Noten sind ein emotionales Thema. Während ein positives Zeugnis beflügeln kann, kann das Selbstbewusstsein durch schlechte Noten schnell einen herben Dämpfer bekommen. Wie fängt man sein Kind bei schlechten Noten auf? Wie motiviert man es, ohne Druck aufzubauen? Darüber haben wir mit dem Schulpsychologen Klaus Seifried gesprochen.

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Das Zeugnis ist da – und mit ihm vielleicht auch schlechte Noten. Wie reagiert man da richtig? Laut dem Schulpsychologen Klaus Seifried sollten sich Eltern vom Zeugnis ihrer Kinder nicht kalt erwischt lassen. Es sei wichtig, schon im Vorfeld regelmäßig Kontakt zur Schule zu halten, indem man etwa die Elternsprechtage wahrnehme.

Dort gelte es, Grundsatzfragen zu klären, wie: Strengt sich das Kind an? Ist es überfordert? Gibt es Konflikte mit Mitschülern oder Lehrkräften? Hat das Kind Leistungs- und Prüfungsängste? Wie sehen die Lehrerinnen und Lehrer mein Kind?

Entscheidend sei aber vor allem die Bindung zum eigenen Kind, so Seifried: "Zunächst muss man akzeptieren, dass Kinder manchmal schlechte Leistungen bringen, dass Kinder Stärken und Schwächen haben. Wichtig ist ein Vertrauensverhältnis, damit das Kind auch über Schwierigkeiten in der Schule spricht. Besonders wichtig ist, dass die Eltern vor allem die Stärken ihrer Kinder sehen und nicht nur die Schwächen."

Das Entscheidende sei, dass Eltern sich einfühlen in ihr Kind und spüren, wie es dem Kind in der Schule geht. "Eltern brauchen eine intensive Beziehung zu ihren Kindern und brauchen auch den Kontakt und das Verständnis. Dieses Einfühlen ist ganz entscheidend", so Seifried.

Strengt sich das Kind an?

Dann gelte es die Frage zu klären, ob sich ein Kind anstrengt. "Wenn ein Kind mit einer schlechten Note kommt und ich weiß, es hat sich angestrengt, es hat es nicht besser geschafft, dann ist es wichtig, dass ich die Beziehung zu dem Kind halte", so Seifried.

Hilfreiche Sätze seien beispielsweise: "Ich helfe dir"; "Ich unterstütze dich"; "Das ist nicht schlimm, beim nächsten Mal wird es besser". Ein Kind etwa mit einer Lese-Rechtschreibschwäche oder einer Rechenschwäche könne diese durch Anstrengung und Fleiß allein nicht kompensieren.

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Wenn Eltern feststellen, dass sich ihr Kind nicht anstrenge, gelte es klare Forderungen zu stellen, so Seifried. Diese könnten beispielsweise lauten: "Heute Nachmittag um 15 Uhr machst du eine Stunde Hausaufgaben" Oder: "In den Ferien verlange ich, dass du am Tag zehn Vokabeln lernst."

Der Schulpsychologe fasst zusammen: "Kinder brauchen das Verständnis der Eltern, aber auch klare Regeln und Forderungen."

Vom Schimpfen hält er dagegen nichts. "Wem nutzt das? Das nutzt Ihnen als Elternteil, weil Sie sich ärgern und Druck abbauen wollen. Was hilft es dem Kind? Dem Kind hilft viel mehr, wenn Sie ruhig und sachlich sagen: 'Du machst keine Hausaufgaben, ich habe das beobachtet. Jetzt entscheide ich so und so. Heute beginnst du.' Freundlich und klar."

Belohnungen: Ein zweischneidiges Schwert

Belohnungen für gute Noten haben für Klaus Seifried zwei Dimensionen, eine materielle Seite und ein Beziehungsangebot: Er halte nichts davon, so der Schulpsychologe, seinem Kind Geld zu geben, damit es Eis essen gehen kann. "Wenn sie sagen, ich gehe mit dir Eis essen, dann ist das eine schöne, gemeinsame Aktion", so Seifried.

Entscheidend sei auch, dass die Kinder Verantwortung für ihr Lernen übernehmen. Viele Eltern neigten heutzutage dazu, den Kindern alles abzunehmen. Kinder würden jedoch wachsen und selbstständiger werden, wenn sie Verantwortung übernehmen könnten und lernten, Probleme und Konflikte selbst zu lösen.

Ausschlaggebend sei das familiäre Klima. "Kinder lernen besser, strengen sich mehr an, wenn sie in der Familie Vertrauen und emotionalen Halt finden, wenn sie Verantwortung übernehmen können, aber auch Fehler machen dürfen."

Es sei zudem ein Zeichen von Stärke, sich beraten zu lassen, etwa indem man einen Schulpsychologen hinzuzieht, wenn es in der Schule Lern- oder Verhaltensprobleme gibt, so Seifried.

Noten sind nicht alles

Noten sind wichtig, aber nicht alles. Oder, um es mit den Worten der Journalistin und Buchautorin Nora Imlau in ihrem Gedicht "Zeugnistag" zu sagen:

"Vergiss es nie, mein Kind: Dein Zeugnis,
das ist nur ein Blatt Papier.
Denn wer du bist und was du kannst:
Das Wissen liegt allein in dir.

Dein Wissensdurst, dein Witz, dein Lachen,
manches verborgene Talent:
Das wahre Zeugnis wird geschrieben
von jenem, der sich selber kennt.

Dein Zeugnis wird uns gar nichts sagen
von deiner Zukunft, deinem Glück,
nur einen winz'gen Bruchteil deiner
spiegelt es uns ein Stück zurück.

Die Zahlen und die Wortbausteine
sie wissen nichts von deinem Wert,
von deiner Seele, stark und weise,
die dich und mich so vieles lehrt.

Vielleicht steht da, du seist nicht fleißig.
Vielleicht steht da, du träumst zu viel.
Du seist zu groß für Kinderspiele.
Als lernten Menschen nicht im Spiel!

Wir müssen uns wohl dran gewöhnen
dass man dich jetzt in Zahlen misst.
Doch lass, mein Kind, dir von mir sagen:
Du bist perfekt so wie du bist!"

Über den Gesprächspartner

  • Klaus Seifried ist Diplom-Psychologe, psychologischer Psychotherapeut, Lehrer und Schulpsychologiedirektor i.R. Von 2003 bis 2016 war er Leiter des Schulpsychologischen und inklusionspädagogischen Beratungszentrums Tempelhof-Schöneberg in Berlin.