Die Ergebnisse des neuen ADFC Fahrradklima-Tests zeigen: Großstädte haben ihre Fahrradfreundlichkeit deutlich verbessert. Auf dem Land und in kleineren Kommunen hakt es teilweise noch – ebenso beim Miteinander im Verkehr: 70 Prozent der Radfahrer:innen fühlen sich im Straßenverkehr nicht sicher.
Gibt es in deinem Wohnort ausgewiesene Radwege? Fühlst du dich beim Radfahren sicher? Und wie oft nimmst du das Fahrrad, um zur Arbeit zu fahren? Fragen wie diese waren Teil des Fahrradklima-Tests 2024. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) wollte zum bereits elften Mal wissen, wie zufrieden die Radfahrer:innen in Deutschland sind. Das Ergebnis: Es gibt noch deutlich Luft nach oben, auch wenn sich die Zufriedenheit insgesamt leicht verbesserte.
Die fahrradfreundlichsten Großstädte in Deutschland
Viele Großstädte haben erfolgreich in die Fahrradfreundlichkeit investiert: Zwei Drittel der Städte über 500.000 Einwohner:innen steigerten sich in der Wahrnehmung der Radfahrenden signifikant. Laut Befragten holte Nürnberg am stärksten auf und punktet mit fahrradfreundlichen Ampelschaltungen und hochwertigen neuen Radwegen. Auch die Akzeptanz der Radfahrenden im Verkehr sei gut und mache dadurch mehr Spaß. Leipzig verbesserte sich in der Befragung ebenfalls im Vergleich zur letzten Umfrage 2022. Das liegt an effizienteren Falschparkerkontrollen und weniger Hindernissen auf Radwegen.
Frankfurt am Main baute zahlreiche neue Radwege und geschützte Radfahrstreifen, richtete Fahrradstraßen sowie fahrradfreundliche Nebenstraßen ein. Eine gute Beschilderung des Radwegenetzes und zusätzliche Radbügel sorgen dafür, sodass die hessische Metropole im ADFC-Ranking den Spitzenplatz einnimmt. Die fahrradfreundlichsten deutschen Großstädte sind demnach:
- Frankfurt am Main
- Hannover
- Bremen
In Düsseldorf, Essen und Berlin kritisieren die Befragten dagegen die fehlende Fahrradförderung in letzter Zeit. In Duisburg, Essen und Dortmund sind die Bedingungen für Radfahrende laut Test besonders schlecht. München hat sich minimal verschlechtert. Wie es sich anfühlt, dort Fahrrad zu fahren, kannst du in folgendem Artikel nachlesen:
Radfahren in der Großstadt: Das sind meine wichtigsten Tipps nach sechs Jahren
In diesen Städten und Gemeinden radelst du jetzt besser
In den Städten zwischen 200.000 und 500.000 Einwohner:innen belegen Münster, Freiburg und Karlsruhe die ersten drei Plätze. Bei den etwas kleineren Städten (100.000 bis 200.000 Einwohner:innen) sind Erlangen, Darmstadt und Oldenburg die fahrradfreundlichsten.
Dass auch hügelige Städte mit schwierigerer Ausgangslage fahrradfreundlich werden können, beweist Tübingen. Der Gewinner in der Kategorie Städte zwischen 50.000 bis 100.000 Einwohner:innen hat sich laut Befragung stark verbessert. Die baden-württembergische Stadt baute ein durchgängiges und auffällig blau gekennzeichnetes Radnetz inklusive beheizter Fahrradbrücke (Utopia berichtete). Am Hauptbahnhof steht eine große Fahrradtiefgarage samt Werkstatt und Fahrradwaschanlage bereit.
Die Stadt Aachen erhält einen Sonderpreis für das beste Miteinander im Verkehr: Die Radfahrer:innen bewerteten es überdurchschnittlich gut und sogar noch besser als die allgemeine Fahrradfreundlichkeit der Stadt.
Baunatal in Hessen ist erneut Sieger bei den Städten mit 20.000 bis 50.000 Einwohner:innen; das liegt unter anderem an neuen Fahrradstraßen. Meckenheim (Nordrhein-Westfalen) liegt wie zuletzt auf Platz 2 und Ettlingen (Baden-Württemberg), das erstmals im Ranking landet, folgt auf Platz 3. Bei den kleinen Gemeinden bis 20.000 Einwohner:innen gewinnt wiederholt Wettringen. Utopia meint die fahrradfreundliche Kommune bereits interviewt:
Deutschlands fahrradfreundlichste Gemeinde: Was wir von ihr lernen sollten
Mangelnde Sicherheit: Was sich beim Verkehr verändern muss
Insgesamt geben jedoch 70 Prozent der Radfahrenden an, dass sie sich im Straßenverkehr nicht sicher fühlen. ADFC-Bundesvorsitzender Frank Masurat sagt dazu: "Am meisten stresst es, wenn Radwege zu schmal oder zugeparkt sind. Oder wenn man auf Straßen ohne eigenen Radweg mit zu geringem Abstand überholt wird. Das muss sich ändern: An Hauptverkehrsachsen und Landstraßen braucht der Radverkehr eigene, separate Führung, eingebunden in ein zusammenhängendes Radwegenetz."
Weiter sagt der Fahrradexperte: "Damit sichere Radwege in den Städten und auf dem Land durchgängig gebaut werden können, brauchen die Kommunen Mut zur Veränderung und eine verlässliche, langfristige Förderung von den Ländern und vom Bund."
Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder sagte bei der Vorstellung des ADFC-Fahrradklima-Tests, dass gerade kleinere Kommunen und der ländliche Raum noch Nachholbedarf haben und sieht es auch als Aufgabe der Bundespolitik, entsprechende Fördermittel zur Verfügung zu stellen.
Utopia meint: Nur mit Investitionen in sicheren Rad- und Fußverkehr kann die Verkehrswende in Deutschland gelingen. Dass schon ein einziger Kilometer neuer Radweg enorm positive Auswirkungen hat, zeigte gerade erst eine Studie.
Wie kommt der ADFC-Fahrradklima-Test zustande?
Der ADFC fragt als die größte Interessenvertretung der Radfahrer:innen in Deutschland und weltweit alle zwei Jahre nach der Zufriedenheit der Radfahrenden. Das Bundesverkehrsministerium unterstützt den ADFC-Fahrradklima-Test, der 2024zum elften Mal stattfand. Per Online-Befragung stimmten dieses Mal rund 213.000 Radfahrer:innen aus ganz Deutschland ab. In 1.047 Orten war die Beteiligung hoch genug, sodass die Kommunen Teil der Auswertung sind. Die Ergebnisse sind nach eigener Aussage des ADFC nicht repräsentativ, haben aber durch die breite Beteiligung eine hohe Aussagekraft und können Kommunen helfen, das Angebot für Radfahrende gezielt zu verbessern.

2024 hat Utopia mit dem ADFC darüber gesprochen, was sich in Sachen Fahrradfreundlichkeit und -sicherheit in der Bundesrepublik dringend tun muss:
"Innerorts flächendeckend Tempo 30" - was der Fahrrad-Club für sicheren Radverkehr fordert © UTOPIA