Gefechts ohne echte Absicht US-Ziele in der Region treffen -, dann wäre undenkbar, dass die USA nicht selbst zurückschlagen.
Trump hat mehrfach klargemacht, dass das US-Militär in einem solchen Fall mit aller Härte reagieren würden - "in nie dagewesenem Ausmaß". Damit wäre eine ganz neue und dramatische Eskalationsstufe erreicht. Derzeit sieht es aber nicht so aus, als wollte sich der - geschwächte - Iran mit den USA anlegen.
Die USA entscheiden von sich aus, in den Krieg einzusteigen
Israel verfolgt mit seinem Großangriff gegen den Iran das Ziel, das Land an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern. Experten zufolge liegen bestimmte Atomanlagen im Iran aber derart tief unter der Erde, dass für Angriffe darauf sogenannte Bunkerbrecher-Bomben nötig wären, über die nur die USA verfügen. Auch für deren Transport bräuchte es US-Equipment: nämlich B-2- und B-52-Bomber. Manche Fachleute argumentieren daher, dass Israel sein Kriegsziel ohne aktive militärische Unterstützung der Amerikaner nicht erreichen kann.

Sollte Trump anordnen, dass das US-Militär offensiv bei den Angriffen auf iranische Atomanlagen mitmacht, wäre auch das eine Eskalation von ganz neuer Qualität. Danach sieht es momentan aber ebenfalls nicht aus.
Die US-Regierung wies Berichte über angebliche amerikanische Angriffe gegen den Iran als "falsch" zurück und betonte, die eigenen Soldaten im Nahen Osten hielten weiter lediglich daran fest, sich bei Bedarf zu verteidigen. Die Nachrichtenseite "Axios" meldete unter Berufung auf Regierungskreise, Trumps Team habe mehreren Partnern im Nahen Osten mitgeteilt, dass man nicht vorhabe, sich aktiv in den Krieg einzumischen, solange keine US-Ziele angegriffen würden.
Die USA halten sich militärisch raus
Trump hat vielfach deutlich gemacht, dass er die USA nicht in neue Kriege führen will. Militärische Konflikte irgendwo auf der Welt passen nicht zu seinem "America First"-Kurs. Der Republikaner setzt zwar auf martialische Rhetorik und eine Aufrüstung des Militärs, aber eher mit dem Ziel der Abschreckung, wie er beteuert. Kurz vor dem G7-Gipfel sagte Trump mit Blick auf den Iran und Israel noch: "Manchmal müssen sie es ausfechten."
Allerdings ist Trump nicht daran gelegen, wenn der Nahe Osten in Flammen steht, ihm der Vorwurf des Kontrollverlustes anhängt und etwa Energiepreise rund um die Welt in die Höhe schießen würden, was am Ende auch seine Wähler daheim träfe. Daher ist militärische Abstinenz zwar eine Option, politisches Nichtstun aber nicht.
Die USA setzen auf Verhandlungen mit dem Iran
Die bisherigen Wortmeldungen Trumps deuten alle in diese Richtung. Trump betont seit dem Start von Israels Großangriff auf den Iran, dass ein Friedensdeal zwischen beiden Seiten möglich sei und Teheran angesichts des höheren Drucks nun vielleicht eher zu Verhandlungen über sein Atomprogramm bereit sei. Am Rande des G7-Gipfels sagte er, die Iraner wollten reden und einen Deal machen. Teheran sitze "praktisch schon am Verhandlungstisch". Er rechne mit einem Abkommen. "Sie wollen einen Deal machen, und sobald ich hier weg bin, werden wir etwas unternehmen."
Der selbst ernannte "Dealmaker" Trump versucht seit Monaten, auf dem Verhandlungsweg eine Begrenzung des iranischen Atomprogramms zu erreichen, um Teheran am Bau von Atomwaffen zu hindern - im Gegenzug für eine Lockerung der drastischen Sanktionen gegen das Land. Unter Vermittlung des Golfstaats Oman gab es dazu direkte Gespräche zwischen Washington und Teheran. Nach der militärischen Eskalation zwischen Israel und dem Iran wurde eine geplante weitere Gesprächsrunde zunächst abgesagt.
Nun will der Iran laut Trump aber an den Verhandlungstisch zurückkehren. Teheran könnte dafür zur Voraussetzung machen, dass sich die USA militärisch raushalten und Israel seine Angriffe einstellt. © Deutsche Presse-Agentur