Einem Tier aus dem Tierheim ein neues Zuhause zu geben, ist eine wunderbare Sache. Doch die Adoption will gut überlegt sein. Von der Auswahl über rechtliche Aspekte bis zur Eingewöhnung – das sollten Interessierte im Vorfeld klären und beachten.
Einsame Blicke hinter Gittern, hoffnungsvolle Schwanzwedler oder verschmuste Samtpfoten: Tierheime sind voller Geschichten. Der Deutsche Tierschutzbund schätzt einem Bericht von "Ein Herz für Tiere" zufolge, dass rund 350.000 Tiere jährlich in deutschen Tierheimen landen. Die Gründe sind vielfältig: Überforderung der Besitzer, finanzielle Nöte oder Veränderungen der Lebenssituation. Was diese Tiere eint: Sie alle warten auf eine zweite Chance.
Wer einem Hund oder einer Katze aus dem Tierheim ein neues Zuhause schenken möchte, tut zweifellos etwas Gutes. Doch die Entscheidung sollte dennoch wohldurchdacht sein. Anders als beim Züchter bringen Tierheimtiere oft eine komplexe Vergangenheit mit – und das erfordert besondere Aufmerksamkeit von ihren neuen Familien.
Die Realität im Tierheim: Nicht alle Tiere sind "einfach"
"Mitunter kennen wir die Vita unserer Tiere, oft wissen wir allerdings nicht, was sie vorher erlebt haben", erklärt Ute Reinhardt vom Tierheim Berlin gegenüber Stiftung Warentest. Viele der Bewohner haben Schlimmes erlebt: Misshandlung, Vernachlässigung oder traumatische Trennungen prägen ihr Verhalten.
Das zeigt sich auch in den Vermittlungsbögen, wo entsprechende Verhaltensweisen notiert werden - oft aber auch ein wenig verklausuliert. Nach Einschätzung der Berliner Tierheimleiterin sind etwa 80 Prozent der Hunde und 50 Prozent der Katzen aufgrund ihres Verhaltens schwer vermittelbar.
Das bedeutet jedoch nicht, dass unerfahrene Tierfreunde keine Chance haben. "Unproblematische Tiere können wir oft so schnell vermitteln, dass wir nicht dazu kommen, einen Internet-Steckbrief für sie zu erstellen", berichtet Reinhardt. Ein persönlicher Besuch im Tierheim kann daher erfolgversprechender sein als das Stöbern auf den Webseiten.
Der Weg zur Adoption: Gründliche Prüfung ist Standard
Tierheime nehmen ihre Verantwortung ernst. Bevor ein Tier ein neues Zuhause bekommt, werden die Interessenten gründlich unter die Lupe genommen. Das beginnt meist mit einem ausführlichen Fragebogen zu Wohnsituation, Familienverhältnissen und Erfahrungen mit Tieren.
Bei Hunden folgen oft mehrere Kennenlerntermine oder sogar Schnupperbesuche in der neuen Umgebung – begleitet von Tierheimmitarbeitern. Auch Kontrollbesuche nach der Vermittlung sind üblich. Diese intensive Betreuung mag manchen übertrieben erscheinen, dient aber dem Wohl der Tiere.
Einem Ratgeber der Futtermittelkette "Fressnapf" zufolge sollten Interessenten bei der Auswahl weniger auf Rasse und Farbe achten, sondern vielmehr den Charakter des Tieres unter die Lupe nehmen. Ein ausführliches Gespräch über die Vorgeschichte hilft dabei, das Verhalten des künftigen Mitbewohners besser zu verstehen.
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Schutzgebühr und rechtliche Besonderheiten
Für die Adoption wird eine Schutzgebühr fällig – bei Hunden meist 200 bis 300 Euro, bei Katzen etwa 100 Euro. Diese Kosten decken bereits erfolgte Behandlungen wie Impfungen, Chip und Kastration ab. Ein fairer Preis, wenn man bedenkt, was Tierheime in ihre Schützlinge investiert haben.
Rechtlich gibt es jedoch wichtige Unterschiede zu einem Tierkauf: Tierheime stellen oft Schutz- oder Überlassungsverträge aus, keine Kaufverträge. Das bedeutet für neue Besitzer: Sie haben kein Recht auf Gewährleistung. Stellt sich das Tier nach der Übernahme als krank heraus, müssen sie selbst für die Tierarztkosten aufkommen.
Zudem bleiben Tierheime oft Eigentümer der vermittelten Tiere – manchmal zeitlich begrenzt, manchmal dauerhaft. So können sie theoretisch eingreifen, wenn die Haltung nicht stimmt. Allerdings dürfen sie nicht eigenmächtig handeln, wie das Amtsgericht Hanau erst im vergangenen Jahr entschieden hat (Az. 98 C 98/23).
Die ersten Wochen: Geduld ist gefragt
Die Eingewöhnung in ein neues Zuhause ist für Tierheimtiere besonders aufregend und stressig. Es wird empfohlen, dem Neuankömmling zunächst nur ein bis zwei Zimmer zu zeigen und einen ruhigen Rückzugsort einzurichten. Wichtig: Das Tier nicht bedrängen, sondern ihm Zeit geben, von selbst Kontakt aufzunehmen.
Bei Spaziergängen sollten Hunde die ersten Wochen grundsätzlich an der Leine bleiben – sie müssen erst Vertrauen zu ihren neuen Menschen aufbauen. Eine Schleppleine bietet mehr Bewegungsfreiheit bei gleichzeitiger Sicherheit.
Generell dauert es sechs bis zwölf Wochen, bis sich ein Tierheimtier richtig eingelebt hat. Verhaltensweisen wie übermäßiges Bellen, Unsauberkeit oder Trennungsangst sind in der Anfangszeit normal und geben sich meist von selbst.
Checkliste vor der Adoption von Tieren aus dem Tierheim
Bevor Sie sich für ein Tierheimtier entscheiden, sollten Sie ehrlich folgende Fragen beantworten:
- Sind Sie gut vorbereitet? Haben Sie genug Platz und ist die Betreuung ganzjährig gesichert?
- Wie ist die Tierhaltung in Ihrem Mietvertrag geregelt?
- Macht das Tierheim einen guten Eindruck? Sind die Tiere gut versorgt?
- Wie engagiert sind die Pfleger? Intensive Beratung ist ein gutes Zeichen.
- Enthält der Vertrag alle wichtigen Angaben zu Alter, Gesundheit und Chipnummer?
Eine Tieradoption ist eine Entscheidung fürs Leben – sowohl für Mensch als auch Tier. Mit der richtigen Vorbereitung und realistischen Erwartungen können Tierheimtiere jedoch wunderbare Begleiter werden, die ihren Menschen oft mit besonderer Dankbarkeit und Treue begegnen.
Verwendete Quellen
- Ein Herz für Tiere: Endstation Autobahn: Haustiere vor Urlaub einfach ausgesetzt
- Stiftung Warentest: Was bei einer Tieradoption zu beachten ist
- Fressnapf: Ein Hund aus dem Tierheim - Tipps zu Auswahl, Erziehung und Zusammenleben
- Rechtssprechung AG Hanau: Verbotene Eigenmacht durch Tierheim
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