An den Börsen herrscht Party-Stimmung. Weltweit steigen die Kurse – so, als gäbe es Krieg, Krisen und Zoll-Chaos nicht. Droht ein Crash?
Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Börsen im Panik-Modus waren. April 2025, im Rosengarten des Weißen Hauses verkündet US-Präsident
Auf dem Kurznachrichtendienst X beschreibt ein deutscher Finanzjournalist den bei Sparern beliebten Index MSCI World – der Fonds bildet die Wertentwicklung von 1300 Unternehmen aus 23 Industrieländern ab – mit seinem hohen Anteil an US-Aktien als "Vermögensfalle". Krise, überall.
Und heute, kaum vier Monate später? Der "Rosengarten-Knick" ist in den wichtigen Indizes längst ausgebügelt, weltweit erreichen die Märkte Allzeithochs, die Börse ist im Bullenmarkt, das heißt: Die Kurse steigen. Trotz Trump. Trotz Inflationssorgen. Trotz Krieg in Europa und der Gefahr eines chinesischen Einmarsches in Taiwan. Wie kann das sein?
Zumindest mit Blick auf die US-amerikanische Regierung hat sich eine gewisse Gelassenheit breitgemacht. "TACO" ("Trump always chickens out"), was so viel heißt wie "Trump kneift immer", ist inzwischen zum geflügelten Wort geworden. Zwar droht und zetert der US-Präsident. Am Ende aber verhandelt er doch. Und ganz so schlimm, wie von Trump im April angekündigt, ist es mit Blick auf die Zölle doch nicht gekommen. Der US-Präsident hat seine "Deals" eingefädelt. Die entsprechen zwar, siehe Europa mit Zöllen von 15 Prozent, nicht der reinen Lehre der Marktwirtschaft und des Freihandels, aber aus Sicht der Börse ist die politische Unsicherheit immerhin gewichen.
Ulrich Stephan, Chefanlagestratege der Deutschen Bank sagt dazu im FAZ-Interview: "Zum anderen blicken die Marktteilnehmer nicht nur auf die wachstumsdämmende Handelspolitik, sondern auch auf die wachstumsfördernden Maßnahmen." In den USA seien das die von der Trump-Regierung angekündigten Steuersenkungen und Deregulierung. Beides eröffnet die Möglichkeit höherer Unternehmensgewinne, wovon Anleger profitieren.
Der Staat nimmt Geld in die Hand, das beflügelt die Börsen
In Europa, wo die Aktienmärkte zuletzt ebenfalls gut liefen, beflügelt die Aussicht auf eine expansive Fiskalpolitik, also erhöhte Staatsausgaben, die Fantasie. Beispiel Deutschland: Die Merz-Regierung hat die Schuldenbremse gelockert, um die Verteidigungsausgaben nach oben zu schrauben. Seit Januar hat sich der Aktienkurs des Rüstungsbauers Rheinmetall knapp verdreifacht, doch auch andere Dax-Werte wie Siemens Energy, Commerzbank, Münchner Rück oder Allianz treiben das Börsenbarometer.
Hinzu kommt: Das vom Bundestag beschlossene 500 Milliarden-Euro-Paket für Infrastruktur verspricht massiv Aufträge für die deutsche Wirtschaft. Und trotz Trumps erratischer Wirtschaftspolitik, eines ungelösten Ukraine-Kriegs und einer Inflation, die noch immer nicht beim Zielwert von zwei Prozent angelangt ist, hellt sich die deutsche Konjunktur auf. Im nächsten Jahr könnte das Wachstum bei 1,6 Prozent liegen. Könnte.
Denn klar ist auch: Die Börsen-Rekordjagd ändert nichts an den weltweiten Risiken. Und auch hier spielen die USA eine Hauptrolle. Immer wieder nimmt US-Präsident Trump die Zentralbank ins Visier. Geht es nach Trump, soll die FED möglichst schnell die Zinsen senken. Noch wehrt sich FED-Chef Jerome Powell dagegen. Doch dessen Amtszeit endet bald, und es ist gut möglich, dass Trump einen seiner Getreuen an die Spitze der Bank setzt. Wenn die Geldpolitik ihre Unabhängigkeit verliert, wäre dies allerdings ein schwerer Schlag.
Das US-Staatsdefizit steigt immer weiter
Der Hintergrund: Die US-Staatsschulden haben die Marke von 37 Billionen Doller überschritten, niedrigere Zinsen machen die Finanzierung zwar einfacher – befeuern allerdings auch die Inflation. Zentralbanken sollen aber nicht Staatsdefizite finanzieren, sondern für Preisstabilität sorgen. Allianz Global Investors hält den US-Schuldenstand schon heute für grenzwertig, wie die FAZ schreibt. Wenn die USA in eine Schuldenkrise rutschen, reißen sie die Weltwirtschaft mit.
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Und es gibt weitere Warnsignale von den Märkten: Im S&P 500, in dem die 500 führenden börsennotierten Unternehmen der USA versammelt sind, treibt nur eine Handvoll Unternehmen die Rendite. Kommt es bei den Überfliegern zu Rücksetzern, gerät der gesamte Markt ins Wanken.
Noch allerdings sind die Börsen in Bullen-Stimmung und die Erfahrung zeigt, dass das eine ganze Weile, auch bei Übertreibungen, so weitergehen kann.
Für Sparer, gerade die, die breit und langfristig anlegen, ist aber auch ein Crash nicht weiter schlimm. Wer Sparpläne auf Dax, S&P 500 oder den MSCI World einfach weiterlaufen lässt, sammelt Aktien dann günstiger ein. Und nach jeder Krise, auch das zeigt die Vergangenheit, haben die Aktienmärkte früher oder später wieder neue Hochs erreicht.