Mehr Pflanzen, besserer Darm, gesünderes Leben? Das verspricht die "30 plants a week"-Regel. Doch was sagt die Wissenschaft zu den 30 Pflanzen pro Woche?

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30 Pflanzen pro Woche – wenn man verschiedenen Gesundheitsratgebern glaubt, sollen wir mit dieser Anzahl unserem Darmmikrobiom und damit auch unserer Gesundheit etwas Gutes tun.

Aber wie fundiert ist diese Empfehlung eigentlich? Bedeuten mehr Pflanzen automatisch mehr Gesundheit? Und wie schafft man es, eine solche Ernährungsweise in den Alltag zu integrieren?

30 Pflanzen pro Woche: Daher kommt die Empfehlung

Grundlage für diese Ernährungsweise, die unter anderem durch die Netflix-Serie "Hack your Health" und verschiedene Bücher in den Medien verbreitet wurde, ist eine Untersuchung aus den USA: das "American Gut Project". In dieser Studie wurden mithilfe von Fragebögen und Stuhlproben Daten von über 11.000 Teilnehmenden gesammelt.

Als eine der wichtigsten Erkenntnisse der Studie gilt: Menschen, die rund 30 unterschiedliche Pflanzen pro Woche zu sich nahmen, hatten eine vielfältigere Darmflora als Menschen, die nur zehn verschiedene Pflanzen aßen. Als Pflanzen galten dabei: Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte wie Quinoa oder Hafer, Nüsse, Saaten, Gewürze, Tofu, Tee, Kaffee und dunkler Kakao.

Mehr Pflanzen, besserer Darm? So einfach ist es nicht

Doch laut Ernährungsmedizinerin Daniela Kielkowski weist die Untersuchung einige Schwächen auf. "Zum einen handelt es sich bei der Studie um eine Beobachtungsstudie", so die Expertin. Die Teilnehmenden gaben ihre Ernährungsgewohnheiten über freiwillig ausgefüllte Fragebögen an, zusätzlich wurden Stuhlproben analysiert.

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"Aus solchen Studien kann man zwar vielleicht eine Korrelation herauslesen, aber man kann keine Kausalität ableiten", so Kielkowski. Einfacher gesagt: Die Daten zeigen einen Zusammenhang, etwa zwischen pflanzlicher Vielfalt und einem artenreicheren Mikrobiom. Aber sie beweisen nicht, dass das eine das andere tatsächlich verursacht. Die häufig zitierte Aussage, mehr Pflanzen würden automatisch zu einem gesünderen Mikrobiom führen, sei durch die Studie nicht belegt.

Hinzu kommt: Der Vergleich, auf dem die "30 Pflanzen pro Woche"-Empfehlung basiert, stützt sich auf eine relativ kleine Teilgruppe innerhalb der Gesamtstudie. Lediglich 41 Personen gaben an, mehr als 30 unterschiedliche pflanzliche Lebensmittel pro Woche zu essen und nur 44 Teilnehmende konsumierten zehn oder weniger.

Expertin: "Ernährung ist etwas höchst Individuelles"

Für medizinisch gesicherte Aussagen bräuchte es laut Kielkowski randomisierte, kontrollierte Studien. Doch genau diese seien in der Ernährungswissenschaft kaum durchführbar: "Man müsste je 3.000 Menschen auf je zwei Inseln sperren, zufällig in drei Gruppen aufteilen (Untersuchungsgruppe, Kontrollgruppe und Placebogruppe; Anm.d.Red.) mit exakt gleichen Bedingungen – Klima, Stresslevel, sozialem Umfeld – und sie dann zehn Jahre lang exakt gleich ernähren."

Nur so könne man wirklich nachweisen, was eine bestimmte Ernährungsweise bewirkt. Ein Aufwand, der weder ethisch noch logistisch umsetzbar ist. "Deshalb arbeiten wir in der Ernährungsmedizin bis heute fast ausschließlich mit Beobachtungsdaten", so Kielkowski.

Laut der Expertin ist das auch der Grund, warum man mit pauschalen Gesundheitsempfehlungen, wie sie häufig über Social Media verbreitet werden, vorsichtig sein sollte. "Ernährung ist etwas höchst Individuelles", so Kielkowski. Was einem Menschen guttut, kann bei einem anderen zu Blähungen, Bauchkrämpfen oder Durchfall führen.

Besonders Menschen mit Reizdarmsyndrom oder einer chronischen Darmerkrankung sollten sich vorsichtig an eine Ernährung mit vielen Ballaststoffen herantasten und nicht von einem auf den anderen Tag ihre Ernährung radikal umstellen.

"Der gesundheitliche Nutzen dieser Stoffe ist deutlich besser belegt als der Einfluss auf das Mikrobiom. Darauf sollte man sich fokussieren."

Daniela Kielkowski, Ernährungsmedizinerin

Unbestritten ist jedoch: Eine vorwiegend pflanzenbasierte, ausgewogene und vollwertige Ernährung tut den meisten Menschen gut. Pflanzen liefern nicht nur wertvolle Ballaststoffe, sondern auch Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, die entzündungshemmend, immunstärkend und cholesterinsenkend wirken können. "Der gesundheitliche Nutzen dieser Stoffe ist deutlich besser belegt als der Einfluss auf das Mikrobiom. Darauf sollte man sich fokussieren", erklärt Kielkowski.

Denn wie ein "ideales Mikrobiom" aussehen soll, ist wissenschaftlich bislang nicht eindeutig definiert. Jeder Mensch trägt eine ganz eigene bakterielle Zusammensetzung in sich, die von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird: Genetik, Geburtsart, Stresslevel, Umwelt und natürlich auch durch die Ernährung. Wie genau sich das Mikrobiom aber gezielt durch bestimmte Ernährungsformen beeinflussen lässt, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt.

Mit kleinen Schritten zu mehr Pflanzenvielfalt

Entscheidend ist deshalb weniger, welche Mikroben im Darm vorhanden sind, sondern was sie dort tun. "Ob ein Mikrobiom kurzkettige Fettsäuren produziert, das Immunsystem unterstützt oder Entzündungen reguliert – das sind die wirklich relevanten Funktionen", so die Expertin. Durch eine ausgewogene, pflanzenbetonte Ernährung lassen sich diese Prozesse durchaus positiv beeinflussen. Aber dafür muss niemand akribisch 30 verschiedene Pflanzen pro Woche zählen.

Statt streng auf die Zahl 30 zu achten, rät Kielkowski dazu, den eigenen Speiseplan schrittweise bunter zu gestalten, ohne sich unter Druck zu setzen. Oft helfe schon ein bewusster Blick auf den Einkaufszettel: Tiefkühlgemüse, neue Gewürze, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Nüsse oder frische Kräuter lassen sich ohne großen Aufwand in viele Mahlzeiten integrieren. Drei bis fünf neue Lebensmittel pro Woche reichen völlig aus. Daniela Kielkowskis Tipp, um ganz einfach verschiedene neue Pflanzen in den Ernährungsplan aufzunehmen: Smoothies.

Grüner Frühstücks-Smoothie (für 1–2 Portionen)

  • Zutaten: 1 Handvoll tiefgefrorener Spinat (ca. 50 g), 1 Handvoll tiefgefrorener Brokkoli-Röschen (ca. 80 g), 1 reife Banane, ½ Avocado, ca. 200 ml Hafermilch (je nach gewünschter Konsistenz), 1 TL Honig (optional)
  • Zubereitung: Alle Zutaten in einen leistungsstarken Mixer geben und glatt pürieren. Bei Bedarf etwas mehr Hafermilch zugeben. Direkt frisch genießen.

Eine "30 plants a week"-Challenge kann dabei aber durchaus inspirieren. Man sollte sie aber eher als kreative Anregung und nicht als starre Vorgabe verstehen. Oder wie Daniela Kielkowski es formuliert: "Man muss nicht perfekt essen, sondern bewusster."

Über die Gesprächspartnerin

  • Daniela Kielkowski ist Ärztin, Ernährungsmedizinerin und Speakerin. Ihr Medizinstudium absolvierte sie an der Freien Universität Berlin und der Charité, wo sie 2003 ihren Abschluss erhielt. Später spezialisierte sie sich auf Ernährungsmedizin und eröffnete im Jahr 2006 ihre eigene Praxis in Berlin, mit Schwerpunkt auf Ernährungsmedizin und Stoffwechselerkrankungen. Sie ist Autorin mehrerer Bücher, darunter "Die Stoffwechsel-Revolution – Abnehmen mit Kohlenhydraten".

Verwendete Quellen