Wenn ein gebuchter Flug mehr als drei Stunden Verspätung hat, haben Passagiere Anspruch auf finanzielle Entschädigung. Möglicherweise gibt es in Zukunft für Betroffene jedoch deutlich seltener Geld.
Wer lange am Flughafen warten muss, weil sein Flug verspätet ist, hat derzeit wenigstens einen kleinen Trost: Ab drei Stunden Verspätung kann man eine finanzielle Entschädigung erhalten. Das könnte sich jedoch ändern. Wer künftig betroffen ist, könnte laut Verbraucherschützern deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung haben.
Die EU-Staaten beraten derzeit über einen Vorschlag der Europäischen Kommission. Im Raum steht, dass Passagiere unter anderem Entschädigungen erst bei deutlich längeren Verspätungen als bisher erhalten.
Anspruch auf Entschädigung künftig erst ab fünf Stunden Verspätung?
Derzeit gilt nach der Flugastrechteverordnung von 2004 (EG 261), dass Fluggäste ab drei Stunden Verspätung Anspruch auf eine pauschale Entschädigung zwischen 250 und 600 Euro haben. Nach dem Vorschlag der Kommission soll diese Schwelle auf fünf bis zwölf Stunden angehoben werden und jeweils von der Flugdistanz abhängig sein. Damit würden Verbraucherschützern zufolge rund 80 Prozent der Entschädigungen entfallen.
Der Ursprung der Reform reicht Jahre zurück: 2013 machte die Europäische Kommission den Vorschlag, die wichtigste Fluggastrechteverordnung aus dem Jahr 2004 (EG 261) zu reformieren. Darin enthalten sind Änderungen bezüglich der Entschädigungsansprüche im Falle von verspäteten Flügen. Ein Jahr später veröffentlichte das Europäische Parlament seinen Bericht dazu. Jahrelang kam es zu keiner Einigung - jetzt gibt es wieder Bewegung bei dem Thema. Das Vorhaben wird derzeit unter den EU-Staaten diskutiert.
Was die EU-Reform konkret für Passagiere bedeuten würde
Laut geltender Fluggastrechteverordnung besteht für Fluggäste pauschal ab drei Stunden Verspätung Anspruch auf Entschädigung, sofern die Airline diese verschuldet. Aktuell sieht das so aus:
- 250 Euro für Flüge bis 1.500 km
- 400 Euro für Flüge bis 3.500 km
- 600 Euro für Langstreckenflüge mit mehr als 3.500 km
Der Reformvorschlag der Kommission sieht unter anderem vor, die Entschädigungshöhe an verschiedenen Zeiten und Strecken festzumachen. Dann hätten Passagiere noch folgende Ansprüche:
- 250 Euro erst ab fünf Stunden Verspätung (bis 3.500 km)
- 400 Euro ab neun Stunden Verspätung (mit mehr als 3.500 km innerhalb der EU)
- 400 Euro ab neun Stunden Verspätung (mit mehr als 6.000 km bei Flügen außerhalb der EU)
- 600 Euro ab zwölf Stunden Verspätung (mit mehr als 6.000 km)
Pläne stoßen auf Gegenwind
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig hat sich deutlich gegen die diskutierte Änderung der Entschädigungsvorschriften ausgesprochen. "Verbraucherrechte sind kein Luxus, den man in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten einfach abschaffen kann", sagte die SPD-Politikerin, die in der Bundesregierung für den Verbraucherschutz verantwortlich ist. Sie werde sich deshalb dafür einsetzen, dass Flugreisende auch weiterhin ab einer Verspätung von drei Stunden entschädigt werden.
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Diese Anpassung wäre ein gravierender Rückschritt, sagte die Co-Leiterin des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland (EVZ), Karolina Wojtal. Die meisten Verspätungen im Luftverkehr lägen zwischen zwei und vier Stunden. "Airlines könnten dazu verleitet werden, Flüge gezielt zu verspäten, anstatt sie zu annullieren, um Entschädigungen zu umgehen."
"Sollte die Änderung angenommen werden, werden deutlich mehr und wesentlich längere Verspätungen zur neuen Normalität im europäischen Luftverkehr werden."
Auch Tomasz Pawliszyn, CEO des Fluggastrechteportals AirHelp, bekräftigt, dass die Entschädigungspflicht ein zentraler Anreiz für Fluggesellschaften sei, planmäßig und pünktlich zu operieren. "Sollte die Änderung angenommen werden, werden deutlich mehr und wesentlich längere Verspätungen zur neuen Normalität im europäischen Luftverkehr werden."
Endgültige Reform noch nicht beschlossen
Die europäische Lobbyorganisation "Airlines for Europe" (A4E) befürwortet eine Reform mit verlängerten Zeitschwellen. "Wenn etwas schiefgeht, braucht es Zeit, um ein Ersatzflugzeug oder eine Ersatzcrew zu finden", schreibt A4E auf der eigenen Website. Durch verlängerte Schwellenwerte hätten die Airlines gute Chancen, eine Lösung zu finden, die den Flugplan wiederherstelle und Passagiere ans Ziel bringe. Das käme schließlich den Fluggästen entgegen.
Die Reform ist bisher nicht beschlossen. Und es ist noch unklar, inwieweit die EU-Staaten dem Vorschlag der Kommission folgen oder noch Änderungen vornehmen. Zudem muss ein endgültiger Kompromiss mit dem EU-Parlament gefunden werden. Das Ergebnis dieser Verhandlungen wird darüber entscheiden, wie die endgültige Reform aussieht. (dpa/bearbeitet von sbi)