Der "SkinnyTok"-Trend, der Hunger verherrlicht und potenziell sogar Essstörungen vor allem bei jungen Menschen begünstigt, wurde von Experten schon länger kritisch gesehen. Jetzt hat TikTok reagiert: Statt gesundheitsgefährdender Diättipps gibt es nun Hinweise auf Hilfsangebote. Ein längst überfälliger Schritt.
Als "schön" galt bei einem auf TikTok kursierenden Trend oft nur, wessen Knochen unter der Haut sichtbar hervortraten. Der "SkinnyTok"-Trend (Wortschöpfung aus "skinny" (dünn) und TikTok) setzte auf Hungern als Lifestyle – und verbreitete Schönheitsideale, die mit einem hohen Gesundheitsrisiko verbunden sind.
Nun reagiert die Plattform: Wer den Begriff "#SkinnyTok" in der TikTok-Suchleiste eingibt, landet ab sofort nicht mehr in einer digitalen Welt voller Kurzvideos über Diättipps, abgemagerte Körper und Schönheitsdruck, sondern auf einer Hilfeseite. Dort heißt es: "Du bist nicht allein." Außerdem wird Nutzerinnen und Nutzern ein Link zu Hilfsangeboten für Essstörungen angezeigt.
Dem "Spiegel" teilte TikTok mit, es habe "die Suchergebnisse für #SkinnyTok blockiert, da es mit ungesunden Inhalten zum Thema Gewichtsverlust in Verbindung gebracht wird". Das Unternehmen zieht damit Konsequenzen aus der wachsenden Kritik mehrerer EU-Staaten.
EU-Staaten: Trend ist große Gefahr
Die belgische Digitalministerin Vanessa Matz etwa warf TikTok Ende April vor, nicht genug gegen "SkinnyTok" vorzugehen. Der Trend sei "eine große Gefahr für die geistige und körperliche Gesundheit" von Jugendlichen. Eine einfache Warnung unter den Videos reiche nicht aus. Der Algorithmus der App könne TikTok-User in eine "Spirale aus extremen Inhalten" verstricken, so Matz. Sie forderte strengere Regulationen seitens TikTok und schloss sich damit Forderungen aus Frankreich und weiteren europäischen Ländern an.
Die Plattform wies die Vorwürfe zunächst zurück und verwies auf die bereits bestehenden Altersbeschränkungen sowie Tipps und Links zu Beratungsstellen, die etwa bei Suchbegriffen wie "Anorexie" (Magersucht) angezeigt werden. Nun erscheinen diese Hilfsangebote eben auch, wenn Nutzerinnen und Nutzer zum Trend "SkinnyTok" suchen.
"SkinnyTok"-Influencerin Liv Schmidt auf TikTok gesperrt
In einzelnen Fällen hatte TikTok bereits in der Vergangenheit reagiert: Ein Gesicht des "SkinnyTok"-Trends war lange die US-Influencerin Liv Schmidt, die in ihren Videos Tipps zur extremen Gewichtsabnahme verbreitete. Bereits seit September 2024 ist ihr TikTok-Account gesperrt, mittlerweile ist sie auch auf Instagram eingeschränkt.
Schmidt wurde vorgeworfen, Untergewicht als Schönheitsideal zu inszenieren und damit ein ungesundes Essverhalten sowie Essstörungen zu glorifizieren. Gleichzeitig erreichte sie mit ihren Inhalten Millionen Fans und wurde für zahlreiche von ihnen zum Vorbild – vor allem für Mädchen und junge Frauen.
Diese seien besonders gefährdet, sich von dem Trend beeinflussen zu lassen und eine Essstörung zu entwickeln, sagt Sabine Dohme im Interview mit unserer Redaktion. Sie ist pädagogische Fachkraft beim Versorgungszentrum ANAD, einer Anlaufstelle für Essstörungen in München. "Wobei sich auch viele Frauen mittleren Alters und in der Menopause stark davon beeinflussen lassen", ergänzt sie.
Reaktionen aus Frankreich
Das französische Ministerium für digitale Angelegenheiten betrachtet die Änderung bei TikTok in Bezug auf den Trend "SkinnyTok" als wichtigen Schritt zum besseren Schutz von Minderjährigen im Internet. "Dies ist ein erster kollektiver Sieg", schrieb Digitalministerin Clara Chappaz auf "X".
Auch Charlyne Buigues sieht darin einen bedeutenden Fortschritt. Die französische Krankenschwester mit Spezialisierung auf Essstörungen ist die Initiatorin der Petition "Stop #SkinnyTok". "Es ist ein großer Sieg, ich war sehr glücklich", sagte sie über die aktuelle Änderung. Sie berichtete gegenüber "Euronews", dass sie die TikTok-App sofort erneut installiert habe, um sich zu vergewissern, dass der Hashtag tatsächlich gesperrt wurde.
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Schon seit Anfang 2024 untersucht die EU-Kommission, ob TikTok ausreichend Schutzmechanismen für Minderjährige bietet. Dabei geht es nicht nur um Essstörungen, auch Themen wie Gewalt, Krieg und Suchtverhalten stehen auf dem Prüfstand.
Verwendete Quellen
- Material der dpa
- Interview mit Sabine Dohme
- spiegel.de: TikTok leitet #skinnytok-Anfragen auf Hilfeseite für Essstörungen um
- brigitte.de: Ist Dünnsein jetzt wirklich wieder im Trend?
- sueddeutsche.de: Leichtgewichtsprobleme
- euronews.com: Frankreich zwingt TikTok zum Verbot von #SkinnyTok
- change.org: STOP #SKINNYTOK : des vies en danger!
- X-Beitrag von Clara Chappaz