Hundebesitzerinnen und -besitzer machen sich oft Sorgen, wenn ihre Lieblinge plötzlich Gras fressen. Sollte man seinen Vierbeinern dieses Verhalten erlauben oder verbieten? Experten geben Entwarnung und erklären die Hintergründe.

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Sie beobachten es vielleicht regelmäßig bei Ihrem Vierbeiner: Der Hund schnuppert, findet einen interessanten Grashalm und beginnt genüsslich, daran zu kauen. Während manche nur gelegentlich ein paar Halme anknabbern, stürzen sich andere regelrecht auf Grasbüschel und verschlingen diese in großen Mengen.

Doch was steckt hinter diesem Verhalten - und wann sollten Hundebesitzerinnen und -besitzer tatsächlich besorgt sein?

Grasfressen gehört zu normalem Hundeverhalten

Die gute Nachricht vorneweg: "79 bis 100 Prozent der Hunde fressen gelegentlich Gras", erklärt Anna-Lena Ziese, Tierärztin für klinische Tierernährung der Medizinischen Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), gegenüber "Bayern 1". Das bedeutet, dass fast jeder Hund hin und wieder Gras zu sich nimmt – es ist also ein vollkommen normales Verhalten und in den meisten Fällen kein Grund zur Beunruhigung.

Eine Studie bestätigt dies "Erste Hilfe beim Hund" zufolge: Dort heißt es, dass etwa 90 Prozent aller Hunde zumindest zeitweise Gras aufnehmen. Dabei werden besonders die Süßgräser und speziell die sogenannten Quecken (lateinisch: Elymus) bevorzugt, die oft staudenartig am Wegrand und an Zäunen wachsen.

Der Mythos vom Vitaminmangel

Die Behauptung, dass Hunde nur dann Gras fressen, wenn sie einen Vitamin- oder Ballaststoffmangel haben, bezeichnet Ziese als "Gerücht, das sich wacker hält". Demnach hätten diverse wissenschaftliche Studien, die verschiedene Ernährungsformen berücksichtigen – von Trockenfutter über Nassfutter bis hin zu selbstgemachtem Futter –, gezeigt, dass es keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Grasfressen und einer Mangelernährung gibt.

Auch Gastroenterologin Kathrin Busch von der Medizinischen Kleintierklinik in München bestätigt, dass es keine Studien gibt, die belegen, dass Hunde einen Mangel an Ballaststoffen durch Grasfressen ausgleichen würden.

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Das Fressen von Gras, um ein Übergeben herbeizuführen, weil dem Hund etwas nicht bekommen ist, ist demnach ebenfalls nur ein Gerücht. "In einer Studie hat etwa so gut wie kein Hund vor dem Grasfressen Zeichen von Übelkeit, wie etwa vermehrtes Speicheln, gezeigt", erklärt Anna-Lena Ziese. "Und nur 8 bis 23 Prozent der Gras fressenden Hunde erbrechen sich anschließend."

Kathrin Busch ergänzt: "Übelkeit kann in Grasfressen resultieren, muss es aber nicht. Und: Nicht jeder Hund, der Gras frisst, hat einen Fremdkörper in sich – genauso wie nicht jeder Hund mit Fremdkörper Gras frisst."

Die möglichen Ursachen

Was sind also die Ursachen für das Grasfressen? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es bislang nicht. Allerdings sind verschiedene Gründe möglich.

Evolutionäres Erbe vom Wolf

Eine wissenschaftlich plausible Theorie besagt, dass das Grasfressen ein vom Wolf geerbtes Verhalten sein könnte. Während Wölfe mit ihren Beutetieren auch deren meist pflanzlichen Mageninhalt aufnehmen, stillen unsere Haushunde dieses evolutionär bedingte Verlangen durch den direkten Verzehr von Grashalmen.

Beschäftigung und Stressabbau

Hunde könnten auch als Beschäftigung Gras fressen, um Stress abzubauen - oder einfach nur, weil es ihnen schmeckt. Für die Tiere könnte es eine entspannende Tätigkeit sein – ähnlich wie das Knabbern von Salzstangen für uns Menschen beim Fernsehen.

Wann sollten Sie zum Tierarzt?

Obwohl Grasfressen in den meisten Fällen harmlos ist, gibt es Situationen, in denen ein Tierarztbesuch dennoch ratsam ist.

"Wenn Grasfressen zu einer Notwendigkeit für den Hund wird und dazu einzelne Symptome wie Erbrechen, Durchfall kommen oder das Tier nicht beziehungsweise schlecht frisst oder trinkt, sollten Sie mit Ihrem Hund zum Tierarzt gehen", rät Gastroenterologin Busch. "Spätestens, wenn Ihr Hund einen fanatischen Drang entwickelt, Gras zu fressen – er vielleicht sogar drinnen unruhig wird, raus will, das Gras geradezu abweidet – und sein Allgemeinbefinden sich verändert."

Deutliche Alarmsignale sind laut "Erste Hilfe beim Hund" außerdem Blut im Erbrochenen, Blut im Stuhlgang oder wenn der Hund keinen Kot mehr absetzen kann. Besonders nach büschelweisem Grasfressen könnte dies auf einen lebensgefährlichen Darmverschluss hindeuten.

Darf der Hund also Gras fressen?

Die klare Antwort lautet dennoch: Ja, lassen Sie Ihren Hund Gras fressen, wenn er will. Solange Ihr Vierbeiner in normalen Maßen an Grashalmen knabbert, besteht kein Anlass zur Sorge.

Aber beachten Sie dabei einige Vorsichtsmaßnahmen: Auf genutzten Agrarflächen wie Weizen- oder Maisfeldern können Dünger, Herbizide oder Insektizide konzentriert sein. Besonders am Feldrand, wo der Bauer beim Ausbringen von Agrarchemikalien anhält oder wendet, sollte Ihr Hund definitiv nicht grasen. (eyn)

Verwendete Quellen

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